Название: Zwei gegen Ragnarøk
Автор: Hans-Jürgen Hennig
Издательство: Автор
Жанр: Историческая литература
isbn: 9783961456390
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Ein Geräusch drang plötzlich störend in die vor Spannung knisternde Runde und Alvitur, hob Achtung gebietend eine Hand. Alle lauschten. Es hörte sich an, als streiche etwas Riesiges an der Hauswand entlang. So laut war das Schaben und Schurren, dass die kleineren unter den Kindern sich ängstlich nach ihren Eltern umsahen.
„Aber am schlimmsten war Lokis drittes Kind, der Wolf Fenrir“, drang Alviturs Stimme in die eingetretene Stille. „Die Asen beäugten ihn misstrauisch, denn der junge Wolf wuchs und wuchs unaufhörlich. Er wurde zu dem riesigen Fenriswolf.“
Das letzte Wort sprach Alvitur fast wie eine Beschwörungsformel aus und bedachte die Kinder wieder mit seinen geheimnisvollen Blicken. Dann hielt er abermals inne, so, als fixierte er einen Punkt in der Dunkelheit des Hauses.
Alviturs Blick, die Stille und dann das plötzliche, aus weiter Ferne kommende, Geheul eines Wolfes, machten den Kindern Gänsehaut, dass sie die Luft anhielten.
Als Antwort, auf das Wolfsgeheul kläfften die Dorfhunde ganz aufgeregt.
„Mach den Kleinen nicht solche Angst“, flüsterte Fifilla in das ängstliche Schweigen und reichte dem kleinen Stufi einen Becher mit warmen Tee. Der saß ganz in sich zusammengekauert da und schaute ängstlich und weinerlich in die Runde.
Die Unheimlichkeit des Augenblicks unterstreichend, ertönte erneut das Wolfsgeheul, aber noch lauter. Es war jetzt viel näher und es klang bedrohlich, dass nicht mal die Dorfhunde mehr zu bellten wagten.
Selbst Hilda, die eigentlich nie ängstlich war, empfand das als schaurig und rutschte wieder ganz dicht an Alfger heran. Alfger wandte ihr sein Gesicht zu und sie sah sein Blinzeln und sein Grinsen, dass sie schon so oft aus der Fassung gebracht hatte und plötzlich ahnte sie, was hier wirklich geschah. Alviturs Auge blickte forschend von einem zum anderen, als suche er den Wolf unter seinen Zuhörern.
Da heulte der Wolf wieder, jedoch diesmal unheimlich lange und es schien so, als ob er direkt um das Langhaus herum strich.
Ein paar beruhigende Worte der Eltern, an die Kleinen folgten und dann wieder ein grässliches Heulen vom hinteren Teil des Hauses. Jetzt hatte ganz sicher auch das letzte Kind Gänsehaut und die kleineren schauten wieder ängstlich zu ihren Eltern.
„Ich denke, wir sollten diesen Wolf mal aus unserem Dorf vertreiben“, brummte nun Steinar in die Runde. Er ging langsam zum Ausgang und zog Ernir an der Schulter mit. „Komm mit, Ernir, du jagst doch auch gerne Wölfe.“
„Bleibt alle ruhig sitzen“, sagte Steinar mit fester Stimme, „wir zwei schaffen das schon. Stimmt’s, Ernir?“
Ernir antwortete nur mit einem zustimmenden Brummen und schon waren die beiden zur Tür hinaus. Sie waren kaum draußen, als der Wolf noch einmal zu einem grässlichen Geheule ansetzte, das dann aber ganz abrupt endete. Dafür waren Steinars und Ernirs dröhnende Rufe zu hören: „Hoho, hau ab! Mach dass du im Wald verschwindest!“
War der grässliche Spuk beendet?
