Название: SIN SOMBRA - Hölle ohne Schatten
Автор: Joachim Gerlach
Издательство: Автор
Жанр: Историческая литература
isbn: 9783960087731
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In diesen Dienst der heiligen Sache hatte er sich voller Überzeugung gestellt, vom frühesten Mannestum an bis eben jetzt zu dieser Zeit, die ihn als mächtigen und gefürchteten Diener für den wahren und rechten Glauben kannte.
Landauf, landab eilte ihm sein Ruf voraus, warfen sich die Gläubigen bei seinem Erscheinen in den Schmutz der Straße oder versuchten die Brüder und Schwestern des satanischen Bundes, diese elendigen Kreaturen, die wie Pilze aus der Erde sprossen, ihr Leben in der Flucht zu retten, um selbiges dennoch durch seine Entschlossenheit um aller Gerechtigkeit willen in den reinigenden, zum Himmel hin züngelnden Flammen einzubüßen.
In seinen glühenden Visionen sah er ein Feuer, das die ganze Welt überkam und sie von allem Unrat befreite. Nur wer den rechten Glauben in sich trug, der musste keine Angst in sich reifen lassen.
Ich, Alfonso de Torquemada, werde durch die Flammen gehen, aufrecht und sicher, und noch nicht einmal die Spitze meines Mantels wird versengt sein.
Alle anderen jedoch, dieses faulig eitrige Geschwür der Menschheit, diese Ketzer gegen den Herrn und seine einzig wahre Lehre, würden ausgebrannt und ausgemerzt werden.
O ja, es musste solch ein Feuer kommen, ein verheerender Sturm, der allem Unwerten das unverdiente Leben nahm.
Bis Gott diesen Feuersturm sandte, war seine Aufgabe aber noch nicht erfüllt und hatte er den Glauben, wie die Väter ihn seit Anbeginn lehrten, zu verteidigen und Härte gegen sich einzufordern, um alle ihm sich offenbarende Sünde auszulöschen und gleichsam auch die, die sie hervorbrachten.
Ein vom Mittelalter an schon über Jahrhunderte gehender Kampf der Kirche war zwar siegreich beendet worden.
Die Conversos, die Bekehrten, die nur zum Schein vom Judentum oder vom Islam zum Christentum übergetreten waren und im Verborgenen weiter ihre zersetzenden Kräfte einzusetzen gedachten, waren niedergeworfen worden oder hatten ihr unwürdiges Leben durch Flucht gerettet. Doch unverändert war das Böse ein Feind mit hundert Köpfen, hinterhältig sich verbergend und gierig sich vermehrend, eine gefährliche Wurzel, unaufhörlich aus der Erde sprießend und von der schwarzen Lust getrieben, das Gute an seinem Stamme zu packen und zu ersticken.
Überall trieb es sich um und lauerte es. Ein endlos langer Kampf weiterhin, der sich abzeichnete. Die Welt, sie war schlecht, noch immer fest in Satans Hand.
Er musste kämpfen und stürmen, musste für die heilige Sache ganze Städte und Landschaften in Blut tauchen und je mehr Schuldige er bekam, desto mehr wuchs die Gewissheit um den Beistand des göttlichen Herrn. Auch dieses Kind gehörte gerichtet um der Reinheit der Erde willen, die Gott den Menschen anvertraut hatte.
Aufgegangene Satansfrucht, ich werde Deine Fäulnis kenntlich machen und Dich zertreten.
Hass stieg in ihm auf. Hass gegen ein Menschenleben, das er erst in ein, zwei Tagen kennenlernen würde. Hass ohne Unterschied … selbst gegen ein Kind.
Hass in ihm geboren, ihm in ständiger Begleitung zusetzend und ihn und seine Sinne allmählich zersetzend.
»Beeil er sich«, rief er ungeduldig dem mit seinem Knecht an dem geborstenen Rad arbeitenden Wagner zu, »wenn er nicht auch noch brennen will!«
Das Ende der grausamen Despotie nahte, aber es nahte unmerklich und noch verrichtete der Inquisitor ungestört trotz fehlender päpstlicher Billigung seine Blutarbeit.
Doch neue Zeiten würden über das Land kommen, fremde Besatzer bringen und Altes in den Abgrund der Vergangenheit stoßen.
