Название: Spielen! Was sonst?
Автор: Erny Hildebrand
Издательство: Автор
Жанр: Историческая литература
isbn: 9783960088073
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„Oh, ist das Sitzen gut, sagt der Schneider, obwohl er den ganzen Tag sowieso sitzt“, entfährt es Margit.
„Wo hast du denn den Spruch her?“, frage ich.
„Von einem Schneider in Bayern. Hab ich im Urlaub aufgeschnappt.“
Der Köbes hinter dem Tresen will wissen, was wir trinken wollen.
„Zwei Mineralwasser“, bestellt Margit.
„Das ist eine Bierkneipe“, protestiere ich.
„Ja, wir können doch Biertrinken spielen. Meine Kinder haben, als sie klein waren, auch aus leeren Gläsern und Tassen Trinken gespielt“, sagt Margit.
Der Köbes entfernt sich kopfschüttelnd und knurrt in Richtung seiner Kollegin: „Die beiden haben wohl schon einiges intus. Nun habe ich die Faxen satt.“ „Bitte zwei Bier“, rufe ich ihm schnell nach.
„Kommt sofort, Lady“, brummt er.
Zwei Minuten später stehen die Bierchen frisch gezapft vor uns, nachdem wir zwei dicke Bleistiftstriche auf dem Bierdeckel haben. Plötzlich unterbricht hinter uns eine schimpfende Stimme unsere spielerische Konversation. Seit einer Stunde habe er den Spielautomaten gefüttert, ohne auch nur den kleinsten Gewinn erzielt zu haben, schimpft ein Gast. Ärgerlich bezahlt er seinen Deckel und entschwindet hinter dem schweren, alten Vorhang nach draußen. Wir beide nehmen noch einen tiefen Schluck, schauen uns an, nicken, rutschen von den Hockern und haben es ja nicht weit zum geizigen Automaten. Zwei Seelen – ein Gedanke. Ich wurschtle in meiner Jackentasche und bringe zwei passende Münzen zu Tage, lasse sie in den vorgesehen Schlitz plumpsen und meine: „Jetzt bestellen wir noch zwei Bierchen und warten mal ab, ob dem Automat mein Geld gefällt.“ Wir lassen ihn in Ruhe – er macht so einige kleine Geräusche und plötzlich ein lautes nicht enden wollendes Klappern von herunterfallenden Geldmünzen. So schnell wie jetzt sind wir vorhin nicht von unseren Hockern gekommen. Vom hinteren Tisch der Skatspieler ruft einer sehr laut: „Köbes, zieh den Stecker vom Automat – der ist kaputt – der spuckt.“
Wir beide grinsen uns an und nehmen Hände voll Münzen aus dem überquellenden Münzfach. „Was machen wir jetzt?“, fragt Margit.
„Wir bringen etwas Geld an den Skattisch und vorher bezahlen wir davon unseren Deckel, der inzwischen sechs gemeinsame Bierchenstriche hat.“ Vor dem Skatspielertisch lege ich 10 Münzen hin, mit den Worten „damit ihr nicht vor Neid erblasst. Ihr könnt ja den Betrag ausspielen – für den Gewinner.“
Einer der Spieler nuschelt ein halblautes „wieder mal zwei bekloppte Weiber.“
„Wir gehen“, raune ich Margit zu und wir eilen zum Ausgang. Am Tisch der alten Frau schauen wir uns an, wieder haben wir den gleichen Gedanken, legen vorsichtig den restlichen Haufen Münzen vor die leere Kaffeetasse und entschwinden schnell durch den Vorhang. Auf dem Heimweg leben wir unsere Fröhlichkeit aus und hüpfen spielerisch auf dem Rathausplatz über die Regenpfützen, während uns das Glockenspiel vom Turm mit klingenden Tönen ermahnt: „Üb immer Treu und Redlichkeit, bis an dein kühles Grab und weiche keinen Finger breit von Gottes Wegen ab.“
Margarete Gritli Blickensdörfer
1944 in Homburg/Saar geboren. Sie lebte bei ihren Großeltern, bis sie mit der Einschulung zu ihren Eltern und jüngeren Geschwistern in die Pfalz zog. Als sie selbst eine eigene Familie gründete, nahm sie weitere Pflegekinder auf.
