Название: Das Versprechen der Nonne
Автор: Robert Storch
Издательство: Автор
Жанр: Религия: прочее
isbn: 9783961400874
isbn:
Alles krampfte sich in ihm zusammen. Ohne es zu wollen, entfuhr ihm ein Schrei, mit der rechten Faust schlug er neben sich auf das Strohbett. Schmerz zuckte durch die rechte Seite, der Schmied im Kopf hämmerte kräftiger.
Sie hielt ihm eine Schale Wasser unter den Mund.
Er drehte sich weg.
Sie umgriff seinen rechten Arm und sagte etwas, doch es dauerte, bis ihre Worte zu ihm drangen. „… Name?“, verstand er.
Er schwieg. Er konnte seinen Namen nicht preisgeben, ohne zu verraten, dass er der Sohn des Grafen ist. Und wenn das Wulfhardt zu Ohren bekäme …
„Woher kommst du?“, fragte die Nonne weiter. Ihr Akzent erinnerte an Walburga. Am Grafenhof sprach niemand so. War er doch nicht am Grafenhof? Oder waren die Nonnen aus Heidenheim an den Grafenhof gekommen? Aber Wulfhardt betrachtete sie, die Vertreter der römischen Kirche, doch als Feinde! Er ließ den Blick durch den Raum kreisen. Neben seinem Bett standen zwei weitere Betten, in einem davon döste ein Mann, dessen graue Haare eine Tonsur formten. Über den Betten fiel ein wenig Licht durch schmale Fenster in den kleinen Raum. Er kannte diesen Raum nicht. Vielleicht hatte Wulfhardt ihn nach dem Brand errichtet, denn er schien neu zu sein: Der frische Geruch nach Eichenholz erinnerte ihn an den Wald, die Blockbohlen waren noch hell, in keiner Ecke entdeckte er Spinnweben, kein Staubkorn bedeckte sein Laken.
Wieder fragte die Nonne: „Aus welchem Dorf kommst du?“
„Aus dem Wald.“
Forschend blickte ihn die Nonne aus großen, graugrünen Augen an. „Zu welcher Familie gehörst du?“
Gerold dachte an seine toten Eltern und an seine tote Schwester. Er hatte keine Familie. Außer Wulfhardt. Er wünschte sich zurück in den Wald, zu Flocke, in seine Höhle, weit weg von den Menschen.
Doch auf seinem rechten Arm ruhte immer noch ihre Hand, als wollte sie ihn festhalten. „Ein weißes Reh hat uns zu dir geführt.“
Gerold lächelte. „Flocke“, murmelte er.
Auch das Mädchen lächelte, dabei entblößte sie eine kleine Zahnlücke in der oberen Zahnreihe, zwischen Schneidezahn und erstem Eckzahn. Kleine Fältchen schwangen sich von der Nase zu den Enden ihrer Lippen. „Du kennst das Reh?“
Gerold ärgerte es, sich verplappert zu haben. Die Fragen nervten. War nicht er es, der ein paar Antworten bekommen sollte?
„Wo bin ich?“
Die Nonne senkte den Blick, und eine feine Röte überzog ihre Pausbacken, als schäme sie sich für ihre Neugierde, die sie hatte vergessen lassen, sich vorzustellen. „Du weilst im Krankenlager des Klosters zu Heidenheim.“ Sie legte die linke Hand auf ihre Brust, während die rechte Hand auf seinem Arm verweilte. „Mein Name ist Michal. Das weiße Reh führte mich und meine Schwestern gestern zu dir, du lagst unter einem Baum am Waldrand. Der Knöchel im rechten Fuß ist gebrochen, wir umwickelten ihn mit Leinentüchern, die wir zuvor mit Eiweiß bestrichen haben. Das hält den Fuß fest, sodass der Knochen zusammenwächst. Sonst haben wir nur Abschürfungen und blaue Flecken gefunden.“
Erleichterung durchströmte Gerold und nahm dem Schmied in seinem Kopf etwas von seiner Kraft. „Ich hatte Glück.“
„Ja, Gott hat dir viele Seraphim zur Seite gestellt. Aber noch bist du nicht gesund.“
Gerold starrte ins Leere. Er hatte das Fieber überlebt, dann den Überfall, jetzt den Sturz. Was hatte dieser Gott mit ihm vor?
Michal hielt ihm den Becher Wasser hin. Mühsam hob er den Kopf, und sie stützte ihn mit ihrer Hand. Er nippte am Becher, bekam plötzlich Durst und trank den Becher aus. Zufrieden seufzend ließ er den Kopf zurücksinken. Das Wasser floss die Kehle hinunter, frische Kraft durchströmte den Körper.
