Die Reise nach Hause. Lee Carroll
Чтение книги онлайн.

Читать онлайн книгу Die Reise nach Hause - Lee Carroll страница 10

Название: Die Reise nach Hause

Автор: Lee Carroll

Издательство: Bookwire

Жанр: Философия

Серия:

isbn: 9783867287166

isbn:

СКАЧАТЬ wie in jeder anderen Schlucht. Mike fand es aufregend und – das Tor rasch hinter sich lassend – schritt zügig voran.

      Kaum hatte er die Pforte durchschritten, als eine dunkle, schemenhafte grünliche Gestalt ebenfalls hindurchschlüpfte. Das Gestrüpp verwelkte, wo ES entlang ging; und hätte Michael beim Gehen nicht nach vorn geschaut, der Gestank hätte ihm verraten, dass ES anwesend war. ES bezog seine Position weit genug hinter Mike, um außer Sichtweite, aber immer im gleichen Abstand zu ihm und seiner Überschwänglichkeit zu bleiben. Behende und listig, überschattete es gleich einem Phantom Mikes fröhliche Begeisterung mit ebenso viel Hass und dunklen Absichten.

      Nach kurzer Zeit änderte sich für Michael Thomas nicht nur die Landschaft, sondern auch das Gefühl, das sie in ihm hervorrief. Nirgendwo konnte er das weitgestreckte Los Angeles mit seinen unzähligen Vorstadt-Häusern entdecken. Tatsächlich gab es keinerlei Anzeichen von Zivilisation – keine Telefonmasten, keine Flugzeuge, keine Autobahnen. Gespannt hatte er sich auf den neuen Weg gemacht, wie ein Kind, das an Weihnachten seine Geschenke auspackt – stetig ausholend und ohne viel nachzudenken, wobei er nun entdeckte, dass er mit jedem Schritt tiefer in eine andere Welt eindrang. Seine Reise führte ihn in eine Realität, die vollkommen verschieden war von derjenigen, in der er sich bis eben noch aufgehalten hatte. Mike fragte sich, ob er sich nun irgendwo zwischen Erde und Himmel befand, wo er spirituellen Unterricht erhalten würde – denn er ging davon aus, dass dieser bald beginnen musste, um ihn auf die Ehre seiner Heimkehr vorzubereiten. Der schmale Pfad war allmählich breiter geworden und besaß nun beinahe die Ausdehnung einer Straße. Er maß vielleicht ein bis anderthalb Meter, und war, obgleich er keinerlei Fußspuren zeigte, leicht auszumachen.

      Mike drehte sich plötzlich um. Was war das? Sein Blick fiel auf etwas Dunkelgrünes, Behendes, das nach links hinter einen Felsen schoss. Wahrscheinlich irgendein Wild, dachte er. Die Straße hinter ihm war nun das Spiegelbild dessen, was vor ihm lag – ein langes Band, das sich kurvenreich dahinschlängelte. Inmitten einer herrlich üppigen Landschaft mit grünen Bäumen, Wiesen und felsigen Anhöhen, verschwand sie über viele Hügel hinweg in der Ferne. Blumen betupften die Gegend genau an den richtigen Stellen – wie hunderte von Pinselstrichen auf der vollkommenen Leinwand der Natur.

      Mike hielt inne, um zu rasten. Er hatte keine Uhr, doch nach dem Sonnenstand schätzte er, dass es etwa zwei Uhr nachmittags war – Zeit zum Essen. Er setzte sich an den Wegrand und aß die Reste seines riesigen Frühstücks, die er sich für später aufbewahrt hatte. Er schaute umher und fühlte die Stille.

      Keine Vögel, dachte er. Er sah sich den Boden unter seinen Füßen genauer an. Auch keinerlei Insekten. Wirklich ein seltsamer Ort. Es machte ihn nachdenklich. Dann fühlte er einen plötzlichen Luftzug im Haar. Wenigstens Luft gibt es hier! Er schaute hinauf zum wolkenlosen Himmel, in das reine Blau eines erfrischenden, herrlichen Tages.

      Mike stellte fest, dass es in seinem Beutel nichts mehr zu essen gab; aber er wusste auch, dass er nicht allein war und dass Gott irgendwie für sein leibliches Wohl sorgen würde. Die Geschichten von Moses in der Wüste fielen ihm ein, der 40 Jahre lang mit den Stämmen Israels umherzog. Er erinnerte sich, wie diese Nomaden vom Himmel gespeist worden waren, und während er über die Geschichte nachdachte, fragte er sich, ob sie wohl wahr sei. All die Familien, die Moses folgten, hatten wahrscheinlich eigensinnige Teenager, so wie wir heute auch, dachte er. Er sah sie vor sich, wie sie ihren Eltern gegenüber maulten: »Also jetzt sind wir schon achtmal an diesem Felsen vorbeigekommen seit ich klein war! Warum vertraut ihr diesem Moses? Er führt uns im Kreis herum! Die Wüste kann doch so groß nicht sein! Oder?«

      Mike lachte bei dem Gedanken und fragte sich, ob er wohl bald den gleichen Felsen noch einmal sehen würde und dann wüsste, dass auch er im Kreis herumging! Ebenso wenig wie die Israeliten in der Wüste, hatte er eine Vorstellung, wohin er ging – und nicht einmal etwas zu essen! Die Übereinstimmung ließ ihn noch mehr lachen.

