Tambara. Heike M. Major
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Название: Tambara

Автор: Heike M. Major

Издательство: Автор

Жанр: Историческая фантастика

Серия:

isbn: 9783961455805

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СКАЧАТЬ drang die Stimme aus dem Lautsprecher.

      Ein leichtes Unbehagen bemächtigte sich ihrer, als sie jetzt den Worten des Liedes lauschte.

      „I see skies of blue and clouds of white, the bright blessed day, the dark sacred night …”

      Plötzlich erschien es ihr wie eine Provokation, in einem Zeitalter, in dem Tiere und Pflanzen nur noch in Reservaten lebten, jegliche natürliche Erde unter Hightech-Kunststoff verschwunden war und selbst das allgegenwärtige kosmische Staubkorn sich anstrengen musste, einen Platz in der Wohnung zu finden, von so etwas Verrücktem wie Bäumen und Rosen zu singen.

      „The colors of the rainbow so pretty in the sky are also on the faces of people going by …”

      „Ob es damals wirklich so schön war auf unserer Erde?“, wandte sie sich an ihren Bruder.

      „Ich weiß nicht“, antwortete Reb. „Jedenfalls fühlt es sich verdammt gut an.“

      Die Arme hinter dem Kopf verschränkt und seine Beine weit von sich gestreckt, so lauschte auch er den verführerischen Klängen.

      Die Gäste im Mittelraum schienen genauso zu empfinden. Sie lehnten entspannt in ihren Sitzgruppen, verfolgten gebannt das Spektakel auf der Bühne oder konzentrieren sich mit geschlossenen Augen ganz auf die Musik. Andere schlenderten an Rebs Fotografien vorbei, blieben hier und da stehen, vertieften sich in eines seiner Bilder oder diskutierten mit verhaltener Stimme über das Für und Wider vergangener Visualisierungspraktiken. Alles wirkte so elegant, so perfekt und unendlich friedlich, als hätte es nie irgendwelche Irritationen gegeben.

      „I hear babies cry, I watch them grow, they’ll learn much more than I’ll ever know – yes, I think to myself what a wonderful world …”

      Reb hatte noch einige Repräsentationspflichten zu erfüllen und begab sich wieder an seine Arbeit. Soul betrachtete die Leute vor der Bildergalerie. Die ausschließlich in schwarz-weiß gehaltenen Fotografien schienen eine ungewöhnliche Anziehungskraft auf die Besucher auszuüben. Erstaunlich lange begutachteten sie die Ausstellungsstücke.

      Soul stand auf und tat es ihnen nach. Mit verschränkten Armen wanderte sie die Bildreihe entlang. Es war schon irgendwie merkwürdig. Diese historischen Fotos hatten so wenig gemein mit dem Material aus dem Medienkonzern. An ihnen war nichts perfekt. Die stimulierende Farbe fehlte, das Ursprungspapier ließ keine absolute Bildschärfe zu und es waren keine professionell hergerichteten Studiogesichter zu sehen, sondern ausschließlich Menschen in ihrer alltäglichen Umgebung, die ganz ungezwungen miteinander lachten, tanzten, musizierten, so als wäre die Kamera gar nicht zugegen. Doch trotz oder vielleicht gerade wegen dieser aus moderner Sicht eindeutig kompositorischen Fehler verströmten diese Aufnahmen eine fast fühlbare physische Nähe.

      Vor der Fotografie eines Saxofonisten blieb sie stehen. Der farbige Musiker hatte die Augen geschlossen und blies voller Hingabe in sein Instrument. Soul hörte den Blues, der aus dem Innenraum herüberdrang, und für einen Moment war ihr, als würde dieses Bild vor ihren Augen lebendig. Das Saxofon schien sich zu bewegen, und die Hände, die es hielten, wiegten es behutsam im Takt der Musik.

      „Ist es nicht wunderschön?“

      Jemand war an sie herangetreten und stand nun dicht hinter ihr. In der Reflexion des Glases erkannte sie den eleganten Fremden, der kurz zuvor an einem der Rundbögen gelehnt hatte.

      „Wunderschön, ja …“

      Soul überlegte, ob sie sich einem gänzlich Unbekannten anvertrauen durfte.

