Название: Süßer die Schellen nie klingen!
Автор: Michael Schlinck
Издательство: Автор
Жанр: Ужасы и Мистика
isbn: 9783961455799
isbn:
Nun hole ich meinen Dienstausweis aus der Tasche und sag wie automatisch: „Ich bin Kriminaloberkommissar Dieter Schlempert und ich verlange, dass hier zumindest alles ordentlich fotografiert wird.“
„Der Schlempert?“, blafft er mir entgegen. „Der von Neustadt? Mit Verlaub, aber Ihren Namen kann ich nicht mehr hören! Er hängt mir sogar zum Hals heraus, der Name. Bei uns auf der Dienststelle heißt es immerzu: »Warum läuft das beim Schlempert und bei uns nicht? Schlempert hinten, Schlempert vorne, Schlempert, Schlempert, Schlempert!« Mein Chef scheint ganz vernarrt in Sie zu sein.“ Nun wendet er sich seinen Kameraden zu und ruft: „Ihr habt gehört, was der Oberkommissar Schlempert gesagt hat, ihr macht jetzt erst einmal Bilder und das aus allen erdenklichen Richtungen!“ Nun dreht er sich wieder zu mir und meint: „Recht so, Herr Schlempert?“
„Schon viel besser! Habt ihr auch schon oben auf der Brücke an der Absprungstelle nachgeschaut, ob es da etwas zu sehen gibt?“
Abermals dreht sich der Mann seinen Kollegen zu und ruft: „Schuncke und Schmadke, ihr zwei fahrt mal hoch auf die Brücke und schaut, ob es da etwas zu sehen gibt.“
„Können Sie mir erklären, weshalb Sie ihren Job so lustlos ausführen?“, spreche ich jetzt den Mann direkt auf sein Fehlverhalten an.
„Lustlos?“, ist er nun verblüfft. „Ich hab einfach keinen Bock mehr, alle paar Tage hierherzufahren und einen Fleischberg zusammenzukratzen. In meinem nächsten Leben mach ich hier unter der Brücke ein Bestattungsunternehmen auf. Das wäre sozusagen eine Lizenz zum Gelddrucken.“
Dabei fällt mir doch gleich der Korbinian Jansen ein Straßenbauingenieur ein, der auch bei Annweiler eine gewaltige Hochtrasse bauen lassen möchte, um den B10-Ausbau so umweltverträglich, als nur möglich zu gestalten. Witzig dabei ist nur, dass ein Umweltverband, die »Initiative zum Erhalt vom Pfälzer Wald«, vor einem Suizid-Tourismus gewarnt hat. Dass es so etwas gibt, hatte ich bisher nicht geglaubt. Hier scheint es jedoch tatsächlich so etwas zu geben.
Dann hätten wir das auch geklärt. Wenn ich nun noch wüsste, was hier nicht zusammenpasst. Aber auch dies wird mir noch einfallen.
Nun, wo sich die Aufregung gelegt hat, beginne ich zu frieren. Zudem müssen die Kinder morgen zur Schule und da ist es nicht ratsam, dass sie nun kurz vor Mitternacht noch im Auto sitzen und mit Twisted Sister zusammen Weihnachtslieder grölen.
So vergewissere ich mich noch, dass die Leiche ordnungsgemäß bei der Pathologie untergebracht wird und trete dann den Heimweg an. Meine Kinder sind fröhlich, meine Frau besorgt und ich in Gedanken. Mit diesen unterschiedlichen Stimmungen kommen wir daheim an und klettern in unsere Betten.
Was stimmt hier nicht?
Tatsächlich scheine ich mich an entstellte Leichen zu gewöhnen. Zumindest habe ich die letzte Nacht gut geschlafen, ohne Alpträume zu haben. Gut, der Anblick der Leiche gestern Abend war ja auch nicht so unappetitlich, wie der von vorgestern. Allerdings, bei der gestrigen Leiche war etwas außergewöhnlich. Es gibt da etwas, das mich stört und mich nicht loslässt. Ich schaue mal im Netzwerk nach, ob der Kollege »Unfreundlich« schon einen Bericht verfasst hat. Das ist einer der Vorteile der modernen Zeit. Früher musste man noch Akten anfordern und sich dann hindurchkämpfen, heute geht so etwas mit ein paar Mausklicks.
Allerdings ist im polizeiinternen Netz noch nichts zu finden, was ja auch nicht verwunderlich ist, immerhin haben wir noch frühen Morgen und der Kollege wird sich sicher nicht in der Nacht noch an den Schreibkram gemacht haben.
