Название: Allmächtig? Ohnmächtig? Gerecht?
Автор: Gerhard Padderatz
Издательство: Автор
Жанр: Религия: прочее
isbn: 9783815026007
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Das Übel fing im Himmel an Die Rebellion Luzifers und Gottes Reaktion
„Die ganze Sache hat mit den Engeln zu tun, an die Sie glauben. Wissen Sie, dass es einmal eine Rebellion unter ihnen gab?“
„Nein, davon habe ich noch nie gehört.“
„Die Heilige Schrift berichtet, dass es einen Engelsfürsten gab, der in der lateinischen Übersetzung als ,Luzifer‘ bezeichnet wird.1 Sein Name bedeutet ,Lichtträger‘ oder, der ,Scheinende‘. Er war überragend schön und sehr intelligent. Luzifer war wohl der höchste Engel an Gottes Thron, ein geschaffenes Wesen, aber doch vollkommen.2
Irgendwann sind Luzifer jedoch seine Schönheit und Intelligenz zu Kopf gestiegen. Die Bibel berichtet, dass er sich wegen seiner Schönheit gegen Gott erhob.“3
„Wie ist das passiert?“
„Darüber berichtet uns die Bibel nichts. Aber mir hat ein Bild sehr geholfen, es besser nachvollziehen zu können. Wie entdeckt jemand, dass er oder sie schön ist? Meistens doch, indem sie in den Spiegel blicken und sich mit anderen vergleichen. So etwas Ähnliches muss Luzifer getan haben. Ihm ist sozusagen im Spiegel bewusst geworden, welch hervorragende Fähigkeiten er gegenüber den anderen Engeln besaß. Aber zu viel in den Spiegel oder auf sich selbst zu schauen hat einen großen Nachteil.“
„Was meinen Sie damit?“
„Luzifer hat dabei Gott aus den Augen verloren – seinen Schöpfer, dem er doch alles verdankte, was er war und konnte.“
Ich hielt inne und sah meine Gesprächspartnerin an. „Darin steckt für mich eine tiefe existentielle Wahrheit: Wenn wir in unserem Leben Gott aus den Augen verlieren, geht immer etwas schief – jedenfalls auf lange Sicht. Ich habe das oft beobachtet und auch selbst erfahren.“
„Meinen Sie wirklich?“
„Bei Luzifer war es jedenfalls so. Irgendwann war er mit seiner Stellung unter Gott nicht mehr zufrieden. Es gab dafür keinen plausiblen Grund, denn er war ja das höchste geschaffene Wesen. Die Bibel berichtet über Luzifers Absichten, Gott gleich zu sein und einen eigenen Thron zur Herrschaft über die anderen Engel zu errichten.4 Kennen wir das nicht zur Genüge: Machtgier und Egoismus?“
„Ja, das ist leider weit verbreitet.“
„Mit der Selbstsucht hat also das ganze Übel im Universum angefangen. Bei einer selbstsüchtigen Person kreist alles um sie selbst – und die Kreise werden immer enger. Das steht im Gegensatz zum Lebensprinzip Gottes, der selbstlosen Liebe. Da weiten sich die Kreise immer mehr und schließen andere mit ein.“
„Warum hat Gott dem egoistischen Streben Luzifers denn nicht gleich einen Riegel vorgeschoben? Er war doch allmächtig.“
„Das ist die entscheidende Frage“, pflichtete ich ihr bei. „Die müssen wir unbedingt klären, um Gottes Handeln zu verstehen. Was hätte Gott denn tun können oder müssen, um völlig sicher zu sein, dass sich keines seiner Geschöpfe je gegen ihn auflehnt?“
„Er hätte sie vollkommen schaffen müssen, ohne irgendwelche schlechten Neigungen.“
„Nach dem Bericht der Bibel hat Gott genau das getan. Luzifer wird ausdrücklich als, Abbild der Vollkommenheit‘ und, ohne Tadel‘ bezeichnet.5 Gott hat keine Engel mit Defekt geschaffen, nur solche mit besonderen Gaben – und einem freien Willen. Und darin liegt die Möglichkeit, dass sie sich gegen ihn entscheiden konnten.“ Ich hielt inne.
