Название: Das Versprechen der Nonne
Автор: Robert Storch
Издательство: Автор
Жанр: Религия: прочее
isbn: 9783961400874
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„Sie hat sich somit − wie Prior Goumerad ausführte − über meine Maßgabe hinweggesetzt.“
Michal spürte ein warnendes Kribbeln im Nacken.
„Jedoch traue ich Schwester Hugeburc zu, die Strafe der Ausschließung zu verstehen, denn hätte sie den Verstand eines Kindes, so hätte Bischof Willibald ihr nicht den Schleier verliehen. Dennoch kann der Weg des Heils am Anfang nicht anders sein als eng. So soll sie denn für eine Woche jeden Tag bis nach der Non fasten, nachher erhält sie die gleiche Speise wie ihre Schwestern nach der Sext. Nach der Sext, wenn die anderen Nonnen zu Tisch sitzen, soll sie in der Kirche den Herrn mit innigen Gebeten bis zur Non um Vergebung bitten. Weiterhin darf während dieser Woche keine der Schwestern mit ihr reden.“ Walburga bekreuzigte sich. „So sei es. Nehme diese Prüfung auf dich, Schwester Hugeburc, und du wirst im Glauben fortschreiten.“
Michal stieß den Atem durch die Zahnlücke aus, bekreuzigte sich und dankte dem Herrn und Walburga für ihre Milde.
„Das ist eine Ungeheuerlichkeit, eine Frechheit, eine …“ Goumerads sonst so tiefe Stimme rutschte immer wieder in eine höhere Stimmlage, wild fuchtelte er mit den Armen. „Diese Nachlässigkeit wird Euch noch reuen, werte Äbtissin, wenn das so weitergeht, dann wird dieses Kloster zu einem Hurenhaus, hier mangelt es an jeder Zucht, seit ihr Weiber hier aufgekreuzt seid. Ihr alle, jawohl, ihr alle stürzt dieses Kloster in die Finsternis.“ Er deutete auf Wynnebalds Erdgrab neben dem Portal, dessen rechteckiger, mit Steinen markierter Umriss nur zu erahnen war, ebenso wie das Steinkreuz an der Kopfseite. „Wenn Wynnebald erleben würde, wenn er wüsste, dass sein Kloster von einem Weib in den Ruin getrieben wird!“
Walburga stand auf und ging hinaus, die Nonnen folgten, Gerold humpelte hinterdrein. Michal kam als letzte der Nonnen an die Tür und hielt sie für Gerold auf. Kurz blickte sie auf und fing einen Blick seiner hellblauen Augen ein. Er lächelte. Sogleich senkte sie das Haupt.
„Wann reden wir weiter?“, flüsterte Gerold.
Ein langer Augenblick verstrich nach Gerolds Frage am Kirchenportal. Michal starrte ihn an wie ein Eichhörnchen, aufgeschreckt von einem Donnerschlag. Sie löste die Hand von der Tür, die daraufhin langsam zuknarrte. Die Tür knackte ins Schloss, sie zuckte zusammen und stob davon, so schnell es ihre bis an die Knöchel reichende Tunika erlaubte.
Gerold lächelte ihr nach. Oft redete er über sie, wenn er mit seiner Familie sprach, die er im Himmel wähnte. Er erzählte Vater von ihren Pausbacken, den vollen Lippen und der Einkerbung über dem Kinn. „Sie sieht beinahe aus wie mein Schwesterherz“, hatte er gesagt. Er erzählte Vater von ihrer Hilfsbereitschaft im Krankenlager. Er stellte sich vor, wie Vater ihm zuhörte und milde lächelnd sagte: „Sie ist ein gutes Mädchen.“ Dann verschwand das Lächeln. „Doch bevor du um sie wirbst, musst du meine Grafschaft zurückerobern von Wulfhardt, dem Verräter!“
„Ja, Vater“, versprach Gerold. „Sobald ich laufen kann, werde ich Männer um mich sammeln und dich rächen.“ Doch noch brauchte er die Krücken. So schnell es diese Krücken erlaubt hatten, war er in die Kirche gehumpelt, nachdem Bruder Martin ihm von der Anklage erzählt hatte.
Ob sein Auftritt vor dem cholerischen Priester sie beeindruckt hatte? Gewiss, er hatte es nicht geschafft, sie vor der Strafe zu bewahren, dennoch: Er hatte sich vor aller Augen für sie eingesetzt. Früher, am Grafenhof, hatte er Adelheid nur gestehen müssen, sie habe die schönsten Augen, in die er jemals geblickt habe, und schon hatte er sie beinahe küssen dürfen. Wie viel mehr hatte er für Michal gewagt! Zwar hatten ihr in der ersten Überraschung am Kirchenportal die Worte gefehlt, aber mit ein paar Stunden Abstand, hoffte Gerold, würde sie seine Zuneigung erwidern. Und sie würde ihn wiedersehen wollen.
