Название: Der Ehrenmord
Автор: Jan Eik
Издательство: Автор
Жанр: Зарубежные детективы
isbn: 9783955520021
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Zwanzig Minuten später und um eine Mark reicher - wenig genug für die Schlepperei - schlenderte Anton gemächlich über die Oranienbrücke und näherte sich unaufhaltsam der Wanda, die im Licht der hellen Nachmittagssonne schwarz und nutzlos an der Kaimauer des Kanals lag.
Schwager Bruno stand im Heck und erklärte mit weit ausholenden Gebärden einem Fremden etwas, das offensichtlich das schmuddlige Kanalwasser betraf. Anton konnte es nur recht sein, dass da noch jemand anwesend war, so dass Bruno seinen ersten Zorn wohl oder übel würde zügeln müssen. Vielleicht, und das wäre die glücklichste Lösung, wollte der Mann ja auch eine Ladung in Auftrag geben. Obwohl der eigentlich nicht danach aussah. Er wirkte eher wie ein. .. «Cholera!» entfuhr es Anton, obwohl er sich geschworen hatte, nicht polnisch zu fluchen, um den Schwager nicht zusätzlich gegen sich aufzubringen. Aber wenn das kein verkappter Greifer war, dann hatte er, Anton Gomolla, noch nie einen gesehen.
Zur Flucht war es zu spät, denn Bruno hatte ihn längst entdeckt und wies jetzt mit dem ausgestreckten Zeigefinger auf ihn, der sich vergeblich im Schatten der Bäume zu verkrümeln versuchte.
«Antek!», rief Bruno und schien erfreut über sein Auftauchen.
«Komm her, du wirst schon erwartet!»
So ein verräterischer Hund! Aber was wollte man von einem Deutschen und noch dazu einem Evangelischen anderes erwarten, und sei es der eigene Schwager? Er hatte seine Schwester von Anfang an vor dem gewarnt.
Mit einem flauen Gefühl im Magen schritt Anton über die schmale Planke an Bord.
Eigentlich hatte er ja ein fast reines Gewissen, von ein paar hoffentlich längst vergessenen Stückchen in der Heimat mal abgesehen. Hier in Berlin hatte er sich so gut wie nichts zuschulden kommen lassen, und die Sache mit Emmi schien auch gut ausgegangen zu sein. Also erst mal hören, was der junge Kerl überhaupt wollte.
Der kam gleich zur Sache, kassierte, eins fix drei, Antons zerlumpte Flebben und fragte: «Na, wo haben wir denn die letzten drei Nächte verbracht?»
Zwietasch, das falsche Aas! Musste dem Greifer brühwarm mitteilen, dass er nicht auf der Wanda geschlafen hatte. Als ginge ihn das was an! Am Ende würde der es auch in der Heimat rumerzählen, und die schwarze Maria würde Antek die Hölle heiß machen. ..
«Antworten Sie gefälligst!», fuhr Kappe den bedrippt vor ihm Stehenden an. Dass den das schlechte Gewissen plagte, sah ein Blinder mit dem Krückstock.
«Ja, also. ..», begann Gomolla langsam in seinem harten Deutsch, «das ist nämlich so. ..» Umständlich zog er die Mütze vom Kopf. «Ich habe da einige Landsleute begegnet und sie geholfen. Bei der Arbeit - Sie verstehen?»
Kappe nickte und wartete. Er war sich sicher, dass dieser Gomolla sich die Geschichte gerade erst ausdachte, weil er etwas zu verbergen hatte. Etwas, das mit dem toten Mädchen zusammenhing? Hatte er sie vor Tagen ermordet, war einfach abgehauen und jetzt in der Hoffnung zurückgekehrt, niemand hätte die Leiche gefunden? Zumindest nicht hier im Kanal, direkt hinter der Wanda? Andererseits hätte ein Schiffer eine Leiche wohl kaum unmittelbar neben dem eigenen Kahn ins Wasser geworfen. Auch an der Wanda hing eine Nussschale von Beiboot, mit dem Gomolla wenigstens ein Stück den Kanal hätte entlangstaken können. Außerdem gab Zwietasch an, den Schwager nie länger alleine auf der Wanda gelassen zu haben.