Meine Nachbarin schien nachzudenken. Sie sah mich eine Weile schweigend an, dann sagte sie langsam: „Ich glaube, ich verstehe, worauf Sie hinauswollen: Er hätte alle Geschöpfe ohne einen freien Willen schaffen müssen. Nur dann wäre ausgeschlossen, dass sich jemand gegen ihn auflehnt.“
„Ja, das denke ich auch. Alle geschaffenen Wesen müssten ähnlich wie Roboter oder Marionetten funktionieren. Damit ergibt sich die nächste wichtige Frage: Wenn Gott Gott ist, wusste er doch sicher, wohin es führen kann, wenn er seinen höheren Geschöpfen einen freien Willen gibt. Warum hat er es dennoch riskiert?“
„Woher soll ich das wissen? Das würde ich Gott auch gerne fragen“, sagte sie mit einem leisen Ton der Empörung.
„Ich meine, wir sollten nicht zu früh aufgeben, Gott verstehen zu wollen. Gott hat uns Menschen, nach seinem Bild‘ geschaffen,6 mit Vernunft und der Fähigkeit, ihn zu erkennen. Gehen wir die Frage von einer anderen Seite an: Was schätzen Sie an zwischenmenschlichen Beziehungen am meisten?“
Sie dachte einen Augenblick nach. „Dass ich einem anderen vertrauen kann und er mir vertraut.“
„Ich auch. Und noch mehr schätze ich es, von einer anderen Person geliebt zu werden.“
„Da haben Sie natürlich Recht. Das ist das Wertvollste.“ Sie nickte.
„Erlauben Sie mir eine persönliche Frage: Was würde es Ihnen als Mutter bedeuten, wenn es bei Ihrem Sohn einen Knopf gäbe, auf den Sie nur drücken müssten, damit er sagt: ,Mutti, du bist die Beste. Mutti, ich hab dich lieb!‘?“
„Natürlich nichts!“, sagte sie mit Nachdruck.
„Es ist klar: Ohne eine freie Entscheidung gibt es keine echte Liebe. Wenn ich eine Waffe in der Hand hätte, könnte ich Sie wahrscheinlich zwingen, aufzustehen oder bestimmte Dinge zu tun. Ich könnte Sie aber nicht dazu bringen, mich zu lieben oder mir zu vertrauen.“
„Sicher nicht.“
„Das kann man nicht erzwingen“, wiederholte ich, um ihr diesen wichtigen Punkt einzuprägen. „Man kann Liebe und Vertrauen nur freiwillig erweisen.“
Sie lachte. „Ich könnte Ihnen etwas vorheucheln und Ihnen sagen, was Sie hören wollen. Aber in dem Moment, in dem Sie keine Waffe mehr hätten, wäre ich weg. Ich würde Sie verachten, weil Sie mich zum Heucheln gebracht haben, oder hätte noch Angst.“
„Wie finden Sie einen solchen Gott, dem es wichtiger ist, in seinem Universum Beziehungen zu ermöglichen, die auf Vertrauen und Liebe basieren, statt völlige Sicherheit zu gewährleisten?“
„Das verstehe ich nicht. Was hat das mit Sicherheit zu tun?“
„Ich meine hier die Sicherheit vor einer Rebellion gegen seine Herrschaft“, erklärte ich. „Mit Zwang und Gewalt kann man vor einer Auflehnung eher sicher sein als mit Freiheit, Liebe und Vertrauen. Das birgt immer ein gewisses Risiko in sich. Aber gerade vor solch einem Gott, der dieses Risiko eingeht, damit es liebevolle und vertrauensvolle Beziehungen geben kann, habe ich großen Respekt. Ja, ich finde ihn großherzig und liebenswert.“
„Das kann ich nachvollziehen.“
„Verfolgen wir die Geschichte dieses Aufruhrs weiter: Wie mag Gott auf die Machenschaften Luzifers reagiert haben?“
„Woher soll ich das wissen? Sie sind doch der Bibelexperte. Was hat er denn getan?“
„Das wird in der Bibel nicht beschrieben. Aber an vielen Stellen wird Gott als barmherzig, gnädig und geduldig bezeichnet.7 Einmal, als er Mose erschien, bezeichnete er sich sogar selbst so.8 Und da Gott sich in seinem Charakter nicht verändert,9 können wir schlussfolgern, СКАЧАТЬ