Mutprobe im Vorschulalter
Wenn die Großmutter das Enkelkind von Geburt an bis zur Einschulung bei sich behält, es erzieht und liebt, wie ein eigenes Kind, geht es ihm meistens gut. Wenn sie jedoch viel Angst um dieses Kind hat, es könne jederzeit etwas Böses beim Seilspringen oder Ballspielen auf dem breiten Trottoir vorm Haus passieren, dann hindert es die Großmutter daran, sich ins Leben zu spielen.
Mit diesem Gedanken beschreibe ich ein Erlebnis, wie es mir mit circa fünf Jahren passierte: Wenn ich mit meiner Oma nach draußen gehe, kann es vorkommen, dass mich braves Mädchen, das nur immer mit Oma sichtbar ist, Kinder aus der Nachbarschaft necken: „Du Feigling, du traust dich nie alleine auf die Straße!“ Ein Angriff, vor dem ich meine Ohren nicht verschließen kann. Mich ärgern solche Attacken noch mehr, wenn Oma zu schimpfen anfängt und den Mädchen „Freche Gören“ zuruft. Dann versuche ich, Oma mit allerletzter Kraft schnell vom Ort der Scham in Richtung unseres Hauses zu ziehen.
Einmal kann ich Oma ablenken und überlisten. In einer unbeobachteten Zeit locke ich einige der mich sonst attackierenden Kinder in unseren großen Garten, unter einen riesigen Kirschbaum. Da ist die Erde um den Stamm dunkel und es wächst nicht einmal Unkraut. Die Mädchen, bei mir zu Besuch, sollen ruhig sehen, dass ich nicht feige bin – auch im kühlen Dunkel unterm großen Blätterdach keine Angst habe. Und, ich kann etwas zum Anschauen bieten: einen Rabenvogel, der nicht mehr fliegen kann, denn ein Flügel hängt ihm auf dem Boden herunter. Das schwarz glänzende Tier hüpft aufgeregt um den Stamm des Baumes herum. Vor zwei bis drei Tagen hatte mich ein Rascheln in gefallenen Ästen und Blättern erschreckt, bevor ich den schönen Vogel entdeckte.
Heute bemerke ich, dass nicht alle kleinen Besucherinnen ohne Furcht sind! Sie wollen nun wissen, was zu tun sei. Ich schlage vor, ein Grab vorzubereiten, für den Fall, dass der Vogel sterben würde, er könne ja nicht selbst jagen. Ein herumliegender Spaten bringt mich auf diese Idee. Ich ergreife ihn und zeichne mit seiner scharfen Kante einen Kreis, gebe ihn weiter zur Nächsten. Sie beginnt ein wenig Erde auszubuddeln, gibt den Spaten weiter. Alle zeigen, was sie schaffen können, das zukünftige „Grab“ entsteht. Wir pflücken einige Blumen im Beet und schmücken es.
Ich bin Feuer und Flamme, freue mich, bin leicht durchgedreht darüber, dass so viele Mädchen mit mir unter meinem Lieblingsbaum einträchtig beisammen sind. In diesem Hochgefühl frage ich, ob wir den Rabenvogel zusammen fangen könnten, um ihn näher zu betrachten, ihm in die Augen zu schauen. Zunächst rennen wir alle um den Stamm des Baumes. Jede möchte beweisen, wie mutig sie ist. Doch irgendwann fangen wir nacheinander an zu jammern, Seitenstechen oder Wadenweh lässt uns aufgeben. Vielleicht ist die „Schau“ langweilig geworden?
Ich möchte die Kinder doch noch nicht gehen lassen! Mich sticht der Hafer, ich ziehe meinen letzten Trumpf, frage nach einer letzten Mutprobe: „Wer traut sich, ins zukünftige Vogelgrab zu pinkeln?“ Die einen kichern, andere sind stumm geworden. Ohne langes Federlesen strippe ich mit erdigen Fingern mein Unterhöschen herunter, setze mich über das gemeinsam gegrabene Vogelgrab, lasse mein Pippi sprudeln, schäumen… schaue beim Hochziehen meiner Hose in entsetzte Gesichter. Als die erste weinend den Ausgang des Gartens sucht, rennen ihr die anderen hinterher und erschrocken bleibe ich als Verliererin zurück und schäme mich ein bisschen über die wohl verunglückte Mutprobe.
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