Tambara. Heike M. Major
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Название: Tambara

Автор: Heike M. Major

Издательство: Автор

Жанр: Историческая фантастика

Серия:

isbn: 9783961455805

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      „Sie müssen entschuldigen, dass ich Sie nicht gleich erkannt habe, aber es gibt …“

      „… kaum Bildmaterial von mir, ich weiß“, ergänzte er verständnisvoll.

      Soul lächelte. Wie nett von ihm, ihr über diesen peinlichen Moment hinwegzuhelfen.

      An einem der Rundbögen blieben sie stehen und blickten zur Bühne hinüber. Unter tosendem Applaus verabschiedete sich der künstliche Louis Armstrong von seinem Publikum. Soul klatschte begeistert mit. Es war wirklich eine gelungene Vorstellung gewesen. Mit so viel echtem Beifall hätte sie nicht gerechnet. Vielleicht interessierten sich die Bürger Tambaras doch mehr für die Vergangenheit, als sie bisher vermutet hatten. Plötzlich erschien es ihr unhöflich, so lange zu schweigen. Sie wandte sich wieder ihrem Gesprächspartner zu und stellte überrascht fest, dass dieser verschwunden war.

       4

      Soul saß an ihrem großen, fast leeren Schreibtisch und betrachtete einen Apfel. Es war ein ganz besonders schöner Apfel. Er lag vor ihr auf der Tischplatte und war groß und gelb, mit einem Hauch von Rot und Grün an einer Seite. Seine Haut war feinporig und schimmerte wie Porzellan, vielleicht sogar wie Seide, wie ganz besonders feine Seide, doch wenn man sie berührte, diese Haut aus Seide, fühlte sie sich fest an und fast ein wenig lederartig, so wie ein dicker Schutzmantel, der etwas zu bewahren hatte und nur unter Einsatz von Gewalt bereit war, sein Inneres zu offenbaren.

      Soul nahm den Apfel in die Hand und hielt ihn in das Licht. In Zeitlupe drehte sie ihn, fuhr mit den Fingern über seine Schale, hauchte diese an und putzte sie an ihrem Blusenärmel blank, drehte den Apfel ein weiteres Mal im Schein der durch die großzügigen Scheiben ihres Wohnraumes einfallenden Sonnenstrahlen hin und her und legte ihn wieder auf der Tischplatte ab.

      Ein Apfel.

      Der Apfel.

      Der Tambara-Apfel.

      Waren sie nicht alle gleich, diese Äpfel? Ein Apfel sah doch aus wie der andere? Früher, so überlegte sie, da gab es große und kleine Äpfel, dickbäuchige und schlanke, Äpfel mit grünen, gelben, roten oder bunt gefärbten Schalen, mit süßem Fruchtfleisch oder herzhaftem Innenleben. Wie sie gehört hatte, bevorzugten die Kunden von damals sehr unterschiedliche Geschmacksrichtungen und kauften ihren Vorstellungen entsprechend auch ganz verschieden ein. Heutzutage gab es nur einen Apfel: den Tambara-Apfel. Er sah immer gleich aus: groß und gelb, mit einem Hauch von Rot und Grün an einer Seite. Vor gar nicht allzu langer Zeit konnten die Bewohner der Stadt noch zwischen zwei miteinander konkurrierenden Apfelsorten wählen. Doch dann kam der Tambara-Apfel. Er war größer als seine Vorgänger, fester im Fleisch und extrem haltbar – schlichtweg konkurrenzlos. In kürzester Zeit verschwanden die beiden alten Sorten vom Markt.

      Soul platzierte ihre Unterarme auf der Schreibtischplatte, bettete das Kinn auf die übereinandergelegten Hände und begutachtete die Frucht aufs Neue. Auch aus dieser Perspektive betrachtet, war es immer noch ein Tambara-Apfel: groß und gelb, mit einem Hauch von Rot und Grün an einer Seite.

      So sinnierend fand Reb seine Schwester, als er sie nach dem Frühstück aufsuchte, um mit ihr die Pressereaktionen durchzugehen.

      „Nanu?“, wunderte er sich. „Bei welch wichtiger Gedankensitzung habe ich dich denn gerade gestört?“

      Soul hob den Kopf.

      „Findest du nicht auch, dass dies ein ganz besonders schöner Apfel ist?“, fragte sie, ohne auf seine Neckerei einzugehen.

