Tambara. Heike M. Major
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Название: Tambara

Автор: Heike M. Major

Издательство: Автор

Жанр: Историческая фантастика

Серия:

isbn: 9783961455805

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СКАЧАТЬ sich vor langer Zeit für diesen Apfel entschieden. Immerhin gehört Tambara zu den wenigen Städten auf unserem Erdball, die sich mit der Entwicklung einer marktbeherrschenden Design-Frucht schmücken können.“

      „Weißt du was“, unterbrach Soul ihren Bruder, „ich besäße gern einmal einen natürlichen Apfel, einen von der Art, wie er auf der Erde wuchs, noch bevor die Menschen die Gentechnik entdeckten.“

      „Und was würdest du mit ihm anfangen?“

      „Ich würde ihn essen und ausprobieren, wie er schmeckt. Vielleicht schmeckt er ja ganz gut. Vielleicht schmeckt er mir, und ich betone ausdrücklich ‚mir’, ja sogar noch besser als unser Tambara-Apfel. Und vielleicht wäre er auf seine eigene, ganz besondere Art ja sogar schön.“

      „Schön ist, was sich verkaufen lässt und auf dem Markt besteht!“

      Reb wollte nun endlich seine Zeitung lesen.

      „Ja, ich weiß, und die Katze beißt sich in den Schwanz.“

      Missmutig wandte Soul sich ihrem Computer zu. Geräuschlos spuckte das Gerät die Sonntagszeitung aus.

      Der Schriftzug des Titels fiel sofort ins Auge: „Triumph der Forschung – Fotografien vergangener Jahrhunderte dokumentieren medizinischen Fortschritt.“

      Neugierig breiteten die Geschwister das Endlospapier auf dem Fußboden aus.

      Reb hatte recht behalten. Seine Kollegen waren verlässlich. In ihrem Artikel lobten sie die Fleißarbeit des Medienfachmannes, beschrieben die einzelnen Abteilungen der Ausstellung, Größe, Art und Zusammenstellung der präsentierten Fotografien und vermerkten lobend, wie dem aufmerksamen Besucher beim Rundgang durch die Ausstellung bewusst würde, mit welch enormem Fortschritt der Alltag der modernen Menschheit gesegnet sei. Nur eine kleine Notiz am Ende des Artikels verwies auf Bezugsquellen weiterführender Literatur. Souls Jazzkonzert wurde als ungewöhnlicher, aber schmackhafter Kunstgenuss eingestuft, der Auftritt des Louis-Armstrong-Doubles als Höhepunkt herausstaffiert und als Hintergrundinformation gab es detaillierte Beschreibungen über Maske, Kostüme und Beleuchtungseffekte. Kein Wort über die Geschichte des Jazz, über den kulturellen Hintergrund oder das damit verbundene Lebensgefühl. Nichts …, doch, wieder diese unscheinbare Fußnote am unteren Seitenrand. Dem Durchschnittsleser mochte sie nicht viel sagen. Auf ergänzende Quellen wurde an solchen Stellen häufig hingewiesen, auch wenn kaum ein Abonnent heutzutage noch die Zeit fand, sich eingehender mit Zeitungsnotizen dieser Art auseinanderzusetzen. Wer sich jedoch mit solch oberflächlicher Information, wie der Artikel sie lieferte, nicht begnügen wollte, konnte im Net mithilfe der Schlüsselwörter ausführliche Erläuterungen zu den Schlagzeilen abrufen – vorausgesetzt, die Regierung hatte die Seiten noch nicht gelöscht.

      Es war immer ein Wettlauf mit der Zeit. Vom Staat eingesetzte Controlsurfer sollten Netbetrüger aufspüren und Firmen bzw. deren Kunden vor Missbrauch schützen. Merkwürdigerweise verschwanden dabei aber immer wieder auch Informationen, die private Nutzer eingegeben hatten in der Absicht, mit Gleichgesinnten über ein Thema aus der Medienwelt vergangener Jahrhunderte zu diskutieren. Jemand hatte zum Beispiel einen Artikel über einen missglückten Forschungsversuch ausfindig gemacht und eine Datei dazu angelegt. Wer Fragen stellen, eigene Gedanken äußern oder Ergänzungen zum Thema anbieten wollte, schloss sich an. Man traf sich auf anonymen Plattformen, deren Absender dank eines ausgeklügelten Sicherheitssystems nur selten zu ermitteln waren. Auf diese Weise gelangte man häufig an Informationen, die nirgendwo sonst mehr nachzulesen waren. Oft befanden sich darunter auch Seiten offiziell nicht mehr existierender Bücher. So mancher Leser erinnerte sich beim Durchforsten dieser Sammlungen an ein von seinen Vorfahren ererbtes Schriftstück und vervollständigte die Dateien mit Texten aus seiner privaten Informationsquelle. Reb und Soul waren der Überzeugung, dass in vielen Haushalten noch Bücher von unschätzbarem Wert schlummerten, die aufgrund ihrer Einstufung als wertlos oder minderwertig im Laufe der Zeit in Vergessenheit geraten waren. Diese galt es zu aktivieren.