Alle am Feuer hatten den Atem angehalten. Nun entspannte sich die Runde wieder und Stufi fragte erleichtert: „Ist er weg?“
Ganz unvermittelt sprach Alvitur weiter: „Ja, er ist weg, aber das war auch nicht der Fenriswolf, der ließe sich nämlich nicht so einfach, mit ein paar Rufen, verjagen.“
Alviturs Stimme nahm einen beschwörenden Klang an. „Und wie die Nornen Odin weissagten, wird dieser Höllenwolf ein Zeitalter der Axt, des Schwertes, des Windes und auch des Wolfes einleiten, dass zum Untergang unserer Welt führen würde. Für die Asen war das eine ganz schlimme Botschaft und sie beschlossen natürlich, das zu verhindern und sperrten den Wolf in einen großen Käfig. Als sie aber sahen, dass der Wolf immer weiter wuchs und stärker wurde, beschlossen sie ihn zusätzlich mit Ketten zu fesseln. Damit der Wolf das hinnähme, erzählten sie ihm, dass sie mit der Ketten nur feststellen wollten, wie stark er sei und so hielt Fenrir still, und ließ sich freiwillig in Ketten legen. Als er dann in Ketten lag jaulte er kurz, reckte und streckte sich und sie zerbrachen ganz einfach. Da waren die Asen ratlos und bekamen große Angst. Was sollten sie tun? Odin kam auf den Einfall, sich an die Zwerge zu wenden, denn sie waren ja für ihre große Handwerkskunst bekannt. Die Zwerge erschufen dann nach Odins Willen ein Halsband für Fenrir, aus ganz absonderlichen Zutaten. Odin vertraute ihrer Kunstfertigkeit und nahm dieses Band. Als die Asen dem Fenriswolf das neue Band anlegen wollten, war dieser aber misstrauisch geworden und weigerte sich.“
In Alviturs letzte Wort mischte sich plötzlich von draußen ein mehrstimmiges Wolfsgeheul. Es war ein fürchterliches und schauriges Geheul, das lang gezogen, auf und abschwellend, den wie gebannten dasitzenden Zuhörern bis ins Knochenmark drang. Selbst Alvitur hielt mit aufmerksamem Gesicht inne und sein Auge schaute sehr ernst auf die Leute. Seine Hände umschlossen die Armstützen des Stuhles so stark, dass die Knöchel weiß hervortraten.
Dann war plötzlich Stille und nur dass das Knistern des Feuers war als einziges Geräusch noch zu hören. Ein allgemeines Aufatmen ging durch die Runde.
Alvitur nickte kurz und nahm seine Erzählung wieder auf. „Die Asen hatten auch allen Grund zur Angst, denn der Fenriswolf wollte sich das Band nur zu einer neuen Kraftprobe anlegen lassen, wenn ihm einer der Götter dabei seine Hand in das Maul legen würde. Nur ein Einziger von den Asen hatte dazu den Mut. Das war Tyr, der auch während der ganzen Zeit den Wolf täglich gefüttert hatte. Zum Zeichen der Ehrlichkeit der Götter wollte Fenrir Tyrs rechte Hand, die Schwurhand, in seinem Maul halten, während sie ihn fesselten. Als das von den Zwergen geschmiedete Band angelegt war, versuchte der Fenriswolf sich zu befreien. Er zog und riss, aber je stärker er an dem Band riss, je fester legte es sich um seinen Körper und er merkte, dass ihn die Asen nun wirklich gefesselt hatten. Die Asen freuten sich, dass das Band hielt, nur Tyr war der Leidtragende; ihm biss Fenrir, in seiner Wut, die rechte Hand ab. Der Wolf gebärdete sich wütend, schnappte und biss um sich, da nahm Odin sein Schwert und steckte es so in seinen Rachen, dass dieser das Maul nicht mehr schließen konnte. Seit dem muss nun der Fenriswolf bis zum jüngsten Tag ausharren, bis er das Band zerreißen und er die Welt verschlingen kann.“
Alvitur lehnte sich zurück, musterte mit durchdringendem Blick die aufmerksam lauschenden Björkendaler und gönnte sich wieder einen langen Schluck von Fifillas Zaubertrank.
Stufis helles Stimmchen drang aufgeregt durch die Stille: „Auweia. Sterben wir dann alle?“
Kibba sprang auf und fragte: „Können wir nicht irgendwo anders hingehen, wo der Wolf uns nicht findet?“
Noch einmal nahm Alvitur das Wort: „Weglaufen bringt nie etwas, das sollte jeder von euch wissen. Wenn es wirklich eine Rettung geben kann, dann nur durch unsere Herzen, durch unseren Mut, unsere Klugheit und durch den Willen, zu dem zu stehen was wir, seit hunderten Jahren, wirklich sind. Die Prophezeiungen sind ja nie so ganz eindeutig und lassen auch manchmal die Möglichkeit für ein anderes Schicksal offen. Man müsste schon die Nornen erneut befragen. Aber vielleicht ist ja schon Einer, oder Eine unter uns, der es wagt, das Schicksal herauszufordern, einer, der nicht nur sich selbst, sondern auch unsere Götter, uns und unsere Welt retten will.“
Wie zufällig ruhte Alviturs Blick einen Moment lang auf Hilda und Falki, dann ließ er sein Auge weiter über die immer noch andächtig СКАЧАТЬ