Das Versprechen der Nonne. Robert Storch
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Название: Das Versprechen der Nonne

Автор: Robert Storch

Издательство: Автор

Жанр: Религия: прочее

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isbn: 9783961400874

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СКАЧАТЬ Kein einziges Mal seit ihrem Besuch am Krankenbett vor sechs Tagen hatte sie Walburga in die Augen sehen können. Sie wollte jede Strafe fügsam auf sich nehmen, auf dass sie durch ihre läuternde Kraft von jeder Schuld gereinigt würde. Gleichwohl hoffte sie, von einer allzu harten Strafe verschont zu bleiben. Der Herr und Walburga, die in seinem Namen das Urteil sprechen würde, mussten doch ihre aufrichtige Buße in den vergangenen sechs Tagen mit Wohlgefallen betrachten: Sie hatte in Demut geschwiegen, an zwei Tagen hatte sie zudem auf jede Mahlzeit verzichtet.

      Goumerads Miene verbarg sich im düsteren Licht des Chors, jetzt fuhr er zuerst den rechten Arm, anschließend den rechten Zeigefinger in ihre Richtung aus. „Fürwahr, fürwahr, die Dämonen der heidnischen Götter spuken noch immer unter uns, von dieser Nonne haben sie Besitz ergriffen! Gegen die Dämonen ist unsere Äbtissin seither nur mit halber Kraft vorgegangen, doch das werde ich nicht länger dulden: Ich werde, um die Dämonen endgültig zu vertreiben, das Aufstellen von Holzkreuzen veranlassen, überall dort, wo früher die Heiden die Fratzen ihrer Dämonen eingeritzt haben. Dort, wo bereits Holzkreuze stehen, wie in der Kapelle neben dem Wynnebaldsbrunnen oder hier, nur wenige Schritte zu meiner Linken, werde ich die Ersetzung durch doppelt so große Kreuze anordnen.“ Er zeigte auf die Stellen neben den Altar, auf der weiße Fliesen der verfallenen Römervilla zu sehen waren. Auf einer dieser Fliesen hatten die Heiden einen Dämon eingemeißelt, den einst Wynnebald mit einem Holzkreuz versucht hatte zu bannen.

      Aebbe sprang auf, das Kinn nach vorne geschoben. „Ihr seid nicht der Abt! Ihr könnt gar nichts anordnen!“

      Goumerad schnappte nach Luft.

      „Gebt doch zu“, setzte Aebbe nach, „Ihr habt es nicht verwunden, dass Wynnebald seiner Schwester das Kloster vermachte und nicht Euch!“

      Walburga schritt ein: „Mäßigt Euch, Schwester Aebbe. Ich befürworte den Vorschlag des Priors und beauftrage ihn mit der Umsetzung.“ Sie nickte Goumerad zu. „Fahrt fort.“

      Goumerad, die Arme vor der Brust verschränkt, die Hände in den weiten Ärmeln der Tunika vergraben, schien nicht zufrieden, obwohl Walburga seinen Vorschlag angenommen hatte. Wahrscheinlich, weil Aebbe mit ihrem Vorwurf die bittere Wahrheit gesprochen und obendrein Walburga ihm durch die Beauftragung der Umsetzung vor Augen geführt hatte, dass sie es war, die das Kloster führte. Er fuhr die Arme wieder aus, zeigte auf Aebbe und sagte, hier zeige sich, dass das Weib das Einfallstor des Teufels sei, und zwar seit Eva den Sündenfall verschuldet habe. Was mehr brauche es noch als diese ungehörige Zornesaufwallung, um den Beweis zu führen, dass der Frau jeder Geist fehle und dass daher allein die Züchtigung durch Rutenschläge Erfolg zeitigen könne?

      Widerspruch keimte in Michal auf, doch wie konnte sie, die Sünderin, das Wort führen gegen den Prior?

      Das Portal knarrte, sie drehte sich um. Die Tür war einen Spaltbreit geöffnet, doch sie knarzte wieder zu. Niemand außer ihr schien es bemerkt zu haben. Kaum hatte Michal sich wieder nach vorne gewandt, wo Goumerad gerade auf einem vor dem Altartisch platzierten Stuhl Platz genommen hatte, hallte vom Portal her ein Schlag durch die Kirche. Sie fuhr herum. Jemand schob sich durch die aufschwingende Tür. Im düsteren Licht konnte Michal die Gestalt nicht erkennen, doch eine innere Stimme flüsterte ihr, dies müsse der Knabe aus dem Wald sein. Und tatsächlich: Auf zwei Krücken und dem linken Bein humpelte Gerold durch das Langhaus Richtung Altar. Er hatte sich gut erholt, wenn man berücksichtigte, dass er vor sechs Tagen zu schwach gewesen war, um das Lager zu verlassen. Zweifellos waren Michals Gebete erhört worden. Seine Wangen waren nicht mehr so eingefallen, eine etwas zu weite Tunika hing an ihm herunter, seine blonde Strähne schimmerte im düsteren Kirchenraum. Sie musste lächeln, bis sie Walburgas Blick auf sich gewahrte, schnell wieder ernst wurde und ihr Gesicht zum Altar kehrte. Als er neben ihrer Bank stehen blieb, bemerkte sie mit einem Seitenblick, wie seine hellblauen Augen angriffslustig zu Goumerad hinauffunkelten.

