SIN SOMBRA - Hölle ohne Schatten. Joachim Gerlach
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Название: SIN SOMBRA - Hölle ohne Schatten

Автор: Joachim Gerlach

Издательство: Автор

Жанр: Историческая литература

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isbn: 9783960087731

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СКАЧАТЬ sich jeher gefragt, wozu es gut sein mochte. Jetzt endlich wusste er es.

      »Es muss einen Sinn haben!«, sagte er dann. »Sonst hätten sie ihn in Cadiz den Nonnen übergeben können.«

      Worte, denen keine Erwiderung folgte.

      Erst als er sich auf den Heimweg machte, den er viel früher hatte antreten wollen, fragte Luis: »Wird unser Herr von ihm erfahren?«

      »Ich weiß nicht. Irgendetwas hindert mich …«

      Sich in Schweigen zu hüllen, schien ihm das Richtige zu sein.

      *

      Die Jahre gingen dahin.

      »Er ist ein stiller und sonderbarer Junge, aber Pablo und Margarita haben mit ihm ihren Frieden gefunden. Ich brauche nicht mehr über ihn zu wissen.«

      Diesen Satz sprach Luis zu sich selbst.

      Das sich vielerorts wegen der rätselhaften Herkunft des Kindes entfachende Gerede des einfachen Volkes und das offene, aber in keine Bestrebungen laufende Interesse der immer präsenten Kirche und der weltlichen Macht, die über die bewährten Kanäle ebenso Kenntnis von dem Jungen erlangten, hatten sich verflüchtigt.

      Der Junge war auf den Namen Gabriel getauft worden und entwickelte sich auf den ersten Blick unauffällig, sah man von seinen fast blonden Haaren einmal ab. Etwas Seltsames lag dennoch in jedem Erscheinen von ihm.

      Die Menschen hörten auf zu reden, wichen ihm ohne böse Gesinnung aus und vertieften sich in ihre Arbeit. Sie vermieden es, ihn anzuschauen. Als sei es ein Gebot von höherer Macht, den Jungen unangetastet zu lassen und ihn nicht mit ihren Blicken zu belasten.

      Gabriel begann seine Außergewöhnlichkeit zu begreifen, ohne eine Erklärung dafür zu haben. Ein sich in der Tiefe nur bewegendes Wissen.

      »Warum bin ich nicht so wie sie? Ich fühle, dass ich anders bin.«

      Wenn die Kinder des Dorfes miteinander spielten oder sich sonst wie begegneten, stand er oftmals abseits da und schaute zu und schwieg. Bisweilen wurde er wegen seiner besonnenen Art dazu bestimmt, die Entscheidung über eine Streitigkeit zu treffen. Und immer wurde sie ohne Murren anerkannt. Wirken auf der Ebene des Unbewussten.

      In die Gegebenheiten und das Leben mit Pablo und Margarita, die für ihn eher eine Mischung aus Eltern und Großeltern und nicht nur Eltern waren, hatte er sich gut eingefunden.

      Gabriel freute sich, wenn Pablo ihn mit zum Fischfang hinaus aufs Meer nahm. Dass dies nicht bei ungünstigem Wetter geschah, blieb von ihm auf Dauer nicht unbemerkt. Fragen stellte er deshalb keine.

      Lieber schaute er sich dann bei Pablos Heimkommen schweigend mit kindlicher Neugier und Forschergeist den Fang an, musterte jeden einzelnen Fisch, jede Makrele und jeden Wolfsbarsch, der mit ausgehauchter Seele in dem Korb am farblosen, Salz zerfressenen Bug des Bootes lag und der Ewigkeit, wie er an der Reglosigkeit der offen stehenden Augen ausmachen konnte, um das entscheidende Stück näher gekommen war.

      Doch wurde ihm das Wasser, so ruhig wie er es bei seinen Fahrten auch kennenlernte, nicht so zum Freund wie es dies bei seinen Alterskameraden vermochte. Gabriel blieb stets zurückhaltend. Ihm wohnte eine andere Art inne, als die Welt durch Aktivität zu ergründen.

      Er blieb überall der stille Beobachter und sah nachdenklich den Wolken nach, wenn er manchmal die Einsamkeit suchte und Stunde um Stunde am Strand sich aufhielt. Nie kam Böses über seine Lippen noch nistete es sich in seiner Seele ein.

      Pablo ließ ihn gewähren. Er ahnte, dass das Schicksal noch Besonderes vorhatte mit ihm.

