SIN SOMBRA - Hölle ohne Schatten. Joachim Gerlach
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Название: SIN SOMBRA - Hölle ohne Schatten

Автор: Joachim Gerlach

Издательство: Автор

Жанр: Историческая литература

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isbn: 9783960087731

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СКАЧАТЬ Kreis der Menschen auf. Furchtvolles Zurückweichen unter dem Aufraunen der Menge, welches Gabriel einen Weg ebnet, pure Angst, die ihm eine Gasse schlägt.

      Selbst nie von derartig großen Ängsten heimgesucht, setzt er einen Fuß vor den anderen. Wenn er strauchelt und Schwäche zeigt, werden sie über ihn herfallen, werden sie ihn töten. Er spürt es und umso konzentrierter werden seine Schritte, obschon sich auch sein Geist mit der neu eingetretenen Situation auseinander setzt.

      Welch eine Schande, ohne Schatten da zu stehen, welch ein schmerzhafter Stich, welch eine unheilvolle Ahnung, all die Menschen jäh verloren zu haben, die ihm so sicher gewesen waren und ihm – auch wenn er um seine Besonderheit weiß – eine tiefe Geborgenheit für das Leben geschenkt hatten.

      Seine Schritte werden schneller, ohne dass er fortzukommen scheint, sie gehen ins Laufen über, ohne dass er das Gefühl hat, entfliehen zu können. Er beginnt, vor sich selbst fortzulaufen, den Halt seiner Seele zu verlieren, der einsamste Junge der Welt zu werden.

      Zuhause – hat er überhaupt noch eines? –, nahezu unwissentlich haben ihn seine Schritte dorthin geführt, verkriecht er sich in den kleinen fensterlosen Ziegenstall, der an das Haus angebaut ist, aber die älteren Jungen, die ihm mutig mit Abstand gefolgt sind, gönnen ihm keine Zuflucht und verraten der nachkommenden Menge den Verbleib.

      Immer lauter werden die Stimmen der auflaufenden Menge, sie dringen in Pablos Gehör, in seine Siesta, die er vor seinem Hause abhält, und endlich in sein Bewusstsein. Er öffnet die Augen. Auch sein schweigsamer Mund öffnet sich.

      Ehe er einen Gedanken formen kann, ehe er etwas zu sagen in der Lage ist, sieht er die Leute des Dorfes, die entschlossen heranmarschieren, darunter viele Freunde, diese bedrohlich näher rückende Menschenmenge, aus der auch schon Forderungen an ihn gerichtet werden.

      »Sag ihm, dass er aus dem Stall kommen soll!«

      »Ja, treib den kleinen Teufel aus seinem Versteck!«

      Das größte Befremden, das seine Seele heimsucht.

      *

      Am Abend war eine gefährliche Stille eingekehrt.

      »Sie werden wiederkommen …«

      »Ich begreife das alles nicht.«

      »Sie werden wiederkommen und sich hinter dem Rücken von unserem Herrn, von Sion de Albanez, postieren.«

      »Warum haben wir nicht …?«

      »Ihr müsst ihm und der Menge zuvorkommen!«

      »Es hätte uns doch …«

      »Unmöglich, bis morgen zu warten!«

      »Er ist uns doch geschenkt worden!«

      »Hört ihr mir eigentlich zu?«

      »Aber von Gott, wie ich immer dachte, oder vom Teufel …?«

      Sie schauten mit Sorge auf Gabriel, der sich in unruhigem Schlafe hin und her wälzte.

      »Pack seine Sachen, Margarita, und dann weck ihn! Ich nehme ihn mit. Hier ist er in großer Gefahr!«

      Die Worte stammten von Luis, dem äußerlich nur ausgezehrt wirkenden, innerlich aber noch so vehementen Freund. Er war der Menge am Nachmittag gefolgt und kurz von ihr aufgesogen worden. Dann aber war er aus ihr herausgetreten und hatte sich von ihr entfernt … auch mit seinem Verhalten. Er hatte sich schützend vor Pablo gestellt und den bedrohlichen Blicken und den hasserfüllten Wortattacken standgehalten.

      »Lasst sie in Ruhe«, hatte er gebrüllt, »und schert euch fort!«

      Nach einigen Momenten gefahrvollen Schweigens hatte er weitere Gegenwehr folgen lassen.

