Название: Der Lustmörder
Автор: Horst Bosetzky
Издательство: Автор
Жанр: Зарубежные детективы
isbn: 9783955520052
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«Bei deinen vornehmen Verwandten, bei den Börnickes, zerreißen sie sich schon das Maul über uns, weil wir noch immer nicht in eine bessere Gegend gezogen sind», sagte Klara.
Kappe fiel nichts Besseres ein als der abgedroschene Spruch, dass auch in der kleinsten Hütte Platz sei für ein glückliches Paar.
«Und wenn ich befördert werde, ziehen wir auch um.»
«Außer mit der Straßenbahn wirst du doch nicht mehr befördert», brummte Klara. «Wenn das zweite Kind kommt, brauchen wir Platz, und meine Kinder sollen nicht in einer Armeleutegegend aufwachsen.»
Kappe ging es zunehmend auf die Nerven, dass sie nur immer höher hinaus wollte. «Manchmal denke ich, es wäre besser gewesen, ich hätte an die Front gemusst und wäre gefallen. Dann hättest du dir einen anderen Mann suchen können, einen Akademiker, einen Assessor oder Professor.»
Klara wurde nun richtiggehend böse. «Irgendwann verliere ich mal die Geduld!»
«Nein, bitte nicht!» Kappe legte, um sie zu beschwichtigen, seine Hände auf die ihren. «Du weißt doch: Ohne dich kann ich nicht sein.»
«Mit mir und Margarete aber auch nicht - oder?»
«Doch, doch.» Zu neunzig Prozent stimmte das, aber die restlichen zehn Prozent, die Bedenken, waren nicht zu leugnen.
Auch heute wieder scheute er davor zurück, sich bindend auf den Tag eines Umzugs in eine bessere Gegend festzulegen, und hoffte darauf, ans Telefon gerufen zu werden. Er konnte aber schwerlich beten: «Herr, bitte lass einen Mord geschehen …» Ärzte und Hebammen hatten es in dieser Beziehung besser als er.
Nun, er wurde auf andere Weise gerettet: In diesem Augenblick betrat Pola Negri das Restaurant, und Klara war nun vollauf mit der Frage beschäftigt, ob sie es wagen konnte, die Diva um ein Autogramm zu bitten, oder nicht. Sie wusste alles über sie …
Als Barbara Apolonia Chalupiec war die Negri 1894 in Polen geboren worden und in ärmlichen Verhältnissen in Warschau aufgewachsen. Ihre Ballettausbildung hatte sie wegen einer Tuberkulose unterbrechen müssen und war zum Schauspiel gewechselt. Gerade erst siebzehn Jahre alt, wurde sie der Star des Warschauer Theaters, mit dem Ausbruch des Krieges aber war ihre Karriere schon wieder zu Ende, und ihr und ihrer Mutter ging es schlecht. Das änderte sich erst, als sie der polnische Regisseur David Ordynski für die polnische Premiere von Max Reinhardts Stück Sumurun engagierte. Es dauerte nicht mehr lange, da hatte Deutschland sie entdeckt, und Ernst Lubitsch drehte mit ihr in schneller Folge die Stummfilme Carmen, Madame Dubarry, Sumurun und Anna Boleyn.
Klara hatte keine ihrer Filme verpasst, besonders gern dachte sie an die Carmen -Premiere. Einer der Kunden des Kaufhauses Rudolph Hertzog, in dem sie seit Jahren als Verkäuferin tätig war, hatte ihr eine Karte für das Uraufführungstheater der UFA am Kurfürstendamm geschenkt. Am 17. Dezember 1918 war das gewesen, ein Tag, den sie nie vergessen würde. Im September 1919 hatte sie dann Madame Dubarry gesehen, diesmal nicht mit Harry Liedke, sondern mit Emil Jannings als Partner von Pola Negri.
Hermann Kappe ging wohl auch gern ins Theater, wenn es denn nicht zu hochgestochen war, genauso wie ins Kino. Er entwickelte dabei aber keine Art Sucht wie seine Frau.
Klara sah zu Pola Negri hinüber. Eine Schar bedeutsam aussehender Männer und stark kapriziöser Frauen umgab sie wie ein Festungswall.
«Da kann ich doch nicht so einfach hingehen und sie fragen …» Klara zögerte noch immer.
