Die Täuschung. Norbert Lüdecke
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Название: Die Täuschung

Автор: Norbert Lüdecke

Издательство: Автор

Жанр: Религия: прочее

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isbn: 9783806244120

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СКАЧАТЬ Am Anfang steht die Gesetzesinitiative. Sie kann von jedem Gläubigen ausgehen. Das Konzil hatte ja auch den Laien die Möglichkeit zugesprochen, je nach Wissen, Zuständigkeit und Stellung selbst oder in von der Kirche festgesetzten Einrichtungen den Hirten ihre Meinung in kirchlichen Gemeinwohlbelangen mitzuteilen, allerdings „immer in Wahrhaftigkeit, Mut und Klugheit, mit Ehrfurcht und Liebe gegenüber denen, die aufgrund ihres geweihten Amtes die Stelle Christi vertreten“ (LG 37,1). Nur solche – im Urteil der Hirten – qualifizierte Meinungsäußerungen sind relevant, was den Hirten ermöglicht, von Sachdiskussionen gerne in Stil- und Formfragen auszuweichen und Meinungsäußerungen als im Stil verfehlt und daher irrelevant zu disqualifizieren.

      Die weiteren Etappen, zunächst die Festlegung des Gesetzesinhalts und die Gesetzesausfertigung, d. h. die Erklärung der Verbindlichkeit des fixierten Gesetzeswortlauts, sind im Rahmen des überlieferten Glaubens Sache des Gesetzgebers. Beide Phasen folgten in Würzburg nicht wie üblich erst im Anschluss an die Synodenberatung, sondern wurden in sie integriert. Die Hauptlast der Vorbereitung der Vorlagen trugen die Sachkommissionen. Hier stellten auch Laien ihre Glaubenserfahrung, Sachkenntnis und Sichtweise den Hirten unterstützend und beratend zur Verfügung und konnten so unmittelbar auf die Führungstätigkeit der Bischöfe Einfluss nehmen. Die Bischofskonferenz wirkte an der Erarbeitung und an der in der Regel zweifachen Lesung der Beschlussvorlagen positiv mit. Sie konnte vor jeder Lesung und unabhängig von vorliegenden Wortmeldungen dazu Stellung nehmen und hat durch zahlreiche Anträge die Vorlagengestalt gesteuert. Mit besonderem Nachdruck geschah dies, wenn sie ihrer Pflicht nachkam, etwaige Bedenken gegen eine Vorlage aus Gründen ihrer Lehrautorität oder ihres Gesetzgebungsrechts spätestens vor der zweiten Lesung zu äußern (Art. 12 Abs. 5 SynSt). Damit wurde nicht nur ihre Leitungsverantwortung betont, sondern auch die Debatte frühzeitig fokussiert und das Gespräch zwischen Synode und Bischofskonferenz rechtzeitig eingeleitet, um Differenzen zu beseitigen und den Gesetzesinhalt in einer Weise zu modellieren, die den Bedenken der Hierarchen Rechnung trug und den Einsatz ihres Vetorechts überflüssig machte.147

      Die Gesetzgebungskompetenz blieb je nach materieller Zuständigkeit bei der Bischofskonferenz bzw. dem einzelnen Diözesanbischof. Verzichtete die Bischofskonferenz auf ein Veto, kam damit der entscheidende gesetzgebende Wille zum Ausdruck, die Anordnung im erarbeiteten Wortlaut verbindlich werden zu lassen, falls sie die erforderliche Mehrheit in der Synodenschlussabstimmung erreichte. Würde die Mehrheit verfehlt, blieb es der Bischofskonferenz oder dem Diözesanbischof gleichwohl rechtlich unbenommen, die Vorlage dennoch als Gesetz zu erlassen.148 Die Synode beschloss somit über eine Vorlage, die in Entstehung und Endgestalt auf der vorgängigen Entscheidung durch die zuständigen Bischöfe beruhte.

      Die Gesetzesverpflichtung oder -geltung schließlich entstand erst durch die autoritative Verkündung oder Promulgation des Gesetzes in den Amtsblättern der Bistümer als Gesetze der Bischofskonferenz149 oder des jeweiligen Diözesanbischofs. Eine Pflicht der Bischöfe, die Beschlüsse zu promulgieren, enthielt das Statut nicht150, wenngleich es sicher kein synodenfreundlicher Akt gewesen wäre, die Promulgation zu unterlassen.

      Gleiches Stimmrecht?

