Geschwisterliebe. Stephan Hähnel
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Название: Geschwisterliebe

Автор: Stephan Hähnel

Издательство: Автор

Жанр: Исторические детективы

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isbn: 9783955520410

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СКАЧАТЬ zu amüsieren. «Wer redet denn vom kleinen Grenzverkehr? Ein bisschen mehr Fantasie, Genosse Major! Die Welt ist groß. Kein West-Berliner verbringt seinen Urlaub freiwillig in Ost-Berlin oder gar in Ihrer geliebten DDR. Glücklicherweise gibt es eine Menge Ostblockstaaten, die sich über devisenstarke Urlauber freuen. Zollbeamte lernen dazu, Fluchthelfer aber auch. Visastempel nachzumachen ist nun wirklich kein Problem. Über den Versuch Ihrer Behörde, das Fälschen von Pässen durch den Wechsel der Stempelfarbe zu erschweren, können Fluchthelfer nur lachen. Es gibt keine Farbe, die nicht gefälscht werden kann. Das Informationssystem ist perfekt. Welche Farbvariante ungarische, bulgarische oder jugoslawische Beamte morgens auch immer festlegen, sie ist spätestens eine Stunde später bekannt.»

      Einen Augenblick lang hörte Major Schwarz auf zu fotografieren. Er ließ sich die Informationen durch den Kopf gehen. Dass die Stempel erst kurz vor der Ausreise gefälscht wurden, war ihm neu. «Interessant, Ihnen zuzuhören!», bemerkte er erfreut und lichtete den nächsten Ausweis ab. Als er fertig war, gab er Gensfleisch die Pässe zurück und hielt ihm die ausgestreckte Hand entgegen.

      «Hat nicht euer Marx auch von Angebot und Nachfrage gefaselt? Ausweispapiere bringen auf dem Schwarzmarkt inzwischen gut und gern eine vierstellige Summe. Ein Pass weniger schmälert meinen Gewinn erheblich. Ein kleiner Abschlag wäre angemessen, oder?», bemerkte Gensfleisch. Offensichtlich wollte er die gute Laune seines Führungsoffiziers ausnutzen. «Einen Ausweis einzubehalten und trotzdem die gesamte Prämie zu verlangen empfinde ich nicht gerade als fairen Handel.»

      «Seien Sie nicht so kleinlich! Wenn die Preise steigen, profitieren Sie schließlich davon. Zur Erinnerung: Wir haben genug Material gegen Sie in der Hand. Oder verlangt es Sie nach einer Einraumwohnung im ‹Gelben Elend› wegen verbrecherischen Menschenhandels, Gensfleisch?», drohte der Major beiläufig.

      Der Hinweis auf das berüchtigte Gefängnis in Bautzen ließ den inoffiziellen Mitarbeiter einen Augenblick verstummen. «Mit Ihnen zu verhandeln ist immer wieder eine große Freude», sagte er schließlich betont gelassen und legte den verlangten Umschlag in die Hand von Major Schwarz. Dann schob er den Zettel über den Tisch, auf dem jene Personen aufgelistet waren, für die die Pässe gedacht waren. «Wäre schön, wenn das klappt.»

      «Wir prüfen das», bemerkte der Major lakonisch. Sorgfältig steckte er den Umschlag mit dem Geld in den Aktenkoffer, nahm anschließend die Liste mit den Namen und überflog sie kurz. Lächelnd legte er sie ebenfalls in den Koffer, den er dann ordentlich schloss. «Vier Ausweise. Zwanzigtausend D-Mark. Möglicherweise mehr. Klingt nach einem guten Geschäft. Was machen Sie eigentlich mit dem ganzen Geld?»

      Gensfleisch zuckte mit den Schultern. Die Frage war rhetorisch gemeint, eine Antwort erwartete Major Schwarz nicht. Er war zufrieden und im Begriff zu gehen. Dann erinnerte er sich daran, dass das Hausbuch noch auf der Anrichte lag. «Ich kann mich doch auf Sie verlassen, wegen des leidigen Problems?», fragte Gensfleisch mit ernster Miene.

      Der Offizier der Staatssicherheit drehte sich langsam um und schaute sein Gegenüber mit unverhohlener Abscheu an. Er sprach es nicht aus, aber Verräter betrachtete er als Abschaum, selbst wenn sie der feindlichen Seite angehörten. Jemanden aus den eigenen Reihen ans Messer zu liefern widersprach seinem Kodex. «Die Genossen an der Grenze wissen Bescheid. Wir ziehen den Kerl aus dem Verkehr. Und Gensfleisch, die West-Berliner Kontaktnummer rufen Sie nur an, wenn ein Notfall vorliegt!»

      Gensfleisch schien erleichtert zu sein.

      «Viel Spaß im Hotel Unter den Linden. Sie nächtigen doch an der Friedrichstraße, oder? Ach, übrigens, die meisten jungen Damen, denen sie da begegnen, spreizen – wie formulierten Sie so treffend? – auch die Beine für den Sieg der Weltrevolution. Also Finger weg! Ihre Aufgabe ist die Schaffung operativer Voraussetzungen zur Kompromittierung der Führungskader der Feindorganisationen. Mit anderen Worten, die Damen akquirieren neues Personal.»