Seine heilige Arbeit, sie würde bald schon der Verdammnis ausgeliefert und unter Strafe gestellt sein. Das Schicksal würde es jedoch zum einen so gut noch mit ihm meinen, dass er den Anbruch der neuen unseligen Zeit nicht miterleben musste und sich nicht um sein Lebenswerk gebracht sehen würde. Zum anderen wartete es geduldig auf ihn, um seinem Leben mit besonderer Grausamkeit zu begegnen. Das, was er auszumerzen gedachte, würde sich aus dem Staub erheben und über ihn und über die fremde Macht gleichermaßen triumphieren und dem Volk die wahre Freiheit bringen.
Dafür aber musste jetzt und fortan das kleine Leben aller Unwahrscheinlichkeit zum Trotz ob der riesigen Mächte, die ihm gegenüberstanden, unversehrt bleiben. Ein Atemstoß des Schicksals nur, ein einziger, und das Licht dieses Lebens war erloschen und eine immerwährende Dunkelheit die Folge.
*
Gabriel wälzte sich in schweren Träumen. Auch wenn er nicht um sein Leben fürchtete, wie es fraglos hätte sein müssen, wenn er alles nach seinem Dasein Trachtende zu bedenken in der Lage gewesen wäre, so nahm doch die Veränderung, die neue Zeit, seine kindliche Seele, die Schöpferin seiner Traumwelt, gefangen.
Tagein, tagaus, auf Wochen schon von der Welt, von seinem gewohnten unbeschwerten Leben getrennt, um das Rätsel seiner Schattenlosigkeit weiter nicht wissend, das Gefühl des Bewachtwerdens bleiern auf ihm liegend, konnte er trotz seines ungebrochenen Willens und trotz der Hilfe, die so nahe war und der er sich sicher sein durfte, nicht unbelastet sein.
Was war aus Mutter und Vater geworden? Würde er sie noch einmal wiedersehen? Würde er sein Dorf noch einmal wiedersehen? Hier, wo er jeden Busch und jeden Winkel kannte, wo seine Kindheitsjahre trotz aller Armut und Entbehrung so verlaufen waren, dass er mit keinem anderen Jungen, und wäre sein Vater selbst ein König gewesen, hätte tauschen wollen.
Würde er je wieder mit seinen Freunden zusammen sein? Würden sie ihn wieder in ihren Kreis einlassen, mit ihm spielen und ihm ihre Freundschaft zurückschenken? Und wer hütete jetzt die Ziegen, mit denen er Tag für Tag über Stunden so gerne unterwegs gewesen war? Und ob ihr Nachwuchs schon da war?
In den Stunden und Tagen und Wochen seines Aufenthalts hier an diesem dunklen Ort sehnte er sich, obwohl er keine Zweifel hatte, dass alles sich zum Guten wendete, zunehmend nach der Freiheit.
Freiheit, wie sie ein an dieser Küste geborenes Kind verstand, der Welt an jedem Tag, in jeder Minute gar, neu begegnen zu dürfen, neu erworbenes Wissen, neue Erfahrungen und Empfindungen in seine so offene Seele einzuspeichern und sie mit dem gleißenden Licht, das während des Tages aus dem weit gespannten Himmel unaufhörlich floss, dem unduldsamen Brausen des Meeres und den rauen Winden zu einem unvergesslichen Augenblick seines Lebens zu verschweißen, geborgen sich wissend unter dem Schutz der hohen Mächte, auch wenn sein Wesen so besonders war und kein Schatten den Boden, den er beschritt, bedecken konnte.
Hatte er nicht doch vielleicht etwas falsch gemacht, dass Gott ihn so anders gemacht hatte?
Gabriel dachte nach, ließ die Zeit, die sein Geist festgehalten hatte, in die Erinnerung fließen, holte ein Ereignis nach dem anderen aus dem Schattenreich der Vergangenheit, aber es drängte sich ihm keine Antwort auf. So verharrte er in der Empfindung, dass ihm hier keine Gerechtigkeit widerfuhr, aber eine letzte Unsicherheit blieb.
*
Ich muss los. Keine Minute mehr darf ich warten. – Alles schmerzte.
Es war keine Flucht, obwohl sein Aufbruch so ausgelegt werden würde. Die Pflicht, aus der Liebe und ihrer Verwurzelung geboren, sie allein rief, und das von Stunde zu Stunde lauter. Viel zu lange schon hatte er unschlüssig abgewartet.
Aber an diesem frühen Morgen, nachdem er mühsam eine knappe Erklärung für seinen Plan aufgebracht hatte, brach er aus seinem Leben aus. Alles an bisheriger Veränderung in seinem Dasein, Verlust und Zugang, war von außen hereingebracht worden, СКАЧАТЬ