      Michal musste an ihre Begegnung zurückdenken, die sie trotz aller Bemühungen der letzten Tage nicht hatte vergessen können: Wie er plötzlich die Augen aufgeschlagen, wie er auf ihre ungebührlichen Fragen trotzig geschwiegen und schließlich doch ein paar Antworten gegeben hatte. Warum hatte er sie in der ersten Verwirrung Schwesterherz genannt?

      Jetzt schritt Amalberga, die Pförtnerin, mit einer Behändigkeit, die man ihren stämmigen Beinen nicht zutraute, auf Gerold zu. „Was suchst du hier?“, fuhr sie ihn mit männlich tiefer Stimme auf Latein an. Weil Gerold nicht sofort antwortete, packte sie ihn am Arm.

      Gerold rief in der Volkssprache: „Ich bin ein Zeuge in dieser Angelegenheit und bitte darum, gehört zu werden, bevor eine Unschuldige verurteilt wird.“

      Walburga trat neben Amalberga. „Halte ein, wir wollen ihn hören.“

      Goumerad stach aus seinem Stuhl hoch. „Das Tribunal muss in der Sprache der Kirche geführt werden, nicht in dieser Bauernsprache.“

      „Werter Goumerad“, sagte Walburga, „die Messe muss gewiss in der lingua sacra gehalten werden, nicht jedoch dieses Tribunal. Deshalb wird er uns seine Sicht der Ereignisse darlegen, kann doch seine Aussage der Wahrheitsfindung dienen. Und erzählt er dies in der Sprache des hiesigen Volkes, so sollen all jene Zuhörerinnen, die diese Sprache noch nicht zur Gänze beherrschen, seinen Worten lauschen und ihre Sprachkenntnisse erweitern. Denn wie können wir den Einheimischen das Evangelium verkünden, wenn wir nicht ihre Sprache sprechen?“

      Von einem verächtlichen Laut begleitet, ließ sich Goumerad in den Stuhl sinken.

      Walburga wies Gerold an, vorne an der Holzschranke, zwischen den zwei Bänken der Nonnen, stehen zu bleiben und zu warten, bis das Wort an ihm sein würde. Sodann gab sie das Wort an Michal, doch bevor sie ihre Stimme erheben konnte, schritt Goumerad ein und zitierte den ersten Brief an die Korinther, wonach in allen Gemeinden der Heiligen die Frauen in der Gemeindeversammlung zu schweigen haben; denn es sei ihnen nicht gestattet zu reden, sondern sie sollen sich unterordnen. Die Äbtissin pflichtete dem Prior bei: Gewiss sollen Frauen während der Messe schweigend der Predigt des Priesters lauschen, dies hier sei jedoch − wie sie bereits ausgeführt habe − keine Messe. Sodann forderte sie Michal nochmals auf, zu sprechen.

      Michal bekannte, sie sei in das Krankenlager gegangen, um für die Gesundung des Patienten zu beten. Plötzlich sei dieser aufgewacht, woraufhin sie mit ihm geredet hatte. Das Ergebnis hatte einen empörten Zwischenruf Goumerads zur Folge. Sie sei, fügte Michal an, von übermäßiger Neugier getrieben gewesen, zweifelsohne hätte sie den Raum sofort verlassen müssen, als der Knabe erwacht sei. Während sie sprach, spürte sie Gerolds Blick auf sich. Auf eine Weise, die sie nicht erklären konnte, machte sie dieser nervös. Sie verhaspelte sich, während sie um Vergebung bat.

      Walburga gab das Wort an Gerold.

      Gerold verlagerte sein Gewicht auf die linke Krücke, legte die rechte Hand auf die Brust und neigte den Kopf, und für einen Augenblick tanzten die Locken auf seinen Schultern. „Diese Situation war allein meine Schuld, denn ich lag bereits wach, da öffnete sie die Tür. Sie blickte kurz herein und wollte, nachdem sie mich gesehen hatte, die Tür sofort wieder zuschlagen, doch ich drängte sie zu bleiben, überschüttete sie mit Fragen, obwohl ich wusste, dass ihr der Umgang mit mir untersagt ist.“

      Walburga beäugte ihn streng, die Brauen bis unter die Haube hochgezogen. „Woher wusstest du, dass ihr dies untersagt ist?“

      „Nun, ich denke, dies ist doch jedem bekannt.“

      Walburga wandte sich von ihm ab und musterte Michal, als müsse sie auf den Grund ihrer Seele blicken, um das Urteil zu fällen. Michal senkte das Haupt. Die Furcht vor den Rutenschlägen kroch in jede Faser ihres Körpers, ein Schweißtropfen rann über ihre linke Brust und saugte sich in den Stoff der Tunika.

      Schicksalsergeben СКАЧАТЬ