Die Täuschung. Norbert Lüdecke
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Название: Die Täuschung

Автор: Norbert Lüdecke

Издательство: Автор

Жанр: Религия: прочее

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isbn: 9783806244120

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СКАЧАТЬ die priesterliche Brüderlichkeit, gefährdeten die Einheit, verhinderten den Dialog und verunsicherten die Gemeinden.111 „Gesprächs“-Erfahrungen mit begegnungsbereiten, aber inhaltlich reservierten Bischöfen verliefen ernüchternd. Es komme zu einer Technik, in Diskussionen

      „durch die Nennung der Probleme und durch Aussprechen reformerischer Haltung … darüber hinwegzutäuschen, daß damit nur etwas benannt ist, aber kaum etwas verwirklicht, geschweige [denn] geändert ist. … Dadurch, daß Diskussionen erlaubt werden – gleichsam diskussionsoffene Räume gewährt werden [so ja auch die Strategie auf dem Essener Katholikentag; N. L.] – wird nur ein Alibi für den tatsächlichen hierarchischen Immobilismus gegeben. Diskussionen sind dann folgenlos, beliebig und für die Entscheidungen belanglos. Sie haben am Ende eine Entlastungsfunktion“112.

      Auch darüber, warum Dialogattrappen weithin nicht als solche erkannt wurden, machte man sich Gedanken und verwies auf die effektive biografische Bindewirkung einer katholischen Erziehung:

      „Vertreter kirchlicher Einrichtungen erziehen Kirchenglieder vom Kindergarten bis zum Frauenbund oder Männerwerk, vom Religionsunterricht bis zum Priesterseminar dazu, menschliche – oft frühkindliche – Erwartungen auf die Organisation und deren Amtsträger zu übertragen. Diese Erziehung kann zu einer Ichschwäche führen, die ihrerseits wieder von vielen Katholiken dadurch ausgeglichen wird, daß sie sich der Institution seelisch und geistig überantworten. Diesen Katholiken fällt es schwer, die anerzogenen Erwartungen und die verinnerlichten Verhaltensweisen später wieder abzubauen. Sie wollen weiter bei der Mutter Kirche geborgen sein, erwarten die Führung durch den Vater Bischof und die Wegweisung durch den Heiligen Vater. Sie bleiben autoritätsgläubig und mißtrauisch allem Fremden gegenüber. Das erschwert es diesen Katholiken, für die verantwortliche Mitarbeit in der Gemeinde und in den Einrichtungen der Kirche frei zu werden“113.

      Auch das ZdK, näherhin seine Vollversammlung, musste die Erfahrung machen, dass seine Vorstellungen von Dialog sich nicht zwingend mit denen der Bischöfe deckten. Die Bischofskonferenz ließ ab März 1969 unter Ausschluss der Öffentlichkeit einen Entwurf des Synodenstatuts erarbeiten und blieb auch von gegenläufigen breiten Forderungen nach einer öffentlichen Diskussion unbeeindruckt. Von seiner öffentlichen Vorstellung am 3. September114 bis zur endgültigen Verabschiedung durch die Bischofskonferenz am 11. November blieben gerade einmal neun Wochen. Nicht nur das ZdK sah damit die Dialogreden konterkariert, weil eine Diskussion an der Basis bei einem solchen Durchmarsch nicht möglich war. Auf der Vollversammlung des ZdK kam es zu heftigen Diskussionen, die aber zugleich wieder als Ventil dienten, so dass die Gemüter sich beruhigten. Probate Beschwichtigungsmittel kamen zum Einsatz: Mit dem pragmatisch klingenden Appell, nach vorne zu schauen und sich den Sachthemen zu widmen, wurden Struktur- und Verfahrensfragen und Inhalte gegeneinander ausgespielt. Gegen eine beabsichtigte bedauernde Stellungnahme des ZdK gab der Bischöfliche Assistent, Prälat Hanssler, Benimmhinweise: Die Bischöfe hätten das Recht auf ihrer Seite, weshalb es keine Anlässe gebe, sich öffentlich empfindlich zu zeigen oder die Bischöfe zu rügen. Das ZdK parierte. Statt wie geplant in einer Erklärung das Vorgehen der Bischöfe ausdrücklich zu bedauern, münzte man positiv um: Eine spätere Verabschiedung des Statuts hätte man zwar lieber gesehen, aber jetzt gehe es um einen neuen Abschnitt der gemeinsamen Verantwortung aller Gläubigen.115 Erneut kollaborierten die ZdK-Funktionäre, durchaus selbstständig gegenüber der Vollversammlung, mit den Bischöfen. Entscheidungen der Versammlung wurden durch die Spitzenfunktionäre in Präsidium, Geschäftsführendem Ausschuss und Generalsekretariat vielfach vorgeprägt und vorformuliert. Eine Regie der Routiniers gegenüber den nur punktuell zusammentretenden übrigen ZdK-Mitgliedern spielte sich ein.

