Название: Die Täuschung
Автор: Norbert Lüdecke
Издательство: Автор
Жанр: Религия: прочее
isbn: 9783806244120
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Der CDU-Bundestagsabgeordnete Köppler bestätigte dieses Konzept aus Laiensicht. Mit der konziliar betonten gemeinsamen Verantwortung aller an der kirchlichen Sendung sei ein geduldig einzuübender Geist der Brüderlichkeit gefordert. Bei einem „neuen Miteinander“ von Klerus und Laienschaft gehe es aber
„nicht um eine ‚Demokratisierung‘ der Kirche. Von ihrem Stiftungscharakter her entzieht sich die Kirche den aus unserem staatlichen und politischen Leben angezogenen Vergleichsbildern … Bischöfe und Priester sind bei aller Anerkennung des Dienstcharakters ihres Amtes eben keine dem Volk verantwortlichen Beamte, sondern in der Führung ihres Amtes letztlich dem verantwortlich, der der Herr der Kirche ist und von dem jedes Amt in der Kirche hergeleitet ist“29.
Allerdings benannte Köppler auch ziemlich klar das Problem, Laien für die kirchliche Mitarbeit auch in den neuen Gremien zu gewinnen, seien diese es doch gewohnt, „klare Kompetenzen zu verlangen und in aller Nüchternheit überzeugt zu werden … Der fromme Betrieb allein oder das unverbindliche Beieinanderhocken hat für sie wenig Reiz“30.
Die damals jahrelang anhaltende und die Diskussionen um die neuen Laienräte und das ZdK prägende ekklesiologische Standortsuche der Laien31 spiegelt ein Grundproblem der Konzilsumsetzung: Wie ließe sich ein neues Miteinander von Klerus und Laien und deren eigener Auftrag konkretisieren und organisieren, wenn die hierarchische Kirchenverfassung, ihre Ständehierarchie mit der unterschiedlichen Positionsmächtigkeit der Gläubigen nicht angetastet werden darf, wenn zwar die Teilhabe der Laien am priesterlichen, prophetischen und königlichen Amt Christi in Taufe und Firmung gründet, aber gleichwohl nur die besondere wesensverschiedene Teilhabe aufgrund der Weihe (LG 10) die Vollmacht zur Leitung der Zusammenarbeit begründet? Aus weltfremdem Optimismus32 oder im Bewusstsein, dass eine rechtliche Überbrückung dieser Standeskluft nicht möglich ist, nahm man Zuflucht zu Tugendappellen: Ein neuer Autoritätsstil sei gefordert! Der „Geist der Brüderlichkeit“ sollte es richten. Ständeverbindend wirksam werden sollte er durch das „Prinzip des Dialogs“. Alle Probleme hielt man im Modus des Dialogs fast nach Art einer Zauberformel33 für lösbar: „Indem Priester wie Laie selbstbewußt ihren Beitrag leisten und ehrlich auf den anderen hören, entwickelt sich im Gespräch die Lösung der anstehenden Fragen“34.
Beide Seiten sollten „die gegenseitige Pflicht zu angemessener Information“35 anerkennen und ausüben. Statt ein verbrieftes Entscheidungsrecht zu fordern, appellierte man an das Pflichtgefühl und moralisierte Strukturfragen. Ob das Gespräch gelingt, blieb damit abhängig von den kommunikativen Fähigkeiten und der Bereitschaft des Klerus und insbesondere des Episkopats, Argumente fair anzunehmen. Die Verwiesenheit auf Appelle an die Moral der Kleriker beließ (und belässt) Laien in der Rolle von Bittstellern.
Katho-Semantik: Dialog und Sprache
Dass „Dialog“ und „Gespräch“ eine erste innerkirchliche Konjunktur erfuhren, kann überraschen. Beruhen sie doch im zeitgenössischen Verständnis
„entschieden auf der Anerkennung der wesentlichen Gleichberechtigung der Partner. Ein Gespräch, bei dem von vornherein feststeht, daß z. B. seiner äußeren oder inneren Stellung wegen der eine Partner dem anderen gegenüber recht behalten muß, schließt heute geradezu den echten Gebrauch des Wortes … aus“36.