„Mein Name ist Gerold“, verriet er nun und wunderte sich, dass Walburga, die ihn einst geheilt hatte, seinen Namen noch nicht den Nonnen verraten hatte. „Ich bin …“
Die Tür schwang auf. Herein trat ein Mann, der über der Tunika die Kukulle der Mönche trug. Unter seiner Halbglatze sprangen die Augenbrauen weit vor, sodass die Augen in deren Schatten verschwanden. Michal ließ beinahe den Becher fallen, hastig stellte sie ihn ab.
„Was geht hier vor?“, donnerte der Mönch mit tiefer Stimme. „Im Namen Gottes, ein Weib!“ Ein Wortschwall ergoss sich, den Gerold mit seinem fragmentarischen Lateinwortschatz nicht verstand. Mit jedem Wort sank die kleine Nonne noch tiefer vor dem hochaufgeschossenen Mönch zusammen. Nur einmal entgegnete sie etwas in leisen Worten, doch der Mönch fiel ihr rüde ins Wort, fuhr den langen Arm aus und wies mit dem Zeigefinger zur Tür. Ihr Blick huschte zu Gerold, dann drehte sie auf der Ferse um und stob hinaus. Der Mönch folgte ihr wie ein böser Schatten.
Gerold streichelte mit der linken Hand seinen rechten Arm, genau jene Stelle, auf der ihre Hand gelegen hatte.
Goumerads tiefe, donnernde Stimme füllte die Kirche aus, als er Michal vor ihren Mitschwestern anklagte: „Es war Äbtissin Walburga selbst, die einst die Anordnung traf, dass Nonnen nur unter ihrer persönlichen Aufsicht die Erlaubnis zur Versorgung der Patienten erhalten. Doch findet sie damit bei ihren Untergebenen kein Gehör, ja sie verhöhnen die Autorität der Äbtissin, setzte sich doch die Nonne Hugeburc in geradezu unverfrorener Art und Weise über ihr Gebot hinweg: Allein stürmte sie in die Krankenstube, getrieben von niederen Gelüsten.“ Goumerads Blick brannte auf Michal, er fuhr sich mit der Zunge über die Lippen.
Dem Blick ausweichend, fragte sich Michal, was Goumerad mit „niederen Gelüsten“ meinte.
„Dieses infame Verhalten erfordert dringlich die unnachgiebige Ahndung mit harter Hand, alles andere würde die Autorität der Äbtissin noch weiter sinken lassen. So denn: Die Regel des heiligen Benedikts sieht vor, die Schwester, auf der eine schwere Schuld lastet, von Tisch und Oratorium auszuschließen. Jedoch bestimmt sie auch, Schwestern, denen es an Einsicht mangelt, seien anstelle der Ausschließung mit Rutenschlägen zu bestrafen. Diese Bestimmung muss hier Anwendung finden. Denn nicht nur die nassforsche Art und Weise der Tat beweist den Mangel an Einsicht, nein, auch das geringe Alter der Fehlgeleiteten lässt auf ihre Unreife schließen.“
Michal schnappte nach Luft. Rutenschläge! Sie erinnerte sich ans Kloster Wimborne und an die Schreie der Knaben von jenseits der Mauer, die dort die Rute bekommen hatten. Sie schloss die Augen, leise betete sie: „Vater, willst du, so nimm diesen Kelch von mir; doch nicht mein, sondern dein Wille geschehe!“
Als sie die Augen aufschlug, blickte sie von der Büßerbank, die hinter der Holzschranke stand, hinauf zum Altar, wo sich Goumerad zu voller Größe aufgerichtet hatte, hinter sich das Altarkreuz. Seine Worte schienen immer noch von den Kirchenwänden widerzuhallen und sich mit dem beständigen Plätschern des Regens zu vermischen, das durch die Fenster drang: im Norden und Süden durch jeweils drei Fenster in der oberen Hälfte des Langhauses, im Westen durch das rechteckige Fenster über dem Portal, im Osten schließlich durch die zwei runden Öffnungen am östlichen Ende des Langhauses, bevor es sich zum Chor hin öffnete, wo sich ein weiteres rechteckiges Fenster in die Mauer fügte. Hilfesuchend sah Michal hinüber zur Sitzbank, die auf der gegenüberliegenden Seite des Langhauses für Walburga und die anderen sieben Nonnen aufgestellt worden war. Walburga starrte auf den Altar, den Rücken durchgedrückt, Aebbe bewarf Goumerad mit wütenden Blicken, und es schien, als warte hinter ihren Lippen ein reißender Strom von Wörtern, den sie nur zurückhalten konnte, indem sie die Lippen fest zusammenpresste.
Michal СКАЧАТЬ