      Das Synodenstatut

      Es ist ein gängiger Reflex, sich von unangenehmen Wahrheiten des katholischen Kirchenverständnisses zu entlasten, indem das Kirchenrecht und die mit ihm befassten Wissenschaftler zu Sündenböcken erkoren werden. Gerne geschieht dies, indem in variierten Formen „die“ Theologie gegen das Kirchenrecht angerufen wird, als könne erstere einen Geltungsvorrang beanspruchen. Dabei wird übersehen oder zur Linderung einer narzisstischen Kränkung116 instrumentell überspielt, dass alle theologischen Disziplinen, einschließlich der Kanonistik, geltungstheoretisch auf derselben Ebene angeordnet sind: dem kirchlichen Lehramt untergeordnet. Entsprechend ist das Kirchenrecht nicht eine Erfindung von Kanonisten, sondern die vom jeweiligen kirchlichen Gesetzgeber vorgenommene Umsetzung einer Theologie in rechtliche Bestimmungen, und zwar der kraft formaler Autorität geltungsvorrangigen Theologie – und nicht einer Theologie, die von einer Mehrheit von Theologen entsprechend ihrem Status als Option vertreten wird. Wer auf das Kirchenrecht schimpft, traut sich systemgerecht nur nicht, den Papst in Haftung zu nehmen.117

      Das Kirchenrecht ist nichts anderes als geronnene lehramtliche Theologie. Das zeigt sich exemplarisch an der rechtlichen Grundlage der Würzburger Synode, ihrem Statut. Dessen Bedeutung erschöpft sich nicht in seiner situationsbedingten Funktion und den darin getroffenenen organisatorischen Klärungen. Vielmehr gilt: „Das Statut ist Ausdruck einer bestimmten Lehre von der Kirche, gleichsam ein ekklesiologisches Konzentrat, und gewinnt von daher theologische Relevanz“118. Es gibt damit zugleich Aufschluss über das Kirchenverständnis des Konzils, das ja mit dem Statut rezipiert werden sollte. Gegen die verbreitete Verschleierungstaktik, Struktur- gegenüber Sachfragen abzuwerten, gilt es bewusst zu halten: Strukturfragen sind Sachfragen!119

      Kein Parlament

      Die zentrale Grundanforderung an das Statut der Würzburger Synode war, den konziliar bewirkten Drang der Laien nach Mitgestaltung in einer Weise zu befriedigen, die zugleich jede demokratische Gefährdung der bleibend hierarchischen Struktur der Kirche bannte.120 Die besondere Verantwortung und Entscheidungskompetenz des Episkopats, und zwar des einzelnen Diözesanbischofs wie der Bischofskonferenz, zu jedem Zeitpunkt des synodalen Vorgangs war zu sichern. Dies ist auf eine bislang einmalige Weise gelungen.

      Existenz und Eigenart der Synode verdankten sich – auf der Grundlage der Genehmigung durch den Apostolischen Stuhl121 – der Bischofskonferenz. Nur sie beschloss das Statut, nur sie konnte es ändern (Art. 16 SynSt). Die Zuständigkeit der Gemeinsamen Synode war beschränkt auf Angelegenheiten „in ihrem Bereich“ (Art. 1 SynSt), d. h. auf die Diözesen der Bundesrepublik und unter der vorausgesetzten Kompetenzverteilung zwischen Bischofskonferenz und einzelnem Diözesanbischof. Mit der einstimmigen Verabschiedung des Statuts hatten die deutschen Bischöfe sich als einzelne wie als Zusammenschluss in einem Akt der Selbstbindung bereit erklärt, nicht im Alleingang über Beratungsgegenstände endgültig zu entscheiden und sich an den statuierten Verfahrensablauf zu halten. Mit dieser Selbstbindung gaben sie ihre vielfach abgesicherte Souveränität allerdings nicht auf, sondern drückten sie aus.122 Die Entscheidung des Episkopats, eine gemeinsame Synode abzuhalten, begründete zwar durchaus moralisch berechtigte Erwartungen bei den übrigen Gläubigen. Rechtlich anspruchsgedeckt waren diese jedoch nicht und konnten es nicht sein: Aufgrund der Kirchenverfassung konnten die klerikalen Entscheider ihre Letztverantwortung nicht abgeben. Wo sie nach ihrem Urteil das Wohl der Gläubigen gefährdet gesehen hätten, wären sie berechtigt und im Gewissen verpflichtet gewesen, ihre Selbstbindung auch wieder zurückzunehmen.123 Bei aller – noch genau zu klärenden – Besonderheit der Würzburger Synode blieb auch sie also Ausdruck episkopalen Goodwills. Entsprechend bestimmte auch nur die Bischofskonferenz über Beginn und Ende der Synode (Art. 10 SynSt).124

      Die Synode besaß weder ein Selbstversammlungsrecht noch das Recht, Beratungsgegenstände zu bestimmen. Diese konnten nur im Einvernehmen, d. h. mit Zustimmung der Bischofskonferenz festgesetzt oder ergänzt werden (Art. 11 Abs. 1f. SynSt).125 Dieses Einvernehmen zu erklären, bedeutete bei Themen innerhalb des Kompetenzbereichs der Bischofskonferenz mindestens eine Zweidrittelmehrheit ihrer Mitglieder mit eingeschlossener Zweidrittelmehrheit der Diözesanbischöfe, bei Gegenständen mit diözesaner Zuständigkeit bedeutete es die Zustimmung aller Diözesanbischöfe, da es ja um die Bearbeitung „gemeinsamer“ Angelegenheiten gehen sollte.126 Im ersten Fall lag die Sperrminorität СКАЧАТЬ