      Deshalb zwang er ihn nicht samt und sonders in die zermürbenden Notwendigkeiten des Alltags, hielt ihn zwar zur Entwicklung seines Wesens, zu seiner Reife, zur Erledigung seiner Pflichten an, obwohl dies eher selten geschah, weil Gabriel für sein Alter bemerkenswert eigenständig und verantwortungsbewusst war, ließ ihm aber auch genügend Freiraum, damit er seine Seele dort zur Vollkommenheit brachte, wo Pablos Vermögen zurückbleiben musste.

      Pablo war ein einfacher und ehrsamer Mann, aber unter seiner dicken rissig-braunen Haut wohnte ein wacher Verstand, der ihn mit mehr Fortune zu mehr befähigt hätte als zum Führen eines Lebens als gemeiner Fischer.

      Doch das Schicksal hatte es nicht anders für ihn bestimmt. Seine Anspruchslosigkeit, die er mit der Muttermilch aufgesogen hatte, ließ ihn sein Geschick annehmen und nicht sonders unzufrieden werden.

      Für Frederico hatte er große Hoffnungen gehabt, die Hoffnung, dass er der Beschwerlichkeit des Lebens an diesem einsamen Ort entfliehen und in das Geschehen der weiten Welt Einzug halten konnte, etwa als in leichte und helle Stoffe gekleideter Kaufmann in Cadiz oder als Kapitän einer jenen unzählig vielen Handelsschiffe, die gen Amerika segelten, dem Glück des Goldes und des Geldes immer auf der Spur.

      Früher hatte er manchmal, wenn er auf dem Wasser gewesen war, diesen Schiffen nachgesehen und sich dann in seinen wenigen, immer wiederkehrenden Träumen verloren.

      Als Frederico groß wurde, träumte Pablo diese Träume für ihn.

      Frederico war ein so ein wunderbarer Junge gewesen, ein Geschenk des Himmels – und Gabriel war es auch.

      Ein Geschenk mit einem unerklärbaren innewohnenden Reichtum, den er nicht der Auszehrung des Alltags opfern durfte.

      »Auch er wird gehen!«

      Diese leise zu sich selbst gesprochenen Worte, diese Empfindung legte Pablo über all die Jahre nicht ab.

      Und so entwickelte sich zwischen ihnen ein starkes Band, aber nicht ein als unvergänglich empfundenes wie zwischen Vater und Sohn. Gabriel gehörte ihm nicht, er gehörte Gott und den Mächten des Himmels.

      Auch Margarita, Pablos Weib, sah Gott im Spiel. Anders als Pablo jedoch schaute sie Gabriel als ihr eigenes Kind an.

      »Der Himmel lässt Wunder geschehen und bahnt ihnen den Weg in die Welt.«

      Gott hatte ihnen Frederico genommen, warum er dies getan hatte, war ihr nie zu Verstand gekommen, und eben dieser Gott hatte ihnen nun, da er seinen Fehler eingesehen haben mochte und sie zu alt geworden war, um eigene Kinder zu bekommen, Gabriel als Findelkind geschenkt.

      Der Junge gehörte ihnen, dies ihre unumstößliche Gewissheit, wie sie sich sonst nur einer Mutter bemächtigen konnte. – Wem auch sonst, da nie sich irgendjemand nach ihm erkundigt hatte, hätte das Kind gehören sollen? Genauso wie Pablo, nur leiser, hatte sie sich gefragt, wer die leiblichen Eltern des Kindes waren, ob sie überhaupt noch lebten, aber sie fragte sich nicht, warum sie das Kind vor die Tür gelegt hatten oder hatten legen lassen, und fragte sich auch nicht, ob sie jemals noch einmal Anspruch auf es erheben würden.

      Nein, Gabriel war ihr Kind, ihr Kind allein, und sie würde es nie aus ihren Händen geben.

      Pablos Geist war forschender gewesen. Margarita hingegen sah es zu ihrer großen Überzeugung als gottgegeben an, dass Gabriel an die Stelle von Frederico gerückt war. Sie würden ihn behalten, bis sich aus ihm ein stattlicher junger Mann entwickelt hatte.

      Und wenn er ein gutes Wesen haben würde, und davon war Margarita überzeugt, dann würde er, so ihr mütterlich gefärbtes Denken, nie weit von ihnen gehen und sich bis zum Ende ihrer Tage um sie kümmern.

      *

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