      Vor diesem Hintergrund wird ein zentraler Satz des Statuts über die Vollversammlung fragwürdig: „Alle Mitglieder haben gleiches beschließendes Stimmrecht“ (Art. 5 Abs. 2 SynSt). Hatte das Stimmrecht der Laien-Synodalen tatsächlich „die gleiche Qualität wie das der anderen Synodalen“151? Eine Gleichheitsaussage über die allgemeine Rechtsstellung der Synodalen konnte es nicht sein. Stattdessen ging es nur um den Moment der Schlussabstimmung.152 Zu diesem Zeitpunkt war der Beschlussgegenstand allerdings wesentlich reduziert. Bei der Erstellung der Vorlagen konnten die Bischöfe mit Attributen wie „unerlässlich“ einen Nachdruck signalisieren, der ihr Vetorecht fürchten ließ, ohne dass es zur Anwendung kommen musste. Es reichte, die Instrumente zu zeigen153, um die Kommission kompromissbereit bis nachgiebig zu machen.154 In diesen Schlussabstimmungen bestätigten die Bischöfe ihre Grundentscheidungen, die übrigen Synodalen traten ihnen bei oder nicht. Dass aus der Vorlage ein Gesetz werden konnte, war systemgerecht hierarchisch vorentschieden. Erreichte die Gesetzesvorlage die erforderliche gesamtsynodale Zweidrittelmehrheit nicht, war dadurch eine gleiche oder ähnliche Gesetzgebung der Bischöfe rechtlich nicht verhindert. Die unterschiedlichen Dezisionsanteile der gleichzeitig Abstimmenden, der bloße Dezisionsrest für die einfachen Synodenmitglieder wahrte vollständig das traditionelle Prinzip „nichts ohne und nichts gegen die Hierarchie“. Es ging um Mit-Verantwortung, aber das Präfix weist immer schon auf die immanenten Grenzen der Beeinflussbarkeit der katholischen Hierarchen durch Laien hin.

      Und selbst in der auf den Schlussabstimmungsaugenblick reduzierten Form bleibt die Gleichheitsaussage missverständlich. Einen zutreffenden Sinn erfährt sie erst, wenn man den katholischen Gleichheitsbegriff (LG 32) einträgt, für den unterschiedliche Berechtigungen gleichwürdig sind. Für im katholischen Glaubensdialekt Ungeübte dürfte der Passus allerdings eine Gleichberechtigung vorgetäuscht haben, die in der von Papst Paul VI. noch während des Konzils in Erinnerung gerufenen „societas inaequalis“ gar nicht gegeben sein kann.155 Der Statutensatz baute erneut eine Partizipationsattrappe zur Verschleierung der real existierenden Verhältnisse auf.

      Ein-Bindung der Hierarchen

      Eine wirkliche und ungewöhnliche Ein-Bindung der Hierarchen betraf lediglich zwei Aspekte der Kommunikationsregeln. Zum einen hatten sich – bei aller Privilegierung in der Debatte – auch die Bischöfe an das Grundreglement des synodalen Gesprächssettings zu halten. Auch an lange Reden gewöhnte Bischöfe mussten es hinnehmen, wenn ihnen der Moderator nach Überschreitung der fünf Minuten Redezeit das Wort entzog.156 Weitaus wichtiger war zum anderen, dass die Bischöfe begründungspflichtig waren. Sie hatten wie alle anderen für ihre Änderungsanträge zu argumentieren, ihre Vor- und gegebenenfalls Vetorechte innerhalb des Beratungsprozesses und als kollegiales Organ auszuüben. Dadurch ergab sich eine „doppelte Diskursivierung“157: Der synodalen Beratung hatte eine episkopale vorauszugehen. Der einzelne Bischof konnte seine Rechte nur über die Bischofskonferenz zur Geltung bringen, die zu einer gemeinsamen Position finden musste. Da der Meinungs- und Entscheidungsfindungsprozess in der Bischofskonferenz der Öffentlichkeit vorenthalten wurde158, kann nur vermutet werden, dass es dabei zu Kontroversen gekommen ist und einzelne Bischöfe zurückstecken mussten. Bedenken und Einsprüche erforderten dann einen zweiten Diskurs, da sie in Stellungnahmen und auf der Vollversammlung zu vertreten waren.159 Der Vorsprung formaler Autorität blieb erhalten, auch wenn eine inhaltlich-argumentative Grundierung gefordert war, die auf überzeugende Vermittlung und Einsicht zielte. Die formale Geltung der autoritativen Entscheidung blieb aber davon unabhängig.

      Dass jedwede Rechenschaftspflicht nach unten im katholischen hierarchischen System nicht nur als ungewöhnlich, sondern als potenziell gefährlich gilt, dafür bewies bereits der damalige Regensburger Dogmatiker Joseph Ratzinger ein sensibles Gespür. Als 1970 den Reformkatholiken in einer „Arbeitsgemeinschaft Synode“ die Synodenpläne zu basisfern und partizipationsarm erschienen und sie in einer Resolution „Zur Durchführung der Synode 72“ öffentlich eine weitergehende Demokratisierung forderten, bewertete Ratzinger dies hinter den Kulissen als außerhalb des katholischen Kirchenbegriffs stehend. Nach dem Glauben der Kirche gebe es in ihr kein Volk, von dem alle Gewalt ausgehe. „Kirche wird vielmehr allein dadurch, dass sie von oben, vom Herrn her berufen wird, und er ist es auch, der als bleibender Herr der Kirche die Aufträge der Leitung zuteilt, die nicht auf Delegation von unten, sondern auf der sakramentalen Zuweisung von ihm her beruhen“160. Müssten Bischöfe ihre Entscheidungen begründen und zur Diskussion stellen, seien sie der Synode untergeordnet.161 Dafür, dass aus der ungewöhnlichen Integration der Bischöfe nicht tatsächlich der ungebührliche Eindruck einer Egalisierung entstand, sondern die hierarchischen Verhältnisse durchgehend erlebbar und sichtbar blieben, war zudem durch zwei flankierende Arrangements im Synodensetting Vorsorge getroffen worden.

      „Im letzten wird die Synode ihre Fruchtbarkeit darin erweisen, ob sie ein geistliches Ereignis wird.“162

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