In das Krankenlager zurückgekehrt, bemerkte er einen neuen Patienten: ein Mädchen. Der Geruch im Krankenlager deutete auf Bauchfluss hin und der Schweiß auf der Stirn auf Fieber. Es war das dritte Kind, das mit dieser Krankheit von ihren Eltern zu den Nonnen gebracht worden war, wahrscheinlich kam auch dieses vom Grafenhof. Die anderen beiden lagen noch auf ihren Betten. Ihnen hatte er gestern eine der Heldensagen erzählt, die einst ein fahrender Sänger im Großen Saal des Grafenhofs vorgetragen hatte. Er lächelte zu ihnen hinüber, setzte sich zwischen sie und begann, ihnen eine weitere Geschichte zu erzählen. Sie hingen an seinen Lippen, was Gerold ein überreicher Lohn war, bis Bruder Martin das Mittagessen brachte. Sogleich fragte Gerold, ob er etwas über die Nonne Michal wisse. Martin kratzte das mit Bartstoppeln bedeckte Doppelkinn und kicherte. „Du kannst wohl mehr über sie berichten als ich.“
„Was soll das heißen?“, fragte Gerold ungehalten.
„Hm, oh.“ Martin wackelte mit dem Kopf, bis er das richtige Wort gefunden hatte: „Nichts.“
Schweigend, mit erröteten Ohrmuscheln, wechselte er Gerolds Verband. Nachdem die Arbeit getan war, richtete er sich ächzend auf, faltete die Hände vor dem kugelrunden Bauch und blieb wie festgewurzelt stehen, nur die beiden Daumen trommelten gegeneinander. „Sag mal“, begann er endlich, „wieso hast du dich vom Baum fallen lassen? Ich meine, wolltest du von den Nonnen getragen werden?“
Zwei lange Augenblicke verstrichen, bis Gerold verstand: Die Aussicht, von den Nonnen getragen zu werden, rechtfertigte in den Augen des Mönches einen lebensbedrohenden Sturz. Gerold lachte so heftig, dass die Rippen in seiner rechten Seite schmerzten.
Jedes Mal in den nächsten Tagen, wenn die Tür sich öffnete, hoffte Gerold, Michal träte herein, doch es kamen nur Walburga und ältere Nonnen, die sich um die Kinder kümmerten und ihn nicht zu sehen schienen. Sie wurden begleitet von Martin, der ihm die Mahlzeiten ans Bett stellte und außer ein paar Begrüßungsworten keine Silbe herausbrachte, auch nicht, als er ihn nach seiner Franziska und seinem Dolch fragte, die er wahrscheinlich beim Sturz vom Baum verloren hatte. Nach zehn Tagen trat Gerold zum ersten Mal vorsichtig mit dem rechten Fuß auf, nach weiteren sechs Tagen machte er die ersten Schritte ohne Krücken. Ihn drängte es aus dem Krankenlager, denn in den letzten Tagen waren zwei der Kinder gestorben. Seitdem hatte er die anderen Kinder nicht mehr durch Heldengeschichten von ihrem Leid ablenken können. Das Herz wurde ihm schwer mit jeder Stunde, die er diese kleinen Geschöpfe sah, denen selbst Walburga nicht helfen konnte. Er streifte den Siegelring ab, um nicht als Grafensohn erkannt zu werden, und verließ humpelnd das Krankenlager. Er wollte endlich wieder laufen können, um Flocke im Wald zu besuchen − und Michal wiederzusehen, irgendwie. Er wusste um die Gefahr, dass Wulfhardt von seinem Aufenthalt in Heidenheim Wind bekommen könnte, allerdings vertraute er auf die Mönchskutte als Verkleidung. Auch Heido, der Dorfvorsteher, der früher einige Male am Grafenhof gespeist hatte, erkannte ihn scheinbar nicht. So weit war es gekommen, merkte Gerold: Er musste sich vor einem Mann verstellen, der noch vor einem halben Jahr das Knie vor ihm gebeugt hatte.
Von jenem Heido hatte Wynnebald einst den Ort Heidenheim gekauft. Einen Großteil des Landes hatte Wynnebald ihm sogleich wieder zur Pacht überlassen, den anderen Teil hatte er dem Kloster zugeschlagen. Seitdem war Heidenheim zweigeteilt: Hier der Klosterbereich samt zugehörenden Äckern und der Mühle, den jetzt Walburga führte, dort der Rest des Dorfes mit Heidos großem Meierhof, einigen kleinen Hofstätten und Handwerkern, dem weiterhin Heido vorstand. Dank der Einnahmen aus dem Verkauf an Wynnebald und des günstig gepachteten Landes war Heido weiterhin der wohlhabendste Mann im Dorf. Mit Frau und Kinderschar wohnte er im großen Wohnhaus des Meierhofs, als Einziger konnte er sich Pferde zum Eggen und Pflügen der Felder leisten. Doch auch die anderen Familien fanden ihr Auskommen: Das Hämmern des Schmieds klang aus einem Grubenhaus, das Dach mit frischem Stroh bedeckt, Rauch stieg von dort empor wie auch aus dem Backofen, das oberschlächtige Mühlrad plätscherte unablässig ins Wasser des Gießbachs, überall tobten Kinder. Besonders stolz waren die Dorfbewohner auf das Wohnhaus des Meierhofs und die Kirche, denn kaum СКАЧАТЬ