Turnvater Jahn. Horst Bosetzky
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Название: Turnvater Jahn

Автор: Horst Bosetzky

Издательство: Автор

Жанр: Биографии и Мемуары

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isbn: 9783955521721

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СКАЧАТЬ nicht.

      Einer von den Jahn-Gegnern tippte sich an die Stirn und rief: »Das ist doch ein Eigentor, merkt das denn keiner von euch? Es gibt keinen gefährlicheren Feind für das wahre Deutschtum als diese Deutschtümelei, die alles lächerlich macht.«

      »Apropos lächerlich«, ergänzte sein Nebenmann, »da schlug der Jahn doch allen Ernstes vor, an der deutschen Westgrenze einen mehrere Meilen breiten Sumpfgürtel anzulegen, in dem wilde Tiere die Franzosen daran hindern sollten, nach Deutschland zu kommen und ihren verderblichen Einfluss auszuüben, insbesondere auf die Jugend und die Frauen.«

      Die Jahn-Verteidiger lenkten nun ein. »Schön und gut, halten wir es mit Goethe und seinem Götz von Berlichingen: Wo viel Licht ist, ist starker Schatten

      »Ach ja, das Theater … «, seufzte die Gegenseite. »Jahn wollte, dass nur noch ein Theaterstück in Deutschland gespielt wird: Die Hermannschlacht

      »Und eine monumentale Hauptstadt sollte es geben«, fügte ein anderer hinzu. »Teutonia. Germania hieß sie später bei Hitler.«

      »Was kann Jahn dafür, dass er von Hitler vereinnahmt worden ist?«, fragten seine Verehrer.

      Ich presste die Fäuste gegen die Schläfen und brachte meinerseits Goethe ins Spiel. »Mir wird von alledem so dumm,/​Als ging mir ein Mühlrad im Kopf herum.« Dann riss ich mich zusammen und besann mich meiner Bildung. »Kinder, bedenkt bitte die Lage in Deutschland nach den Befreiungskriegen! Dem Deutschen Bund gehörten 41 souveräne Fürstentümer und freie Städte an, als er am 8. Juni 1815 auf dem Wiener Kongress ins Leben gerufen wurde. Die Menschen mussten sich an Grenzen und Zollkontrollen sowie an neue Maße gewöhnen. Es gab nicht einmal eine richtige deutsche Hochsprache. Die oberen Schichten sprachen französisch oder latein. Es ist verständlich, dass unter diesen Umständen viele von einem einigen Vaterland träumten.«

      »Halt’s Maul, du Nationalist!«, rief einer aus dem Block der Linken.

      Da schrie ich: »Ich bin begeisterter Europäer und wünsche mir die Vereinigten Staaten von Europa lieber heute als morgen, aber man wird doch noch den Versuch machen dürfen, die Menschen von damals zu verstehen!«

      Die Jahn-Freunde pflichteten mir bei. »Damals hat ein großer Teil der Jugend die Turnerei begeistert begrüßt. Sie gab Kraft und steigerte das Selbstwertgefühl.«

      Jahn gab sich nun würdig und bedeutsam. »Der Mensch muss auf Körper und Geist achten und beiden die bestmögliche Entwicklung zukommen lassen.«

      »Frisch, frei, fröhlich und fromm!«, riefen seine Fans und begannen, ein Lied aus der Zeit des Vormärz zu singen:

       Turner, auf zum Streite!

       Tretet in die Bahn.

       Kraft und Mut geleite

       uns zum Sieg hinan!

       Ja, zu hehrem Ziel

       führet unser Spiel.

       Auf denn, Turner, ringet,

       prüft der Sehnen Kraft.

       Doch zuvor umschlinget

       euch als Bruderschaft.

       Großes Werk gedeiht

       nur durch Einigkeit.