      Vielleicht als Belohnung für sein Lachen oder ganz einfach weil es an der Zeit war, entdeckte Mike hinter der nächsten Kurve der sich weitenden Straße das erste Haus – und es war blau! Du meine Güte, dachte er. Wenn Frank Lloyd das sehen könnte, er würde brüllen! Mike musste innerlich lachen. Ich hoffe, ich bin nicht respektlos, dachte er, aber ich habe noch nie ein blaues Haus gesehen. Der Weg führte tatsächlich zur Haustür, was also bedeutete, dass hier seine erste Station war. Es konnte nur so sein, da keinerlei andere Gebäude zu sehen waren.

      Als Mike sich dem kleinen Landhaus näherte, sah er, dass es in Kobaltblau gehalten war, und dass es von innen heraus sanft leuchtete. Er bog ab, und während er auf die Tür zuging, entdeckte er ein kleines Schild mit der Aufschrift »HAUS DER KARTEN«. Genau danach hatte er doch gefragt! Er schien der Sache also näher zu kommen. Vielleicht würde die weitere Reise nicht so voller Ungewissheit sein. Eine aktuelle Landkarte wäre eine wertvolle Hilfe in diesem fremden Land.

      Plötzlich öffnete sich die Haustür und heraus spazierte ein wunderschönes, großes, blaues Wesen, dessen Farbe doch wahrhaftig zu der des Hauses passte! Offenkundig war es ein Engelwesen, denn wie auch der erste Engel in der Vision, war es überlebensgroß – größer als ein Mensch. Seine Gegenwart erfüllte die Atmosphäre mit etwas Gewaltigem und einem Hauch von Blütenduft. Auch diesmal konnte Michael den Duft der Wesenheit tatsächlich riechen! Der große Blaue schaute ihn an.

      »Sei gegrüßt, Michael Thomas von reiner Absicht! Wir haben dich schon erwartet.«

      Anders als bei dem Engel in der Vision, war das Gesicht dieses Engels deutlich erkennbar und Mike bemerkte, dass es Wohlbefinden und Heiterkeit ausdrückte, unabhängig von dem, was die Wesenheit sagte. Mike war froh, Gesellschaft zu haben und verhielt sich respektvoll. Er grüßte den Engel.

      »Guten Abend, du großer Blauer!« Michael schluckte sofort. Was, wenn der Engel nicht »Blauer« genannt werden wollte? Was, wenn seine Farbe nur für menschliche Augen blau erschien und er in Wirklichkeit gar nicht blau war? Vielleicht mag er blau nicht einmal! Mike seufzte über die vielen Skrupel, die durch seinen Kopf gingen.

      »Ich bin für alle Wesen blau, Michael Thomas von reiner Absicht«, ließ sich der Engel vernehmen, »und ich freue mich über deinen Gruß. Bitte komm ins Haus der Karten und richte dich darauf ein, die Nacht hier zu verbringen.«

      Diesmal war Mike froh darüber, dass ein Engel seine Gedanken gelesen hatte – oder wie hatte es der erste Engel noch ausgedrückt? Dass er sie fühlen konnte? Wie dem auch sei, Mike war erleichtert, dass er den Vorstand des ersten Hauses nicht beleidigt hatte.

      Mike und der blaue Engel, zwei äußerlich unähnliche Wesen, drehten sich zur Tür und betraten das blaue Haus. Im selben Augenblick, da sich die Tür hinter ihnen schloss, spähten zwei durchdringende, riesige, knallrote Augen wütend aus dem großen Gebüsch links vom Hauseingang. Sie waren wachsam. Sie kannten keine Müdigkeit. Sie waren schweigsam und unendlich geduldig. Sie würden sich weder bewegen noch zwinkern – bis sie sähen, dass Michael Thomas sich anschickte, weiterzuziehen.

      Mike trat ein und war überrascht, über den Anblick, der sich ihm bot. Das Innere des Gebäudes war riesig! Es schien sich endlos auszudehnen, während es äußerlich einfach und bescheiden gewirkt hatte. Er erinnerte sich, dass der erste Engel gesagte hatte, nicht alles sei immer so, wie es scheine; was offenbar auch auf seine seltsame neue Wahrnehmung zutraf. Mike machte sich Gedanken über diese neue Art, die Dinge zu sehen. Hatte sie eine tiefere Bedeutung?

      Er wanderte hinter dem Engel durch die weiten Räume im Haus der Karten. Es war eingerichtet wie eine klassische Bibliothek, ähnlich den berühmten Bibliotheken in Europa, wo bedeutende historische Bücher aller Art aufbewahrt wurden. Statt der Bücherregale gab es hier jedoch Tausende kleiner, runder Öffnungen in den Wänden, jede bestückt mit – so schien es Mike – einer Schriftrolle. Die Wände dehnten sich endlos nach oben aus und die Öffnungen befanden sich – mehrere Stockwerke hoch – auf beiden Seiten der Hallen, die sie СКАЧАТЬ