Название: Extra Krimi Paket Sommer 2021
Автор: A. F. Morland
Издательство: Автор
Жанр: Зарубежные детективы
isbn: 9783956178986
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»Haben Sie gezielt nach der Frau gefragt?«
»Nein, von Tür zu Tür sind wir nicht gegangen. Aber der Stockerbote hat die beiden Bilder dreimal gebracht, jedes Mal schön groß und an prominenter Stelle. Wenn jemand die Frau kennen sollte, hatte er Gelegenheit, sich zu melden.«
»Damit sind wir beim Thema. Ich habe sie mir angesehen, Herr Wibbeke, so eine Frau lässt sich nicht einfach das Kleid wegnehmen.«
»Plus Handtasche, Schuhe und Strümpfe«, ergänzte Wibbeke ernsthaft und klemmte die Mundwinkel ein.
»Plus Handtasche und Schuhe, sicher. Strümpfe - ich weiß nicht, es war ein sehr warmer Tag.«
»Sie vermuten also, sie hat das Kleid freiwillig ausgezogen?«
»Mit irgendeiner Theorie muss ich ja anfangen. Deshalb habe ich mir den Parkplatz angesehen, und auch die Feltenwiese.«
Weil Wibbeke eine Grimasse schnitt, hob Rogge die Hand: »Sie wissen, was da an schönen Abenden und in lauen Nächten abläuft?«
»Klar, da wird gerammelt, was das Zeug hält.«
»Wenn die Frau nun mit einem Mann verabredet war, zu eben diesem Zweck?«
Nach einer Bedenkpause schüttelte der Oberkommissar den Kopf: »Ich weiß nicht, Herr Rogge. Eine Frau, die für mehrere tausend Mark Schmuck trägt - ob die sich wirklich für Freiluft-Auto-Sex interessiert?«
»Sie meinen, sie hätte ein Motel vorgezogen?«
»Ja, zum Beispiel diesen schauerlichen Schuppen oben am Beilhorner See oder das Gästehaus des Bären.«
»Daran habe ich auch schon gedacht. Was, wenn der Mann es nicht wagen konnte, in das Motel oder in den Bären zu gehen?«
»Weil man ihn oder sie erkannt hätte?«
Rogge schmunzelte nur und Wibbeke kratzte sich verlegen den Kopf. Auf diese Idee war er noch nicht gekommen.
»Bis heute Morgen war ich auch fest davon überzeugt, die Frau hätte in einem Wagen gesessen, der über die Autobahn zu dem Parkplatz gekommen ist. Bis ich mir die Fahrspuren auf der Feltenwiese und im Wald näher angesehen habe.«
»O je, da haben Sie was am Wickel.« Wibbeke stöhnte, das Thema war ihm unangenehm. »Wie oft haben wir da schon eingegriffen und Strafzettel verteilt. Und das Forstamt bekniet, endlich eine Sperre einzubauen. Aber alles für die Katz. Wer sich auskennt, benutzt den Wirtschaftsweg und den Parkplatz als wilde Autobahnauffahrt.«
»Na fein. Unterstellen wir mal, die Frau war mit jemandem verabredet, der hier Bescheid weiß. Sie fahren über die Feltenwiese zum Waldrand, es kommt zum Streit, vielleicht, weil sie mehr als das Kleid nicht ausziehen will, er gibt Gas, entfernt sich Richtung Autobahn und sie dackelt zum Parkplatz, weil sie ja irgendwie wegkommen muss, sich aber nicht ins Dorf traut.«
»Glauben Sie denn, dass diese Inge Weber simuliert?«
»Ich würde meine Hand weder für ein Nein noch für ein Ja ins Feuer legen.«
Was Wibbeke wirklich von Rogges Theorie hielt, ließ er nicht erkennen, sondern rührte lange in seiner Tasse. Rogge betrachtete ihn ausdruckslos, bis Wibbeke unwillig Luft holte: »Einen Versuch scheint es wert.«
»Ja. Deshalb werde ich mich im Bären einquartieren, unter meinem Namen auftreten und allen Stockauern umgehend auf die Nase binden, warum ich im Dorf herumlungere.«
»Sie wollen also Staub aufwirbeln.«
»Oder jemanden nervös machen, ja. Und wenn ich völlig danebenliege - nun, dann habe ich zwei Wochen ausgespannt und den regionalen Tourismus angekurbelt.«
»Mir ist zu Ohren gekommen, dass Sie ein großer Fußgänger vor dem Herrn sind.«
Rogge lachte. Zwar hatte er Wibbeke nicht überzeugt, damit hatte er auch gar nicht gerechnet, aber der Oberkommissar würde mitspielen.