      Gertrud Kappe nannte ihren Mann gern einen Süßschnabel, obwohl Otto Kappe selbst keineswegs der Meinung war, dass diese Bezeichnung auf ihn zutraf. Tatsächlich aber konnte er zu Kuchen schlecht Nein sagen. Erst recht nicht zu Schwarzwälder Kirschtorte.

      Das Café Kranzler war gut besucht, und nur mit etwas Glück gelang es Otto Kappe, einen Tisch zu ergattern. Das Pärchen in dem bayerischen Trachtenverschnitt schaute pikiert auf den Berliner, der unerwartet flink das Geschirr der Vorgänger zusammenschob. Die bereits länger wartenden Touristen ignorierend, setzte sich Otto an den freien Tisch, stellte die Teller und Tassen gekonnt aufeinander, reichte sie dem Kellner und grinste frech über das ganze Gesicht. «Dit jeht hier nach de Müllermethode: Wer zuerst kommt, mahlt zuerst.»

      «Saupreuß!», war der kurze und abfällige Kommentar des verärgerten Schluchtenjodlers – so, erinnerte sich Kappe, pflegte Galgenberg gern die Bayern zu bezeichnen. Otto ignorierte die Bemerkung wie auch Gertruds Kopfschütteln. Seine Frau schien zwar für den Tisch dankbar, schämte sich aber offenbar ein wenig für ihren Mann. Verärgert verließ das Trachtenpärchen die Terrasse, und Otto war sich sicher, dass die beiden an den Berlinern im Allgemeinen wie an ihm im Besonderen kein gutes Haar lassen würden. «Und grüß Jott, wennan seht!», murmelte Otto der Vollständigkeit halber.

      «Du berlinerst doch sonst nicht so», stellte Gertrud erstaunt fest und deutete bittend auf die Speisekarte. «Seitdem Galgenberg sich verstärkt um die Bewahrung des Berlinerischen verdient macht, färbt das wohl auch auf dich ab.»

      Otto zuckte mit den Schultern, reichte seiner Frau die Karte und überlegte, ob er zur Schwarzwälder Kirschtorte eine Extraportion Schlagsahne nehmen oder doch lieber auf die Vernunft hören sollte. Der Griff an den Bauch ließ die innere Waage zugunsten der Warnung ausschlagen, der Blick zum Nachbartisch die Bedenken ob der kalorienreichen Verführung indes als überzogen abtun.

      Von der Terrasse aus konnten sie genüsslich die vorbeischlendernden Passanten beobachten. Herausgeputzte Damen. Keck, nach Art der Hippie-Mode gekleidete junge Mädchen, bauchfrei und mit Sandaletten, die nur aus Lederschnüren zu bestehen schienen. Halbstarke mit hochtoupierten Haaren und bunten Hemden, die den Mädchen hinterherschauten. Touristen aus fernen Ländern. Und Geschäftsleute, denen nicht aufzufallen schien, dass Wochenende war. Auf dem Kudamm feierte West-Berlin seine Unbekümmertheit. Nichtstun, Kaffeetrinken, Kuchenessen und zwischen Bewundern und Wundern hin- und herschwanken. So sah nach Gertruds Meinung ein perfekter Sonnabendnachmittag aus.

      «Gibt es etwas Neues im Fall der Toten von Nikolskoe?», erkundigte sie sich.

      Otto, der mit seiner Kuchengabel die Reste der Schlagsahne zusammenkratzte, wusste sofort, dass Gertrud mit ihrer Frage soeben den schönen Nachmittag verdorben hatte. Augenblicklich waren wieder all die Probleme und Ungereimtheiten präsent, wegen denen er sich den Kopf zermarterte. Schlimmer noch, Gertrud durchschaute ihn. Als wäre ihm schlagartig der Appetit vergangen, schob er den Teller zur Seite, wischte sich mit der Serviette den Mund ab, legte sie auf den Teller und beschwerte sie anschließend mit der Gabel, damit der Wind sie nicht wegwehte. Wie ein Schüler, der beim Abschreiben erwischt worden war, schaute er über den Tisch. Woher wusste Gertrud, dass er erneut diesem Fall nachging?

      Sie schien seine Gedanken lesen zu können. «Unser Sohn Peter hat Hans-Gert gestern vor der Stadtbibliothek getroffen. Dein Kollege wollte dort in alten Zeitungen stöbern. Es gebe neue Entwicklungen im Fall Nikolskoe. Offensichtlich ein Auftrag von dir. Erst habe ich geglaubt, Peterchen hat sich verhört. Ich habe das für ein Missverständnis gehalten. Aber nachdem du heute freiwillig vorgeschlagen hast, mit mir zum Schaufensterbummel auf dem Kudamm zu flanieren, und sogar bereit warst, im Kranzler einzukehren, weiß ich, er hat sich nicht verhört.»

      «Peter ist in Berlin?», fragte Otto erstaunt.

      «Ja, er hat ein paar Tage frei und erkundigt sich nach Möglichkeiten sich weiterzuqualifizieren.»

      «Er СКАЧАТЬ