      Neuerdings erfreuten sich solche Plattformen eines regen, stetig zunehmenden Interesses. Nur gab es anscheinend Kräfte in der Regierung, denen dieser unkontrollierte Informationsaustausch ein Dorn im Auge war. Wie sonst sollte man es sich erklären, dass diese Seiten immer wieder von den Bildschirmen verschwanden.

      Soul machte die Probe aufs Exempel. Sie tippte den Schlüssel zum Thema „Jazz“ ein. Das Inhaltsverzeichnis erschien. Sie klickte eines der Stichwörter an und las: „Jazz: Wo das Leben noch Lust, Leid und Risiko ist und nicht vom Staat geschützte Gleichförmigkeit und Langeweile (Improvisation = Freiheit, Risiko, Wagnis!).“1

      Sie öffnete ein zweites: „Der Jazz ist so ziemlich die einzige heute existierende Kunstform, in der es die Freiheit des Individuums gibt, ohne dass das Gemeinschaftsgefühl verloren geht.“1

      Anscheinend war alles noch da.

      „Es ist Sonntag“, meinte Reb ironisch, „sie sitzen wahrscheinlich noch am Frühstückstisch.“

      „Meinst du wirklich, es sind die Controlsurfer, die unsere Plattformen immer wieder vernichten?“, fragte Soul.

      „Wer sollte es sonst sein?“

      „Aber warum nur machen sie sich die Mühe, solche für sich genommen doch harmlosen Informationen zu löschen? Was kann denn schon passieren, wenn private Nutzer auf diese Weise miteinander kommunizieren?“

      „Aufmerksame Leser würden anfangen, Fragen zu stellen“, erklärte Reb.

      „Aber was wäre denn so schlimm daran?“

      „Es wären die falschen Fragen.“

      „Die falschen Fragen?“

      „Fragen, die schon beantwortet worden sind – in früheren Jahrhunderten. Damals ist entschieden worden, dass wir sie nicht mehr brauchen, diese Fragen. Erinnere dich an deinen Apfel.“

      Soul begriff.

      „Sie waren bestimmt nicht schön genug und ihre Antworten auch nicht.“

      „Genau“, fuhr Reb fort, „sie waren zu nichts nutze, weil sie die Produktivität der Wirtschaft nicht steigern konnten. Denk immer daran: Das Beste bleibt!“

       5

      Soul saß im Zentralraum der Bota’s Group of Fashion Adventure und verfolgte die Präsentation der neuesten Bademode. Sie hatte den Konzern bei der Auswahl des akustischen Rahmenprogramms beraten und begutachtete nun die Reaktionen der Zuschauer.

      Zwei Models in neonfarbenen Bikinis liefen über den Laufsteg und setzten ihre Stoffstreifen gekonnt in Szene. Mit je einem Riesenplastikball unter dem Arm spazierten sie auf eine Plattform am Ende des Steges zu, wo zwei himmelblaue Liegestühle auf sie warteten. Sie ließen sich auf den Kunststoffgestellen nieder, setzten ihre Sonnenbrillen auf und ab und spielten einen Plausch unter Freundinnen nach. Aus den Lautsprechern drang das Rauschen von Brandungswellen. Geschickt standen die jungen Damen wieder auf, stellten sich noch einmal in Positur und stolzierten zur Bühne zurück. Windgeräusche ließen sie frösteln, zwei junge Burschen eilten herbei, um ihnen schicke Bademäntel überzuwerfen, die im Rhythmus der Musik hin und her schwangen.

      Den Gästen schien die Show zu gefallen. Wenn die Naturgeräusche ertönten, wurde es immer besonders still im Saal. Eine blondierte Schönheit in hautengen Shorts schnupperte an einem künstlichen Rosenstock. Im Saal zwitscherten Vogelstimmen, und synthetischer СКАЧАТЬ