Название: Süßer die Schellen nie klingen!
Автор: Michael Schlinck
Издательство: Автор
Жанр: Ужасы и Мистика
isbn: 9783961455799
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Aktiv war das Trio in Bad Dürkheim, in Weisenheim am Sand, in Landau sogar zweimal und so weiter. Sie haben ihre Opfer gewissenhaft ausgespäht und somit ganz gezielt zugeschlagen. Und zugeschlagen hatte auch immer der Größere, der auch gesprochen hat und dies ohne eine Spur von Rücksicht. Immerhin waren die Überfallenen alle schon jenseits der siebzig. Da sollte man ja schon mit etwas Feingefühl vorgehen, damit da keiner einen Herzinfarkt bekommt.
In einem Haus gab es sogar eine Videoüberwachung. Diese Aufnahme schaue ich mir noch einmal an, zum gefühlten einhundertsten Mal. Zu sehen sind die drei vermummten Gestalten, eine große und zwei kleine. Der Große haut dem Hausbesitzer eine rein und die beiden Kleinen schleppen den Wäschetrockner aus dem Haus. Nun schauen wir die Überwachungsvideos der Verkehrsüberwachungskameras der infrage kommenden Straßen durch. Aber auch da nichts. Jede Menge Mercedes, Fords und Renaults, aber nichts Auffälliges.
Das ist nicht meine Stärke, hier im Trüben zu fischen. Geduld ist sicher eine Tugend, aber sicher keine, die ich beherrsche. Ich glaube, dass dies meine Kollegen besser können als ich. Mir selbst würde es nun eher Spaß bereiten, wenn ganz überraschend das Telefon läutete, und welch eine Überraschung, just in diesem Moment läutet tatsächlich mein Telefon.
Nach einem kurzen Blick aufs Display nehme ich ab und schreie gleich: „Hansi, wenn du nun einen blöden Spruch loslässt, dann lege ich gleich wieder auf!“
„Dann leg doch auf!“, sagt er beleidigt. „Dann wirst du nie erfahren, was in dem Bericht von dem Claus aus Kaiserslautern steht.“
„Ist ja schon gut“, versuche ich den Piercingträger mit dem Irokesenschnitt zu besänftigen und beobachte dabei das Teelicht, das der Decoengel auf meinem Schreibtisch in den Händen hält: „Lass mal hören.“
„Na, so klingt das doch schon besser“, scheint meine Besänftigung Wirkung zu zeigen. Die Flamme des Teelichtes droht langsam abzusterben: „Wenn ich nun noch ein »bitte Hansi« vernehme, dann kann es auch schon losgehen.“
„Sag mal Hansi, hast du nun komplett ein Rad ab?“, bin ich empört, fest mit dem Blick zum Engel. Das nun winzig kleine Flämmchen hilft mir dabei, ruhig zu bleiben.
„Nanananana, das hört sich aber nicht so an, als wärst du scharf auf die brandheißen News aus der Pathologie.“
„Also bitte, liebster Hansi, lass mich an deinem Wissen teilhaben“, springe ich über meinen Schatten und mach mich hier komplett zum Affen. Laura und Timo können zumindest ihr Lachen nicht unterdrücken, weshalb ich ein »Psst« in ihre Richtung schicke. Inzwischen ist das Teelicht beinahe aus, ich sehe nur noch einen blauen Schein um den Docht.
„Das hast du aber schön gesagt, mein lieber Dieter. Dann lass ich dich an meinem Wissensstand teilhaben und der ist Nichts.“
„Wie nichts? Was nichts? Wieso nichts?“
„Na, eben nichts Auffälliges. Es ist alles so, wie es bei einem Mann, der von einer Brücke gestürzt ist, sein soll. Schweres Schädeltrauma und alle möglichen Knochenbrüche. Wie gesagt, nichts Außergewöhnliches.“
Dafür hab ich nun das Gelächter meiner Kollegen über mich ergehen lassen? Ich behalte fest den Docht meiner Kerze im Blick, damit ich hier nicht ausraste. „Hansi, ich bin mir ganz sicher, dass dort etwas nicht gestimmt hat und der Schlüssel liegt in der Leiche. Schau noch einmal genau nach, bitte!“, flehe ich den Leichenschnippler nun fast an, was Laura und Timo schon wieder ein hämisches Lachen ins Gesicht treibt.