In der Kirche war ein solcher Dialogbegriff nicht nur unvertraut, Dialog war gänzlich anders konturiert. Dass auf dem Konzil Bischöfe Argumente austauschten, mochte die Illusion gefördert haben, es verwirkliche eine dialogische Kirche.37 Übersehen wurde und wird, dass hier keineswegs Gleichberechtigte im Austausch waren, sondern einer der Bischöfe, nämlich der von Rom, als Papst entscheidend gleicher war als alle anderen. Denn ein katholisches Konzil ist als Ereignis (Einberufung, Themen, Tagesordnung, Dauer) wie in seinen Ergebnissen (verbindliche Auslegung, rechtliche Umsetzung) in der Hand des Papstes.38 Zudem hatte Papst Paul VI. in seiner Antrittsenzyklika (1964)39 erstmals das Dialogmotiv zwar in die kirchliche Lehre aufgenommen, allerdings in einer katholischen Neuformatierung. Sein Inhalt wird deutlich, wenn sich die Kirche im Dialog mit der Menschheit, den anderen Religionen und christlichen Konfessionen40 sieht, allerdings als „Erbin und Hüterin“ des Wahrheitsschatzes.41 Wenn der Wille, Brüder der Menschen zu sein, gepaart ist mit dem, ihre Hirten, Väter und Lehrer sein zu wollen42, wird klar: „Dieses Lehrer-Sein prägt alles, was Paul VI. mit dem Begriff Dialog umschreibt“43. Noch deutlicher wird dies, wo der Papst vom Dialog in der Kirche spricht.44 Die Beziehung der Glieder der kirchlichen Gemeinschaft im „Geist des Dialogs“ wolle auf keinen Fall
„die Pflege der Tugend des Gehorsams beseitigen, da nämlich die Ausübung der Autorität auf der einen Seite und die Unterwerfung auf der anderen Seite, sowohl von einem geordneten gesellschaftlichen Leben, als auch insbesondere von der hierarchischen Natur der Kirche gefordert wird. Die Autorität der Kirche ist von Christus eingesetzt; sie vertritt ihn, sie ist die bevollmächtigte Vermittlerin seiner Worte und seiner seelsorglichen Liebe“45. „Wenn Wir Gehorsam und Dialog zueinander in Beziehung bringen, so wollen Wir damit unterstreichen, dass einerseits die Ausübung der Autorität ganz von dem Bewußtsein, im Dienste der Wahrheit und der Liebe zu stehen, durchdrungen sein muss, und dass andererseits die Befolgung der kirchlichen Vorschriften und der Gehorsam gegenüber den rechtmäßigen Oberen bereitwillig und freudig sein sollen, so wie es sich für Kinder geziemt, die frei sind und aus Liebe gehorchen. Der Geist der Unabhängigkeit, der Kritik, der Auflehnung verträgt sich schlecht mit der Liebe, die ein Gemeinschaftsleben beseelen soll … und verwandelt schnell den Dialog in eine Auseinandersetzung, einen Wortwechsel, ein Streitgespräch“46. „Alles, was zur Ausbreitung der kirchlichen Lehren dient, hat Unsere Billigung und Empfehlung. … Alle, die an diesem lebenspendenden Dialog der Kirche unter Führung der zuständigen Autorität teilnehmen, ermuntern und segnen Wir: besonders die Priester, die Ordensleute, die guten Laien, die in der Katholischen Aktion oder in anderen Vereinigungen für Christus kämpfen“47.
Angesichts dieses Dialogbegriffs ist folgerichtig, dass ihn auch das Konzil nur für die Außenbeziehungen der Kirche verwendet, „um jede Vorstellung eines innerkirchlichen par cum pari von vornherein nicht aufkommen zu lassen“48 – eine Sensibilität, die sich aus gegebenem Anlass wiederholen wird.
„Mit einem Dialog hat das alles nichts zu tun“49. Vom Gespräch unter Gleichberechtigten wurde „Dialog“ ständehierarchisch umformatiert zu einer notwendigerweise asymmetrischen Kommunikation zwischen kirchlichen Oberen und den ihnen unterworfenen Gläubigen. Dabei geht es um ein symptomatisches Beispiel für die gängige katholisierende Umdeutung von vertrauten Begriffen und eine signifikante Form lehramtlicher Machtausübung durch verbale Falschmünzerei.50 Der Papst ist Herr der Semantik. Was hier geschieht, hat Lewis Carroll in seinem zweiten Alice-Roman (Alice hinter den Spiegeln, 1871) exemplarisch anschaulich gemacht. In der Parallelwelt hinter den Spiegeln begegnet Alice dem menschenförmigen Ei Humpty Dumpty. Sie wundert sich, dass es das Wort „Glocke“ im Sinne von „einmalig schlagender Beweis“ benutzt. Auf ihren Einwand, das heiße „Glocke“ doch gar nicht, folgt die „recht hochmütige“ Antwort: „Wenn ich ein Wort gebrauche, dann heißt es genau, was ich für richtig halte – nicht mehr und nicht weniger.“ Darauf Alice: „Es fragt sich nur, ob man Wörter einfach etwas anderes heißen lassen kann.“ Und Humpty Dumpty: „Es fragt sich nur, wer der Stärkere ist, weiter nichts“51. Es geht um die Macht, Wörter zu füllen, um die Definitionsmacht. That’s all!
Im Verhältnis zwischen Klerikern und Laien war Dialog ein Wort der Sehnsucht und der Hoffnung, es möge ein ehrliches klerikales Versprechen sein, dessen Einhaltung man zwar nicht einklagen, aber moralisch erwarten dürfe. Nach dem Konzil war diese Hoffnung zunächst stark.52 Allerdings СКАЧАТЬ