Название: Turnvater Jahn
Автор: Horst Bosetzky
Издательство: Автор
Жанр: Биографии и Мемуары
isbn: 9783955521721
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»Das ist sehr löblich, mein Sohn! Du kannst gern ein paar Tage bei uns bleiben, um neue Kraft zu schöpfen.«
Aus den wenigen Tagen wurden indes etliche Monate, denn kaum hatte sich Jahn in der ihm zugewiesenen Dachkammer häuslich eingerichtet, befiel ihn eine merkwürdige Krankheit. Zuerst fühlte er sich unsagbar matt und litt unter Kopfschmerzen und Verstopfung, dann begann sein Fieber in Stufen zu steigen, wobei sein Herz so langsam schlug, dass er fürchtete, es bleibe stehen. Auf der Haut begann sich rötlicher und in Flecken auftretender Ausschlag zu zeigen, und seine Zunge war auffallend grauweißlich belegt, nur die Spitze leuchtete rot. Das alles hätte den Pfarrer Roth und seine Frau nicht so sehr geängstigt, hielten sie die Symptome doch für die Anzeichen einer heftigen Influenza, wenn Jahn nicht plötzlich begonnen hätte zu phantasieren. »Der Wal kommt … die Elbe herauf … Ich nehme meine Lanze, denn ich komme aus Lanz … Ich bin ein Landsmann. Wehe denen, die Böses gut und Gutes böse heißen … Lieber Gott, mach mich fromm, dass ich in den Himmel komm!«
»O Gott!«, rief Pfarrer Roth entsetzt. »Er hat das Nervenfieber. Georg Friedrich, wir müssen sofort anspannen und nach Salzwedel fahren, den Arzt holen.«
Der Mediciner hatte bald eine Diagnose gestellt. »Es ist Typhus.«
»Was hilft dagegen?«, fragte die Pfarrersfrau.
»Nur noch beten.«
Da traf es sich gut, dass Jahn in ein Pfarrhaus geraten war. Langsam schien er die Krankheit zu besiegen.
Als es ihm schon wieder etwas besserging, stand eines Tages sein alter Freund Philipp Pulvermacher an seinem Bett. »In Salzwedel erzählt man sich, dass du hier in Hindenburg gestrandet bist. Du machst Sachen! Erzähl mal, wie es dir in der letzter Zeit ergangen ist!«
Pulvermacher setzte sich und hörte zu, ohne Jahn zu unterbrechen. Erst wenn der Freund am Ende angekommen war, wollte er seine Fragen stellen.
» … und nun liege ich hier und bin dem Tod gerade noch von der Schippe gesprungen.«
»Was ein Beweis dafür sein dürfte, dass der Herr noch Großes mit dir vorhat«, sagte Pulvermacher, ohne selbst zu wissen, ob das ironisch oder ernst gemeint war. »Aber ich denke, er wird sein Antlitz nur über dir leuchten lassen, wenn du gleich nach deiner Genesung zu deinen Eltern gehst, die sich ganz sicher furchtbar grämen. Hast du ihnen nach deinem vorgetäuschten Selbstmord einmal geschrieben?«
Statt zu antworten, brach Jahn in Tränen aus.
In Lanz wie im nahen Lenzen sprachen alle, welche die Geschichte des vermeintlichen Freitods kannten, von den »leidgeprüften Eltern«, wenn sie von Alexander Friedrich Jahn und seiner Frau Dorothea Sophie redeten. Die waren zwar glücklich, dass ihr Sohn noch lebte und nach Hause zurückkehrt war, aber auch voller Verzweiflung darüber, dass er sein Leben offenbar schon verspielt hatte.
Die Mutter hatte die Hände gerungen und ausgerufen: »Was soll nur aus ihm werden?«
Der Vater hatte Friedrich Ludwig schweigend begrüßt, kein zorniges Wort war von ihm zu hören gewesen. Dazu glaubte er als Pfarrer zu sehr an den Willen Gottes. Auch hatte er gefühlt, dass den Sohn ein unbegreiflicher Optimismus erfüllte. Stand dahinter wirklich nur der unerschütterliche Glaube an sich selbst? In einer ruhigen Stunde fragte er ihn.
»Nun«, antwortete Friedrich Ludwig Jahn nach einer Weile des Nachdenkens, »hier zu Lande glauben alle, lieber Vater, dass die Geschichte stillsteht, aber das tut sie nicht. Denkt an die Revolution in Frankreich vor sieben Jahren! Ihre Wellen haben Preußen zwar noch nicht erreicht, aber sie werden sich nicht aufhalten lassen, ganz bestimmt nicht.«
»Das sagst du, Friedrich Ludwig, obwohl du die Franzosen nicht magst?«
»Gleichviel, die Flut wird irgendwann über Europa hereinbrechen und alles umstürzen. Es wird große Zeiten geben, in denen die Stunde für Männer wie mich gekommen ist.«
Alexander Friedrich Jahn war beeindruckt von so viel Zuversicht und innerem Feuer, konnte aber die Frage nicht zurückhalten, was der Sohn bis dahin zu unternehmen gedenke.
»Ich studiere natürlich Theologie!«, sagte der ohne Zögern.
»Wie willst du das anstellen, ohne das Gymnasium abgeschlossen zu haben?«
»Ach, in Halle werden sie das gar nicht merken. An vielen Universitäten muss man nicht einmal unbedingt eine Maturitätsprüfung vorweisen.«
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