Der siebenstufige Berg. Liselotte Welskopf-Henrich
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Название: Der siebenstufige Berg

Автор: Liselotte Welskopf-Henrich

Издательство: Автор

Жанр: Исторические приключения

Серия:

isbn: 9783938305669

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СКАЧАТЬ den Wagen.

      Bulle und Reiter waren schon hinter der nächsten Kurve verschwunden.

      »Was wissen Sie von diesem Joe?«

      »Joe King. Ein erfolgreicher junger Rancher. Der beste Rodeoreiter und der beste Schütze der Reservation.«

      »King …?« Chester Carr holte seinen Kalender hervor und machte eine Notiz. Er erinnerte sich, dass er in den Akten, die zu studieren seine erste Obliegenheit gewesen war, eine Eintragung neuesten Datums über einen Joe King gefunden hatte. Der Mann sollte wegen irgendeines haarsträubenden Vergehens, für das man ihn nicht vor Gericht bringen konnte, von der Superintendentur zurechtgewiesen werden.

      Carr nahm sich vor, diese Angelegenheit so bald wie möglich zu erledigen.

      »Larry, womit hat dieser Meisterschütze der Reservation geschossen? Konnten Sie es erkennen?«

      »Er hat nicht geschossen, Sir, er hat mit der Hirtenpeitsche geknallt. Wenn ein hiesiger Cowboy mit der Peitsche knallt, klingt es wie ein Schuss.«

      Chester Carr kannte von der Reservation, die er zuvor verwaltet hatte, nur Schafhirten und Schafherden. Er musste also dazulernen. Doch hatte Larry behauptet, dass die Cowboys im Hill-Park ein Stampede mit Schüssen einleiteten. Die Frage des Superintendenten erschien also nicht völlig abwegig. Immerhin war er einem Irrtum unterlegen. Mit unbefriedigten, nahezu gereizten Gefühlen schloss Chester Carr das Notizbuch, ohne sich vorher zu erkundigen, warum der Cowboy Bob des Joe King im Gefängnis sitze. Warum wohl! Wegen Trunkenheit, Diebstahls oder Gewalttätigkeit, wegen irgendeines dieser typisch indianischen Verbrechen.

      Auf der Weiterfahrt ergab sich nichts Neues oder Besonderes mehr, und eine halbe Stunde vor Dienstschluss stand Carrs Wagen wieder vor der Superintendentur in der Agentursiedlung.

      Der Superintendent saß schon an seinem Schreibtisch und hatte seinen Stellvertreter Shaw rufen lassen.

      »In drei Tagen genauen Bericht über die Büffelranch des Joe King. Dort scheint mir nicht alles in Ordnung zu sein. Mangelhaft gehütete Büffel sind eine öffentliche Gefahr.«

      Shaw nickte.

      »Hat sich ein Cowboy Bob dieser Ranch strafbar gemacht?«

      »Wehrdienstverweigerung.«

      Carr fühlte einen leichten Schock.

      »Also den Bericht.«

      Shaw notierte und wiederholte: »Bericht.« Er verbarg dabei, wie erfreut er war, dass der neue Superintendent offenbar selbst die Widerstandsclique entdeckt hatte, die Nick Shaw schon lange, aber bisher vergeblich verfolgte.

      Es wurde vier Uhr nachmittags. Carr beendete den Dienst, fuhr hundert Meter weiter zu seiner Dienstwohnung im einstöckigen, gut eingerichteten Haus und wurde von seiner Frau begrüßt, die in allem dachte wie er selbst.

      Da es auf der Reservation keinerlei Klub, kein Restaurant, kein Theater, kein Kino gab, genoss Carr nach der Zeitungslektüre mit Frau Emily zusammen die Zerstreuung des Fernsehens. Als der Western langweilig wurde, überwand sich Frau Emily und erzählte: »Heute mittag sind zwei junge Verbrechertypen hier durchgefahren. Der eine war eine Mulatte. Clyde hatte die beiden als Anhalter mitgenommen.«

      Chester Carr schaltete den Fernsehapparat auf geringere Lautstärke, griff wieder nach der Zeitung, knisterte damit und fragte endlich: »Wer hat die drei entdeckt?«

      »Die beiden Indianerpolizisten.«

      »Auch das noch. Wieso?«

      »Clyde war aufgefallen. Er fragte die alten Männer aus, die an der Straße umhersaßen.«

      »Woher weißt du es?«

      »Ich kam mit Clarence vom Supermarkt.« Clarence war die Haushaltshilfe, eine Schwarze, die das Ehepaar Carr sich aus dem Süden mitgebracht hatte. »Und dann?«