„Dann sag mir einmal, wo ich wühlen soll? Ich habe die Leiche doch nicht hier, wie soll ich da etwas finden?“
„Das ist mir scheißegal, lass dir eben etwas einfallen!“, schreie ich viel zu laut und puste dabei die Kerze endgültig aus.
„Dieter, das geht nicht einfach so. Ich kann doch nicht zum Kollegen fahren und an seinen Leichen herumschnippeln.“
Von dem Docht meiner Kerze steigt nur noch ein dünnes Rauchfähnchen auf. Moment! Das Rauchfähnchen ist der Schlüssel: „Hansi, ich habe es!“
„Was hast du?“, will min Gesprächspartner jetzt wissen.
„Na das, was dort unter der Brücke nicht gestimmt hat. Ich habe es gefunden. Ich weiß nun, wonach du suchen musst.“
„Muss ich nun auch »bitte mein lieber Dieter« sagen oder klärst du mich freiwillig auf?“
„Es ist der Rauch. Bei der zweiten Leiche ist kein Dampf aufgestiegen, obwohl es saukalt war. Genau der hat gefehlt. Bei dem Toten am Tag zuvor haben die Eingeweide gedampft, egal wie weit sie auch verstreut waren. Aus jedem Fetzen ist der Nebel aufgestiegen und das war unter der Brücke nicht so. Ich sage dir, der war schon kalt. Der wurde schon tot dort hinuntergeworfen.“
„Das könnte ja schon sein. Lass mich mal etwas überprüfen. Ich rufe dich wieder an“, und schon hat Hansi das Gespräch beendet.
Ein Rundgang durchs Haus
Um mich nicht schon wieder in die Berichte einarbeiten zu müssen, beschließe ich kurzerhand mal nach meinen anderen Abteilungen zu schauen. Immerhin bin ich hier ja Chef von einhundertachtunddreißig Menschen.
Zuerst schau ich einmal ins Büro von Yasmin Kalt und Helmut Glaser. Yasmin wird von jedem im Haus Yasi genannt und sie lebt in, sagen wir einmal, seltsamen Umständen. Yasi führt eine lesbische Beziehung mit vier Frauen zugleich und lebt mit diesen wiederum zusammen in einer Wohngemeinschaft. »Survival Kätz« nennt sich das Ganze und die Mädels verbindet eine grausame Kindheit, in der sie alle häuslicher Gewalt ausgesetzt waren. Yasi ist eine attraktive, junge Frau mit langem, schwarzem Haar und einem leichten asiatischen Touch, sehr quirlig und stets ein klein wenig übermotiviert.
Glaser hingegen ist das Gegenteil, also nicht so ganz, denn auch er ist motiviert, aber ansonsten besonnen und ein ruhender Pol, so wie es sich für einen Familienvater gehört.
In ihrem Büro angekommen, sitzen die beiden vor ihren Monitoren und erstellen Berichte vom Streifendienst. Auch sie haben einige von den Raubüberfällen aufgenommen, weshalb Yasi auch gleich zu erzählen beginnt.
„Ach Scheffe“, ein Wort, welches ich gar nicht mag, allerdings habe ich mich auch nie getraut, es ihr zu verbieten, „Sie wollen sicher Bescheid wissen, was uns bei der Überfallserie so alles aufgefallen ist. Also, da es alle reiche Säcke waren, die es erwischt hat, hatten die auch dementsprechend fette Anwesen. Alles mit großen Gärten und hohen Sichtschutzhecken. Da war es für die Täter ein leichtes, sich zu verstecken, um dann ungesehen zuzuschlagen. Ich persönlich glaube, dass die beiden Kleinen einen Sprachfehler haben oder einen Dialekt sprechen, der auffällig ist. Warum sonst sollen sie so verschwiegen sein? Auf jeden Fall werden ich und der Helmut uns weiter damit beschäftigen, sofern es unser Streifendienst zulässt.“
Das war nun eine Menge Information auf einmal, aber so ist sie eben, die Yasi. Kaum hat sie ihren Monolog beendet, СКАЧАТЬ