Название: Gottes Herz für dein Dorf
Автор: Johannes Reimer
Издательство: Автор
Жанр: Религия: прочее
isbn: 9783961401628
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Deswegen existiert die Kirche im Dorf, weil Gott Interesse an den Menschen dort und am Gelingen ihres Zusammenlebens hat. So gesehen ist sie der beste Liebesbeweis Gottes. In der Zuwendung Gottes zu den Menschen zeigt sich seine souveräne Herrschaft.
Es ist hilfreich, zwischen Gemeinde als Bewegung und Gemeinde als Institution zu unterscheiden.43 Kirche im Dorf ist zunächst und vor allem Gemeinde Jesu, aber als Dorfgemeinde wird sie sich als dörfliche Institution etablieren müssen, wenn die Einwohner in ihr eine Institution erkennen sollen, die zu ihnen gehört.
Jesus beispielsweise kam zu den Seinen, und man hat an seinem Äußeren erkannt, dass er Jude war. Paulus wiederum ging zu den Griechen und wurde unter ihnen wie ein Grieche (1. Korinther 9,19 ff.), um sie für Jesus zu gewinnen. Und so lehrte er auch die Gemeinde in Korinth – und folglich auch uns. Denn wenn wir aufs Land gehen, um die Landbevölkerung für den Glauben an Jesus zu gewinnen, sollte die Landbevölkerung an der Gemeinde erkennen, dass diese zu ihnen gehört.
Dekan Martin Reppenhagen hat acht Charakterzüge einer missionarischen Gemeinde formuliert. Danach (1) hat eine Gemeinde eine missionale Berufung, (2) lebt sie Nachfolge und Jüngerschaft mit der Bibel als Grundlage, (3) geht sie Risiken ein im Kontrast zur Welt, (4) verkörpert sie Gottes Absichten für die Welt, (5) hat sie den Gottesdienst im Zentrum, in dem sie Gott feiert, (6) lebt sie in Abhängigkeit zum Heiligen Geist und im Gebet, (7) ist sie Zeugin, Agentin, Instrument und Zeichen des anbrechenden Reichs Gottes (mit vorläufigem Charakter) und (8) hat sie eine missionale Autorität in der Gemeinde, um die missionale Berufung zu fördern.44
Alle diese Positionen beziehen sich auch auf die Gemeinde im Dorf, aber das dörfliche Leben wird jedem der acht Charakterpunkte seinen eigenen Stempel aufdrücken. Nur wer auf dem Dorf angekommen ist, kann auch eine Dorfgemeinde bauen. Edmonson schreibt mit Recht: „Effektive Evangelisation auf dem Land kann nur von Menschen gestaltet werden, die das ländliche Leben verstehen und sich hingegeben haben, auf dem Land zu leben.“45 Und der britische Gemeindeaufbau-Experte Stuart Murray behauptet gar, dass man kaum Gemeinden auf dem Land mit Menschen von außerhalb bauen kann.46
3.2.Erwartungen an die Dorfgemeinde
Gemeinde ist Gottes Pflanzung, aber sie ist in menschlicher Gestalt in der Welt. In ihr sehen Menschen Gottes Herrschaft im Vollzug. Hier können sie das Evangelium sehen, erfahren und hören. Durchaus können die Menschen Gottes Absichten am Leben der Gemeinde auch missverstehen. Was also können Menschen von der Gemeinde Jesu auf dem Dorf erwarten?
In einer Untersuchung im Unterallgäu, die erforschte, was Dorfbewohner von der Kirche im Dorf erwarten, sind unter anderem folgende Ergebnisse zutage getreten47.
Die Kirche soll …
(1)Glauben vermitteln,
(2)das Dorf zusammenbringen,
(3)soziales Leben schaffen und unterhalten,
(4)unterschiedliche Bevölkerungsgruppen in die Gemeinschaft integrieren,
(5)seelsorgerliche Betreuung leisten,
(6)für Menschen in Notlagen sorgen,
(7)Menschen zum Ehrenamt motivieren,
(8)Heimatgefühle stiften sowie
(9)Ruhe und Kontemplation bieten.