»Am besten besorgen Sie sich drüben in der Buchhandlung Steffen eine Wanderkarte.«
»Danke für den Tipp. Warum heißt dieser Hang Feltenwiese?«
»Felten, Hermann Felten war mal der größte Bauer hier im Tal, vor dem Krieg war das. Ein grober Klotz und stur wie ein Felsen. Aus der Schulzeit hatte er einen Intimfeind, den Sohn eines Landarbeiters, der auf keinen grünen Zweig kam. Dieser Ohlig biederte sich bei den Nazis an und wurde endlich Kreisbauernführer. Worauf Felten einen saugroben Brief an den Gauleiter schrieb, eine Partei, in der Ohlig was geworden sei, könne ja nur aus Dummköpfen und/oder Verbrechern bestehen.«
»Oha!«
»Es wurde mehr als Oha, Herr Rogge. Zwischen Felten und Ohlig brach der Krieg schon vor 1939 aus und irgendwann 1941 oder 1942 wurde Felten abgeholt.«
»Was ist aus ihm geworden?«
»Auf der Flucht erschossen. Offiziell. Was in Wahrheit geschehen ist ...«
»Und Ohlig?«
»Den hat’s 1947 erwischt. Mit einer Hacke erschlagen, der Täter ist nie gefunden worden. Der Feltensohn war zwar in Verdacht geraten, hatte aber ein mehr oder minder stichfestes Alibi. Anfang der fünfziger Jahre hat er verkauft und ist weggezogen. Seitdem heißt dieser Hang die Feltenwiese.«
Dorfgeschichten; Rogge sah Wibbeke nachdenklich an. Alte Rechnungen, nie abgeschlossen, nie als erledigt verbucht.
»Eine Frage noch: Im Bären bedient eine junge Frau, ich hab sie heute Vormittag zufällig vor dem Gasthaus gesehen.«
»Gertrud Leiwen.« Wibbeke schnalzte mit der Zunge. »Ein ziemlicher Feger. Sie liebt Trinkgelder, fesche Männer und wilde Spritztouren. Aber ein ordentliches Mädchen.«
»Dann bin ich ja genau der richtige Gast.« Der Kripomann stand auf. »Ab und zu schaue ich vorbei, Herr Wibbeke.«
»Viel Erfolg. Eine kleine Warnung noch: Der Bär ist das Stammlokal von ein paar jungen Männern, die zu viel Kraft und zu wenig Grips haben. Und kein Mensch kommt hier auf die Idee, wegen einer Rauferei mit blutigen Nasen und ausgeschlagenen Zähnen die Polizei zu holen.«
»Danke, ich werde aufpassen.«
In dem Buchladen bediente ihn ein junges blasses Mädchen, das vor Nervosität zappelte, der lange Pferdeschwanz pendelte pausenlos. Aber sie fand auf Anhieb die gewünschte Wanderkarte und piepste zum Abschied aufgeregt: »Hoffentlich hält sich das Wetter.«
Auf dem Markt wurden die Stände abgeräumt, zwei Männer mit rot-weißen Armbinden fegten im Zeitlupentempo Papier, Gemüse- und Obstabfälle zusammen. Man hielt ein letztes Schwätzchen, hier schien jeder jeden zu kennen. Was für Stockau wohl noch mehr zutraf.
Hertha Wassmuth schluckte zweimal trocken: »Wo, Chef?«
»Das Gasthaus heißt Zum Bären, in Stockau. Ich lass mein Handy an, für alle Fälle, und Kili schärfen Sie ein, dass ich ihn dort erst sehen will, wenn ich ihn СКАЧАТЬ