«Soll ich es für dich tun?», fragte Kappe, der wusste, dass sie sich über ein Autogramm der Negri mehr freuen würde als über eine goldene Kette.
«Das würdest du tun?»
«Ja.»
Damit stand er auf und machte sich auf den Weg zum Tisch, den die Künstlertruppe besetzt hatte. Er wusste, dass er mit einer schüchtern vorgetragenen Bitte kaum eine Chance hatte, ans Ziel zu kommen, da musste er sich schon etwas einfallen lassen. Er überlegte einen Augenblick, dann hatte er’s. Seine Kripo-Marke trug er ja bei sich. Ein Disziplinarverfahren würden die Herrschaften ja nicht gleich anstrengen wollen.
Mit ein paar Schritten stand er hinter der Gruppe, die Marke gezückt.
«Entschuldigung, meine Damen und Herren, eigentlich müsste ich Sie alle festnehmen lassen, Sie werden schon wissen, warum, aber wenn die gnädige Frau hier meiner Frau ein Autogramm gibt, kann ich’s auch vergessen …» Damit hielt er der Diva eine Speisekarte hin.
«Mach es!», rief einer, der Ernst Lubitsch hätte sein können.
«Ich habe es immer gern, wenn Frechheit siegt.»
So kam Hermann Kappe zu seinem Autogramm, merkte aber schnell, dass er damit nur ein Eigentor geschossen hatte, denn Klara wusste nun umso mehr, was sie an ihm hatte, und kam erneut auf den anstehenden Umzug zu sprechen.
«Der Krieg ist aus und vorbei.» Den hatte er immer vorgeschoben, um sich nicht auf die Wohnungssuche machen zu müssen. «Und es geht wieder aufwärts mit Deutschland, da kann man’s wagen.»
«Das Jahr ist ja noch lang», sagte Kappe. «Wir haben ja gerade erst Mitte Januar.»
«Lass uns jetzt den Tag festlegen.»
Kappe suchte Zeit zu gewinnen. «Wo willst du denn am liebsten hinziehen?»
«Darüber habe ich noch gar nicht nachgedacht.»
«Siehste.» Er freute sich, dass das Ablenkungsmanöver so gut gelungen war. Jetzt erschien auch noch der Ober, um die Bestellung aufzunehmen. «Einen Augenblick bitte noch …»
Weiter kam er nicht, denn in diesem Moment lief ein Boy durch den Raum und hielt ein Schild mit Kappes Namen hoch. Das hieß, dass er am Telefon verlangt wurde.
«Entschuldige bitte, Schatz.» Er sprang auf und eilte zum Tresen, wo ihm der Buffetier den Hörer hinhielt.
«Hier Galgenberg. Doppelmord am Tegeler Forst, Dohnensteig, det Liebespaar Numma fünf.»
Landschaft war rar geworden im großen Berlin, doch hier oben im zukünftigen Bezirk Reinickendorf gab es sie noch. Zum Beispiel den Tegeler Forst, der knapp westlich der Nordbahn seinen Anfang nahm und hinunterreichte bis nach Tegelort, dem Ende des Tegeler Sees. Doch überall wurde der Wald, wurden die einzelnen Jagen von immer neuen Siedlungen kräftig angenagt. So auch westlich von Hermsdorf beziehungsweise nördlich von Tegel, wo die Einfamilienhäuser schon die Revierförsterei erreicht hatten. Die Straßen trugen so poetische Namen wie Amselgrund, Waldfrieden oder Waldspechtweg. Der Dohnensteig, der von der Bismarckstraße abging und nach nur wenigen hundert Metern am Waldfrieden endete, grenzte unmittelbar an einen Endmoränenhügel.
«Sehr praktisch», sagte Kappe. «Wer hier oben steht, kann den Leuten direkt ins Fenster sehen. Das wird unser Täter auch getan haben - morgen früh also alles absuchen lassen!»
Galgenberg nickte. «Man kann ja nie wissen … Haste Jlück, machste dick. Wir hatten mal ’n Fall, da hat eena am Tatort kacken müssen, und der hat sich dann den Hintan mit ’ner Quittung abjewischt, wo sein Name und seine Adresse druffjestanden ham.»
Schnell hatte СКАЧАТЬ