      »Es gibt hier für euch nichts zu tun. Also verschwindet!«

      Eine am gestrigen Tage noch undenkbare Situation war eingetreten. Luis stellte sich gegen die Gemeinschaft des Dorfes.

      Gegen die Gemeinschaft, die einzige, in die er je in seinem eintönigen und armseligen Leben hinein gewachsen war, die viel mehr noch als die vertraute Landschaft, die Nähe der Felder, die Nähe der Küste, die Nähe des Meeres und die Nähe des Himmels Heimat für ihn verkörperte. Ein Vorfall, ein einziger, der auch ihn beunruhigt hatte, war ausreichend gewesen, die festgezurrten Bande aufzulösen. Diese Gemeinschaft, war sie nicht mehr als ein Trugbild, eine vermeintliche Antwort auf die Schwäche der einzelnen, ein Schutzschild, das, wenn es darauf ankam, keines war? Stand in Wahrheit nicht jeder, der sie nicht genau spiegelte, alleine da?

      Schmerzliche Fragen, von schmerzlicher Erkenntnis geformt.

      Die Welt war so einfach zu erklären gewesen. Jeder hatte seinen angestammten Platz im großen Gefüge.

      Alles war bestimmt – jeder Tag und jedes Kommen und Gehen.

      Dies alles in dem ein Leben lang ungetrübten Bewusstsein der Gleichheit mit all den Menschen, die sich hier unter der heißen südlichen Sonne mühsam ihr Überleben verdienen mussten. Von heute an war diese so vertraut gewordene Welt zerstört und nicht mehr herzustellen.

      Die Schattenlosigkeit des kleinen Gabriel schon, derer er selbst nicht ansichtig geworden war, ließ die Sonne eines einfachen Glaubens untergehen. Und das sich anbahnende Zerwürfnis mit dem Dorf schleuderte seine schlichte Welt endgültig in das Dunkel der Nacht.

      Dennoch musste dieses Wagnis, dessen Luis sich sofort bewusst gewesen war, für etwas Größeres als die Gemeinschaft mit den Menschen des Dorfes, für die unzerstörbare Freundschaft mit Pablo eingegangen werden, eine Aufgabe, von der es aus Luis tiefster Überzeugung keine Befreiung geben konnte.

      Die Menge hatte auf seine Worte hin unschlüssig reagiert. Niemand wollte weichen, aber keiner ging auch nur einen Schritt mehr vorwärts. Nach einer Zeitspanne endlich, die Luis und auch den anderen wie eine Ewigkeit vorgekommen war, murrten die Ersten und gingen ins Dorf zurück. Gehässige Kommentare, da und dort aus der Menge kommend, von Cisco, dem Metzger geschürt, begleiteten sie.

      Nach und nach setzte Schweigen ein. Die davongingen, immer mehr an der Zahl, redeten nichts, und die noch verharrten und ihre Augen auf sie richteten, schwiegen auch, um dann gleich wieder mit ebensolchem Schweigen ihr Augenmerk auf Luis zu richten und den Ziegenstall, worin Gabriel sich aufhielt und der insoweit nur vor Übergriffen geschützt war, als dass nicht wenige zu glauben geneigt waren, dass gleich der leibhaftige Teufel aus ihm herausfahren und sie alle ins Verderben stürzen würde.

      Luis registrierte den Erfolg seiner Aufforderung mit gespannter Empfindung.

      Noch war ein Umschlagen der Situation möglich. Ein erklecklicher Haufen Männer, Cisco allen voran, stand weiter vor dem Haus. Doch auch wenn sie Tag für Tag enorme körperliche Leistungen vollbrachten, unermüdlich rackerten und schufteten, wohnte ihnen doch keine eigentliche Tatkraft aus einem freien eigenen Willen heraus inne.

      So blieben sie unentschlossen und zerstreuten sich schließlich in alle Richtungen, was freilich eine gute Stunde an Zeit in Anspruch nahm.

      Luis fühlte keinen Triumph in seiner Brust sitzen. Nein, es war nur das vorübergehende Weichen einer ungeheuren Anspannung.

      Die Lage würde sich wieder zuspitzen. Er wusste es, und dies ließ ihm keine große Erleichterung СКАЧАТЬ