      „Mag sein“, entgegnete Reb halbherzig und steuerte auf das Sofa zu.

      „Findest du nicht, dass dies ein ganz besonders schöner Apfel ist?“, wiederholte seine Schwester die Frage und schaute weiter unbeirrt auf den Gegenstand ihrer Unterhaltung.

      Reb wusste nicht so recht, was er davon halten sollte.

      „Es ist halt ein Tambara-Apfel.“

      Als Soul nichts entgegnete, fügte er hinzu: „Ein Tambara-Apfel ist immer schön, sonst wäre er kein Tambara-Apfel.“

      „Genau das meine ich.“

      „Also komm, Schwesterchen, worauf willst du hinaus?“

      Soul setzte sich auf und blickte ihren Bruder an.

      „Du hast es gerade selber schon gesagt. Er muss schön sein, weil er ein Tambara-Apfel ist. Dieser Apfel ist nämlich genau definiert: seine Größe, seine Farbe, die Konsistenz des Fruchtfleisches, der Geschmack. Das heißt, wir brauchen uns gar nicht erst den Kopf darüber zu zerbrechen, ob er schön ist. Wir wissen, dass er es ist, sonst hätte er in unserer Gesellschaft nicht überlebt.“

      „Ich weiß, was du meinst“, erwiderte Reb, „aber lass uns jetzt die Sonntagszeitung ausdrucken.“

      Doch Soul war noch nicht fertig.

      „Vielleicht ist er ja gar nicht schön.“

      Reb stieß einen Seufzer aus und ließ sich auf das Sofa plumpsen.

      „Woher wollen wir eigentlich wissen, wie ein schöner Apfel aussieht? Die meisten von uns haben doch noch nie einen anderen Apfel zu Gesicht bekommen. Vielleicht waren die ausgestorbenen Sorten ja auch schön. Vielleicht waren sie sogar noch schöner als dieser Apfel hier. Wie wollen wir das überhaupt beurteilen? Uns fehlt doch der Vergleich.“

      Reb blieb unbeeindruckt.

      „Der Markt hat verglichen.“

      Seine Antwort machte Soul wütend.

      „Himmel, ich weiß, dass unser Alltag marktwirtschaftlichen Gesetzmäßigkeiten unterliegt. Aber schließlich mussten Forscher durch gezielte Veränderungen des Erbgutes diese Frucht doch erst einmal entwickeln.“

      „Richtig, und dann hat der Markt entschieden. Und geforscht wurde immer schon nach marktwirtschaftlichen Gesichtspunkten.“

      „Aber vielleicht waren unter den vielen dazwischenliegenden Entwicklungsstufen ja auch attraktive Sorten. Vielleicht gab es sogar unter den natürlich gewachsenen Äpfeln schöne Exemplare, und vielleicht schmeckten einige von ihnen ja sogar besonders gut.“

      Reb wusste, wenn seine Schwester sich in ein Thema verbissen hatte, war mit ihr nicht zu spaßen. Also holte er ein wenig aus.

      „Wie du weißt, konnten die natürlichen Äpfel unseren Ansprüchen irgendwann nicht mehr genügen. Die im Labor entworfenen Früchte sahen besser aus, waren widerstandsfähiger und da die natürlichen Äpfel niemand mehr kaufte, pflanzte auch niemand mehr Bäume mit diesen Sorten an. Davon abgesehen hatte sich das Erbgut der Gen-Äpfel längst mit dem der Naturfrüchte vermischt. Die Vorstellung, Samen manipulierter Pflanzen auf Dauer vom natürlichen Bestand fernhalten zu können, erwies sich als Illusion. Die Wissenschaftler hatten die Macht der Evolution schlichtweg unterschätzt. Und da sich das Erbgut der Laborprodukte aufgrund der höheren Widerstandskraft durchsetzte, starben die natürlichen Früchte allmählich aus. Was übrig blieb, waren Mischsorten. Das heißt, Natur oder natürlich gezogene Pflanzen ohne gentechnische Veränderung gab es ja sowieso schon lange nicht mehr. Aber auch diese Mischfrüchte, die bei unseren Vorfahren noch in freier Wildbahn wuchsen, verschwanden allmählich von der Erdoberfläche. Man brauchte mehr Platz СКАЧАТЬ