Damit beschreiben die Unterallgäuer ziemlich genau die Bedürfnisse in ihrem Lebensraum. Die Kirche soll Verantwortung für ihren Lebensraum übernehmen, diesen gestalten und zum Besseren transformieren. Unmissverständlich schließen ihre Wünsche geistliche und soziale Aspekte ein. Glauben, Seelsorge und Gebet stehen hier neben sozialem Miteinander, Fürsorge, Integration und Heimat. Kann das eine Dorfgemeinde leisten? Muss sie es gar? Sind die Erwartungen nicht zu hoch geschraubt? Und wenn sie es nicht schaffen kann, wie soll der Gemeindeaufbau all das leisten? Welche Art von Aufbau braucht die Gemeinde, und wer kann ihn leisten?
3.3.Wir hatten einen Traum
„Ein Traum von der Gemeinde: Mut zum Missionarischen Gemeindeaufbau“, so betitelt Bernd Schlottoff sein überaus lesenswertes Buch zum missionarischen Gemeindebau.48 Offenbar muss man ein Träumer sein, wenn man heute noch missionarische Gemeinden bauen will. Das gilt vor allem für den Gemeindeaufbau auf dem Land.
Ich bin ein solcher Träumer. Aber der Traum, den ich da träume, ist weniger das Ergebnis eines überreizten Gehirns, sondern einer von Gott geschenkten Vision. Mir wurde sie, zusammen mit einigen anderen, zum ersten Mal 1999 geschenkt. Gerade nach einem längeren Auslandsaufenthalt nach Deutschland zurückgekehrt, standen meine Frau und ich vor der Frage, welcher Gemeinde wir uns in der neuen Heimat im Bergischen Land anschließen würden. Doch dazu kam es nicht. Denn ein befreundetes Ehepaar sprach uns an, eine neue Gemeinde zu gründen, und zwar auf dem Dorf. Zugegeben, ich hätte mir einen solchen Auftrag niemals selbst gegeben. Ich bin eigentlich ein Stadtmensch. Obwohl auf dem Land geboren, habe ich den allergrößten Teil meines Lebens in der Stadt gelebt. Das Dorfleben war mir fremd. Die Einladung unserer Freunde traf uns also überraschend und stieß erst mal auf Ablehnung. Aber der Gedanke, gegen alle Vernunft den Gemeindeaufbau auf dem Land zu wagen, reizte uns.
Nach viel Gebet und dem Drängen unserer Freunde gaben wir schließlich nach. So entstand das Gemeindegründungsprojekt in Brüchermühle im Bergischen Land. Es sollte ein ausgesprochen gesellschaftstransformatives Projekt werden und die Gemeinde, die wir bauten, eine missionale Gemeinde. Martin Schulten hat in seiner wissenschaftlichen Arbeit das Projekt und die Ergebnisse beschrieben.49
Die EfG Brüchermühle wurde im Jahr 1999 als eingetragener Verein von zwei Ehepaaren und fünf weiteren Freunden gegründet. Im Dorf gab es keine eigene Kirche, und Gottesdienste wurden lediglich unregelmäßig im Rahmen einer landeskirchlichen Gemeinschaft gehalten. Der Ort selbst – ein Ortsteil der Sammelgemeinde Reichshof – wurde in den 1970er-Jahren in die Gemeinde Reichshof (mit dem Rathaussitz in Denklingen) eingemeindet, die im Rahmen der Gebietsreform aus über einhundert einzelnen Ortschaften entstanden ist.50 Schulten schreibt:
„Das Dorf selbst mit seinen angrenzenden Nebendorfteilen hat 1891 Einwohner und besaß für diese Größe eine erstaunlich gute Infrastruktur. Mit zwei Tankstellen, einer Postfiliale, einem Lebensmittelmarkt, zwei Gaststätten, zwei Bankfilialen, einem Friseur, zwei Autowerkstätten, einer Fahrschule, einem Sportplatz, einem Bäcker, einem Drogeriemarkt und diversen anderen Geschäften, Handwerks- und Handelsbetrieben waren die Einkaufsmöglichkeiten für ein solches Dorf gut ausgeprägt, obwohl seit Anfang der 90er-Jahre ein Abbau der Infrastruktur begann. Das Hallenbad wurde aus Kostengründen Anfang der 90er-Jahre geschlossen, und die Bausubstanz zerfiel zusehends. Die Arbeitsmarktsituation der Bürger in diesem Dorf stellte sich so dar, dass sich zwei größere, produzierende Gewerbe nachhaltig in Brüchermühle angesiedelt hatten und viele Arbeitsplätze, СКАЧАТЬ