      „Sie wollten etwas sagen?“, ermutigte sie dieser.

      „Ich finde …, es hat Gefühl“, platzte sie heraus.

      „Sollte uns das beunruhigen? Es ist doch nicht verboten, sich beim Betrachten eines Bildes berührt zu fühlen.“

      „Verboten nicht, nein.“

      Soul wagte einen Blick zur Seite.

      „Trotzdem ist es Ihnen unangenehm.“

      „Nun ja, in einer Welt, in der fast jeder nach Perfektion strebt und unser Alltagsleben strengen wirtschaftlichen Optimierungsprozessen unterliegt, ist es schon irgendwie merkwürdig, wenn jemand auf einer offiziellen Veranstaltung von so etwas … Unkalkulierbarem wie Gefühlen spricht. Finden Sie nicht?“

      Für einen kurzen Moment standen beide wortlos nebeneinander und betrachteten das Bild. Plötzlich hob der Fremde seinen Arm und deutete mit der linken, halb geöffneten Hand auf das Saxofon.

      „Schauen Sie sich diese Linie an“, forderte er seine Gesprächspartnerin auf und fuhr mit der Hand die Form des Instrumentes nach. „Sehen Sie, wie konsequent der Fotograf sie gestaltet hat? Kraftvoll und elegant ist sie, raumgreifend und fließend, erfrischend klar und doch … erfüllt von einer fast physisch spürbaren Wärme.“

      Während er sprach, glitten seine Finger über das Bild, ohne das Glas zu berühren. An seinem schlanken Handgelenk registrierte Soul ein teures Technikarmband und eine weiße Hemdmanschette.

      „Ich finde, das Motiv fasziniert nicht nur durch die gelungene Komposition bildnerischer Elemente“, ergänzte sie energisch und richtete sich auf. „Es ist die Aussage, die besticht. Dieses Foto will keine vorprogrammierten Inhalte im Kopf des Betrachters festsetzen, um ihn zum Kauf irgendeines Produktes zu bewegen. Hier geht es um Genuss, und zwar um den Genuss um seiner selbst willen. Der Musiker plant seine Melodie nicht im Voraus, sondern nimmt sich Zeit, sich auf sie einzulassen. Er wartet ab, wie sie sich entwickelt, und findet erst während des Auftritts seine momentane Spielart. Wahrscheinlich hat er dieses Stück schon Hunderte von Malen gespielt, doch wie er es in diesem Augenblick gestalten wird, hängt von seiner Stimmung ab, von dem Tag, den er verlebt hat, den Menschen, die ihm begegnet sind. Er legt all seine Freude hinein, seine Enttäuschung, seine Hoffnung. Indem er seinen Gefühlen Ausdruck verleiht, befreit er sich selbst. Und so wie der Musiker nur für diesen Augenblick spielt, so lebt auch das Bild nur durch sich selbst und für sich selbst …, und deshalb ist auch das Betrachten dieses Bildes … purer Genuss.“

      Soul atmete tief und heftig.

      Für einen Moment schwiegen beide.

      Schließlich löste sich ihr Gegenüber vom Anblick der Fotografie.

      „Welch weise Interpretation für eine so junge Dame. Darf ich mich vorstellen? Mein Name ist W.I.T., Sir W.I.T.“

      Er reichte ihr die Hand.

      Soul wurde blass.

      „W.I.T. …? Sir W.I.T. …? Der Sir …?“, fragte sie ein wenig zu laut und merkte, wie ihr Gegenüber zusammenzuckte.

      „Bitte entschuldigen Sie, ich hatte nicht erwartet, einer solchen Berühmtheit auf unserem bescheidenen Konzert zu begegnen.“

      Freudig ergriff sie die ihr dargebotene Hand und war überrascht über den warmen, fast persönlich anmutenden Händedruck, der ihr zuteilwurde. Sie registrierte noch, dass er wohl nicht mehr ganz so jung war, wie sie zunächst vermutet hatte, ein Mann mit Lebenserfahrung, da wanderten sie schon gemeinsam den Säulengang entlang.

      „Ich hoffe, Sie genießen den kleinen Abend, den wir arrangiert haben.“

      „Ich bin entzückt. Er zeugt von Geschmack und Intelligenz … und … Mut.“

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