Kappe verfolgte Gomollas langatmig vorgetragene Ausflüchte nur mit halbem Ohr und unterbrach ihn schließlich: «Nun erzählen Sie mal - wie hieß denn die junge Frau, deretwegen Sie so plötzlich verschwunden sind?»
Antek starrte ihn offenen Mundes an. Wie konnte der etwas von Emmi wissen, die er doch erst vor ein paar Minuten verlassen hatte?
«Ich verstehe nicht, wen Sie meinen. ..», stotterte er.
«Oh, Sie wissen schon. So eine kleine, dralle Person. Noch ziemlich jung. ..»
Das klang nicht unbedingt nach Emmi. Drall war sie gewiss. So nannte man das hier. Aber jung? Antek schüttelte den Kopf.
«Mit langen blonden Haaren», fuhr Kappe fort und spürte förmlich, wie der Mann aufatmete.
«Ich kenne keine Frau mit blondes Haar», sagte er fest und blickte Kappe treu in die Augen.
«Na schön, wie Sie wollen. Dann begleiten Sie mich jetzt am besten zum Präsidium, und dort werden wir das alles genau aufschreiben.»
«Nein.» Angstvoll sah sich Antek nach seinem treulosen Schwager um, doch der tat, als kenne er ihn gar nicht. «Ich will nicht ins Gefängnis! Ich habe nichts getan!»
«Nur in den vorläufigen Gewahrsam», beruhigte ihn Kappe, «bis wir geklärt haben, wo Sie sich tatsächlich aufgehalten haben.»
Die Aussicht, mit einem widerspenstigen Delinquenten noch einmal den weiten Weg zum Alex unternehmen zu müssen, missfiel ihm. Seine offizielle Dienstzeit war seit einer halben Stunde beendet. Gomollas Vernehmung samt Protokoll würde unweigerlich an ihm hängenbleiben. Also konnte er auch bis morgen damit warten.
Er musterte Gomolla von oben bis unten und tippte ihm mit dem Zeigefinger auf die schmuddlige Hemdbrust. «Sie bleiben heute Nacht hier. Und Sie entfernen sich keinen Schritt von ihrem Kahn, verstanden? Sonst. ..» Er machte eine unmissverständliche Geste des Kassierens.
Gomolla nickte eifrig.
«Morgen um zehn melden Sie sich im Polizeipräsidium bei der Kriminalabteilung. Bei Herrn Galgenberg», fügte er hinzu. Sollte der ruhig auch was für sein Geld tun, wo er immer so stolz auf seine Vernehmungskünste war.
Kappe wandte sich zum Gehen. Die Furcht, wieder über das schmale Brett balancieren zu müssen, wollte er sich nicht anmerken lassen. «Sie sind verantwortlich, dass er sich morgen pünktlich meldet!», ordnete Kappe an.
Zwietasch salutierte. Schließlich hatte er gedient und wusste, was sich gehörte.
Gomolla aber erkundigte sich kleinlaut: «Und was ist mit Papieren?»
«Kriegen Sie morgen wieder», antwortete Kappe. «Aber nur, wenn alles in Ordnung ist.»
Anton Gomolla hob die Schultern. «Ich weiß gar nicht - was ist passiert?»
Das wird dir dein Schwager schon erzählen, dachte Kappe, und der legte auch gleich in voller Lautstärke los: «Sie haben eine Wasserleiche gefunden. Heute Morgen. Eine junge Frau mit langen blonden Haaren.»
Du selber hast sie gefunden, dachte Kappe, doch er konzentrierte sich darauf, mit eiligen Tippelschritten die Planke zu überqueren und sich über das rettende Ufergeländer zu schwingen. Den jungen Mann, der ihn dabei beobachtete, bemerkte er erst, als der ihn ansprach.
«Ist das wahr mit der Leiche?» fragte er mit rauer Stimme.
«Wird wohl so sein», entgegnete Kappe knapp. Es war nicht seines Amtes, die Neugier jedes Passanten zu befriedigen. Doch war etwas an dem jungen und ärmlich gekleideten Burschen - außer der gebrochenen Nase –, das ihn für einen Augenblick zögern ließ.
«Vermissen Sie jemanden?», fragte er.
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