So wende ich mich eben wieder der Einbruchserie zu. Insgesamt dreihundertachtzigtausend Euro Bargeld haben die drei inzwischen gestohlen. Dazu noch einmal den doppelten Wert an Schmuck und Edelmetall. Zusammen ist das ja schon eine satte Million. Fast täglich haben sie einen Überfall begangen, allerdings ohne erkennbares Muster, sodass wir bisher keine Präventivmaßnahmen ergreifen konnten.
Was allerdings auffällt, ist, dass die Überfälle vor drei Tagen aufgehört haben. Vielleicht ist es eine Gangsterbande, die nun weitergezogen ist. Oder sie machen einfach einmal ein paar Tage Urlaub. Kann ja schon sehr anstrengend sein, so ein Gangsterleben.
Dass sie in Rente gegangen sind, kann ich mir kaum vorstellen, denn die Beute, geteilt durch drei, das reicht noch nicht, um sich zur Ruhe zu setzen.
Ich lasse meine Leute noch einmal genau schauen, ob es nicht doch irgendein Muster gibt, nach dem die Bande vorgeht.
Ich selbst wähle mal wieder die Nummer von der Karlsruher Pathologie, obwohl ich mir dabei denken kann, dass der Hansi wieder einen blöden Spruch für mich auf den Lippen hat.
„Kräuterpastillen-Fabrik, Sie sprechen mit dem Hansi“, trällert er mir entgegen und ich verfluche den Tag, an dem die Telefone erfunden wurden, auf deren Display man sehen kann, wer gerade anruft.
„Mensch Hansi, du alter Kindskopf“, kommentiere ich seine blöde Art sich zu melden, „wirst du je erwachsen?“
„Ach der Oberkommissar Schlempert von der Neustadter Polizei, was verschafft mir die außerordentliche Ehre Ihres Anrufs?“, fragt er nun und kommt sich dabei auch noch komisch vor. Wahrscheinlich würde ich auch auf solch ein niederes Niveau sinken, wenn ich den ganzen Tag mit einem Haufen Leichen im Keller hocken würde.
„Ich habe dir gestern doch noch eine Leiche schicken lassen, kannst du mir zu der schon was sagen?“
„Ne Dieter, gestern kam keine rein, da musst du etwas verwechseln. Die letzte hast du mir vorgestern geschickt und die musste ich auch zuerst einmal zusammenpuzzeln.“
„Nicht der Mann vom Zug“, kläre ich nun den Hansi auf, „ich meine den, der gestern Abend bei Thaleischweiler-Fröschen von der Brücke gesprungen ist.“
„Thaleischweiler-Fröschen? Liegt das nicht bei Pirmasens? Das ist doch schon der Hinterwald“, und schon hat er wieder einen seiner Lachanfälle, „da bin ich nicht zuständig. Da musst du in Kaiserslautern nachfragen, die sind da zuständig.“
Kaiserslautern also. Ich bedanke mich vorerst bei Hansi und suche mir die Nummer der Kaiserslauterer Pathologie heraus.
Kaum gewählt kommt: „Pathologie Claus“, aus dem Hörer, ohne dass ich weiß, ob nun Claus der Vor- oder der Nachname meines Gesprächspartners ist.
„Grüß Sie Gott, Herr Claus“, sag ich mal, um die Form zu wahren und weiter komm ich nicht.
„Ja, Sie sind mir ja ein Spaßvogel“, tönt es nun empört aus der Hörmuschel, „ich habe hier den ganzen Keller voll von denen, die Gott bereits gegrüßt haben und das persönlich.“
Okay, meine Wortwahl war bei der Begrüßung wohl nicht die passendste, aber nun ist es eben draußen und so bleibt mir nichts anderes übrig, als weiterzusprechen: „Mein Name ist Dieter Schlempert von der Neustadter Polizei. Ich habe gestern die Leiche unter der Brücke gefunden.“
Wieder unterbricht mich Claus rüde: „Ach Ihnen habe ich den zu verdanken. Ich habe hier das halbe Kühlhaus voll von denen, die dort runtergesprungen sind. Vielen Danke dafür.“
Nun wird es mir aber zu bunt: „Hören Sie mal, Herr Claus, ich habe den Mann doch nur gefunden und nicht dort hinuntergestoßen. Ich hatte nur das Gefühl, dass irgendetwas nicht gestimmt hat und wollte deshalb mal nachfragen, ob Ihnen bei der Leiche etwas СКАЧАТЬ