      Die Jahn-Gegner blieben unbeeindruckt. »Er war außerdem Antisemit!« Sie gerieten zusehends in Rage und verlangten nach einer Stange Dynamit. »Dieses Denkmal hier sollte endlich in die Luft gesprengt werden. Zumindest sollte man es abreißen – wie das von Lenin.«

      »Das Denkmal bleibt!« Die Turner stellten sich schützend davor. »Es ist die Pflicht des deutschen Volkes, dem Manne die Ehre zu erweisen, der die Jahre seiner Jugend hingegeben hat, um das Bewusstsein deutscher Einheit und Kraft zu wecken.«

      Jahn verlor die Fassung und polterte los: »Zum Teufel mit euch Linken, die ihr Deutschland mit einer Revolution von allen Übeln befreien wollt! Lügner und Betrüger seid ihr, Abenteurer und Gelichter, Advokaten von schlechtem Ruf, Ärzte mit Kirchhofpraxis, verdorbene Schauspieler, liederliche Studenten, verrückte Schulmeister, vom Professor bis zum Arschpauker, und im Handel zugrundegegangene Kaufleute. Ihr Götzen, die der Pöbel anbetet!«

      Ich klatschte Beifall. »Bravo, so liebe ich meine Helden!«

      Nun nahmen die Jahn-Gegner mich aufs Korn. »Bosetzky, lass dein Jahn-Buch sein/​Sonst schmeißen wir dir alle Scheiben ein!«

      Ich hatte gehofft, dass Jahn mich in Schutz nehmen würde, doch auch er begann, mich verbal zu attackieren. »Herr Bosetzky, Sie hatten im Turnunterricht immer eine Fünf. Sie sind doch überhaupt nicht in der Lage, etwas über die Turnerei zu schreiben!«

      »Das mag sein, aber im Sommer hatte ich in der Leichtathletik immer eine Eins, und in meiner Jugend war ich einmal schnellster Hundertmeterläufer in Berlin.«

      Nun erschien auch noch mein Verleger auf der Bildfläche. »Der Name Bosetzky steht für Berlin-Romane, Jahn ist aber kein Berliner und hat nur wenige Jahre seines Lebens in dieser Stadt verbracht.«

      »Aber Brandenburger ist er wenigstens, er stammt aus der Prignitz«, hielt ich ihm entgegen. »Außerdem stelle ich ihm in meinem Roman einen Freund zur Seite, Philipp Pulvermacher, der in Berlin wohnt und stets anwesend ist, wenn in der Stadt Geschichte geschrieben wird. Entscheidend aber ist: Friedrich Ludwig Jahns Leben ist so voller Geschichten, dass ich nicht widerstehen kann, darüber zu schreiben. Oder wie er selbst wahrscheinlich sagen würde: Es ist ein gefundenes Fressen.«

      Weiter kam ich nicht, denn Jahn und die Hasenheide wurden plötzlich wie zu Beginn des Stücks von gleißendem Licht erfüllt. Mir wurde schwindlig. Da wusste ich endlich, was mit mir geschehen war: Ich war stark unterzuckert. Instinktiv fuhren meine Hände in die Taschen meiner Lederweste und fischten ein paar zerbröselte Traubenzuckerplättchen heraus. In diesem Moment packten mich zwei Zivilfahnder von hinten und nahmen mich fest – wegen Verstoßes gegen das Betäubungsmittelgesetz. Nun, zerbröselten Traubenzucker kann man schon einmal für Rauschgift halten. Besonders in der Hasenheide. Eine Joggerin hatte eine kleine Flasche Apfelsaft bei sich und konnte mich retten. Sonst wäre dieser Roman nicht entstanden.

      So breite ich also Jahns Leben vor Ihnen aus.

      1

       Der Herr segne dich

      1785 – 1791

      Prächtig und machtvoll wie Moses stand sein Vater oben auf der Kanzel und wies den Menschen die Richtung. Für die Predigt an diesem Sonntag hatte er sich eine Stelle aus dem Matthäus-Evangelium ausgesucht. Er begann mit dem zweiten Vers aus dem dritten Kapitel.

      »Tut Buße, das Himmelreich ist nahe herbeigekommen! Buße tun, liebe Gemeinde, was heißt das? Es bedeutet Umkehr zu Gott, nicht nur im Denken, sondern auch in unserem täglichen Handeln. Es bedeutet, nicht СКАЧАТЬ