      »Die drei wurden angewiesen, sich nicht aufzuhalten. Sie fuhren weiter.«

      Chester Carr schaltete den Fernseher auf volle Lautstärke, sah sich das von Revolverschüssen begleitete Happy End des Westerns und eine Komödie an und hüllte dabei seine Gedanken in ein Dämmerdunkel, wie es im ganzen Raume herrschte. Er hatte eine schriftliche Anweisung bei der Polizei hinterlegt, dass sein Sohn Clyde sofort aus der Reservation auszuweisen sei, wenn er gesehen werde. Die Polizisten hatten korrekt gehandelt. Aber Carr glaubte schon das Hohngerede unter den Indianern, boshaftes, bemitleidendes Geflüster seiner Beamten – außerhalb der Dienstzeit – zu vernehmen, und er spürte das Triumphgefühl Clydes, dem es schon wieder gelungen war, seinen Vater vor allen Leuten und an seiner Dienststelle lächerlich zu machen. In einem poppigen Auto mit zwei Verbrechertypen! Clyde war also nicht nur von blödsinnigen Schlagworten wie Rassismus und Kolonialismus besessen, er war durch seine Kritiklosigkeit gegenüber schlecht angezogenen und farbigen Leuten auch in üble Gesellschaft geraten. Es lag ihm offenbar nichts mehr daran, ob man ihn verhaftete. Vielleicht provozierte er bewusst, und Chester Carr war machtlos gegenüber einem mündigen Sohn, der wenig Bedürfnisse zeigte, kein Geld verlangte und das Gefängnis noch nicht zu fürchten gelernt hatte.

      Gegen elf Uhr nachts folgte Chester dem fragenden Blick seiner Frau, erhob sich und ließ das Fernsehlicht erlöschen. Wie einfach. Vielleicht wurde im Jahre 3000 ein Schaltknopf für das Gehirnzentrum des Menschen erfunden, um Gedanken in Gang zu setzen und sie ebenso schnell abzudrehen. Für die lebende Generation blieb nichts übrig, als sich zu Bett zu begeben und die Beruhigungspille einzunehmen, für die Frau Emily schon einen Schluck Wasser bereitgestellt hatte.

      Das Haus lag im Dunkel. Chester schlief ein, ohne noch etwas gesagt zu haben, aber er wusste, dass Emily mit den gleichen Sorgen umging wie er selbst.

      Als es Morgen wurde, als der Wecker rasselte, als ein paar Vögel durch den wohlgepflegten Garten des Superintendentenhauses huschten und Mr und Mrs Carr sich wie gewohnt ham and eggs servieren ließen, hatte Chester beschlossen, nirgendwo auf die Sache Clyde zurückzukommen, weder in der Familie noch im Büro.

      Er verabschiedete sich höflich von seiner von ihm noch immer verehrten Frau. Larry hatte den Wagen bereit und fuhr den Chef die Strecke von hundert Metern zur Superintendentur.

      Carr wandte sich den laufenden Amtsgeschäften zu und empfing Miss Bilkins, die für das Schulwesen verantwortlich zeichnete. Sie war blond und hellhäutig, im Norden geboren, wie Carr ihren Personalakten bereits entnommen hatte. Das letzte ihrer Schriftstücke, das Miss Bilkins vorlegte, war ein Antrag, den jungen Indianer Hugh Mahan, der soeben das College abgeschlossen hatte, bei der Superintendentur zu beschäftigen. Zeugnisse, Lebenslauf, Passbild, eine ausführliche Beurteilung waren beigefügt. Carr ließ den Blick über die Papiere laufen, schichtete sie wieder zusammen und legte sie nochmals auseinander. Er gestand sich selbst nicht ein, dass ihn das ausgezeichnete Abschlusszeugnis dieses Farbigen stutzen ließ und verärgerte. Mahan hatte am College besser abgeschnitten als einst Chester Carr. Carr war entschlossen, den Antrag auf Mahans Einstellung in sein Büro abzulehnen. Intellektuelle waren eine Krankheit des Landes, farbige Intellektuelle die Pest schlechthin.

      Der neue Superintendent lehnte sich in seinem Dienststuhl mit Armlehnen zurück und kritisierte: »Miss Bilkins! Sie haben diesen jungen Mann vor drei Jahren zum Besuch des College mit entsprechendem Stipendium vorgeschlagen. Warum?«

      »Ein ausgezeichnetes Abitur, Mr Carr. Mahan war der Beste der ganzen Abschlussklasse, und Superintendent Sir Hawley hat den Antrag warm befürwortet.«

      »Das СКАЧАТЬ