Der siebenstufige Berg. Liselotte Welskopf-Henrich
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Название: Der siebenstufige Berg

Автор: Liselotte Welskopf-Henrich

Издательство: Автор

Жанр: Исторические приключения

Серия:

isbn: 9783938305669

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СКАЧАТЬ Auftrag, die Eingeborenen zu regieren, die bedauerlicherweise nicht rechtzeitig ausgerottet worden waren. Chester Carr saß auf dem Amtsstuhl, von dem aus sich seine Vorgänger Hawley, Bighorn und Albee vergeblich bemüht hatten, die einem Superintendenten zugeteilten Aufgaben zu lösen. Carr zog sogleich Informationen ein. Hawley, noch zu sehr Seigneur der alten Schule, war vergrämt gestorben. Bighorn, scheinbar angepasster Indianer, hatte, von den Hexenkünsten seines Stammes verfolgt, Selbstmord begangen. Albee, bebrillt und von ethnologischen Zweifeln aufgeweicht, war mit allerhöchstem Missfallen abgegangen. Nun kam Chester Carr, weder Seigneur der alten Schule noch abergläubisch, noch zweifelnd, Typ des Masters aus dem Süden, fest verwurzelt in seiner Erziehung und standfest gegen Schwächegefühle.

      Er orientierte sich sogleich, welche der ihm untergebenen Beamten in seinem Sinne brauchbar seien. Mit Ausnahme einer fülligen Frau schienen sie alle vom Apparat genügend vorgeformt, um von Chester Carr weitererzogen zu werden. Doch war es nur ein einziger, der Carrs Vertrauen in vollem Maße gewonnen hatte, der stellvertretende Superintendent Nick Shaw. Er hatte alle vorhergehenden Superintendenten im Amt überdauert, wie ein gewandter und unauffälliger Staatssekretär seinen Minister zu überdauern pflegt oder, anders ausgedrückt, wie ein Computer, der weiter informiert, gleich, wer ihn mit Daten füttert.

      Vierzehn Tage nachdem Carr seinen Dienst angetreten hatte, begann er eine Inspektionsfahrt durch die Reservation. Er ließ sich nicht von Nick Shaw begleiten, da der Bürodienst werktags nicht ruhen und das Wochenende nicht durch Arbeit zweckentfremdet werden durfte. Carr verließ sich auf seinen eigenen Blick, den er für scharf hielt, und auf die Auskünfte seines Fahrers, der wie Shaw schon unter drei Superintendenten und vorher bei der Armee gedient hatte.

      Der Wagen durchfuhr die kleine Agentursiedlung, in der Carr keine Probleme entdecken konnte. Supermarkt, Stammesrathaus, Stammesgericht, Polizeigebäude und ein kleines Gefängnis waren aus rot leuchtenden Ziegelsteinen neu erbaut. Die Straße war sauber, die Tankstelle flott bedient, die meisten Häuser in der Umgebung des Supermarkts ansehnlich: Superintendentur, Kirche, die 1. Tagesschule, einige Beamtenhäuser. Ein kleines Café, ein alter, kleiner Laden, eine Friseurbude standen dazwischen, schmal, als seien sie zusammengedrückt. Als Zeugen vergangener Zeiten saß ein Dutzend alter Männer auf einer kleinen Mauer am Straßenrand.

      Der Dienstwagen gelangte in freies Gelände. Die herbstliche Jahreszeit hatte eben erst begonnen; der Himmel war licht, der Wind sanft, die Sonne schien mild. Das Präriegras hatte seine Lebenshoffnungen für das laufende Jahr aufgegeben; braun, dürr verkümmerte es auf dem ausgetrockneten Boden, und selbst die Kakteen waren schlaff geworden, Zeichen der Wirkung grausamer Sommersonne in diesem verlassenen Land. Chester Carr, der von einer Reservation in die andere kam, fühlte sich zunächst nur von einer Einöde in die nächste versetzt, aber je länger die Fahrt währte, desto weniger konnte er sich eines beklemmenden Gefühls erwehren. Die ihm gewohnt gewordene Einöde, die er verlassen hatte, war durch eine kahle Gebirgsformation grotesk oder monumental formiert gewesen; die Einöde der Prärie wirkte mit ihren endlosen, sich gleichenden Hügeln und Wellentälern wie ein Erde gewordener Ozean ohne Ufer. Chester war allerdings weit davon entfernt, solche Vergleiche zu denken; dazu fehlte ihm die Phantasie. Er wurde lediglich schlechter Stimmung und fühlte sich allein. Nur hin und wieder bekam er schwarzes Vieh zu Gesicht, ein einsames Ranchhaus, eine Blockhütte, ein Zelt, ein Dorf, Kiefern und weiße Felshänge, die das Braun des Graslandes unterbrachen. Er fand keinen Anlass, Halt zu machen; er wollte besichtigen, nicht eindringen; das blieb Sache seines Wohlfahrts- und seines Wirtschaftsdezernenten. Chester liebte keine Kompetenzüberschreitungen.

      Als solche störte ihn jetzt ein Büffel, der nicht auf seiner Weide, sondern auf der schmalen Straße stand und offenbar den elektrisch geladenen Zaun zwischen Straße und Ranchgelände auf irgendeine Weise umgangen oder irgendwo übertrampelt hatte. Vielleicht war der Zaun auch nicht ordnungsgemäß geladen.

      Der Fahrer bremste und hielt. Chester wartete.

      Der Wagen blieb am Platz. Der Bulle stellte sich quer, drehte den Kopf, glotzte und überlegte. Niemand konnte wissen, was er tun würde, gleich, ob der Wagen stehenblieb oder ob der Fahrer wieder startete. Der Büffel schnaubte und brüllte kurz, dumpf. Der Fahrer hütete sich zu hupen.

      »Ja – und?« sagte schließlich Superintendent Carr.

      »Es ist ein Bulle«, erklärte der Fahrer.

      Carr wartete eine Viertelstunde. Auch der Bulle hatte Geduld. Nur seine Schwanzspitze bewegte sich leicht und verriet irgendeine Gedankenbewegung in dem mächtigen Kopf, in dessen dunkler Behaarung die Hörner fast verschwanden.

      »Warum fahren Sie nicht weiter?« fragte Chester Carr. Er hatte da und dort in Naturschutzgebieten schon Büffel gesehen; sie hatten abseits der Straße friedlich geweidet, und er war ihnen nie zu nahe gekommen.

      »Es ist ein junger Bulle, aggressiv«, sagte der Fahrer. »Er mag uns nicht.«

      »Woher wissen Sie das?«

      »Die Schwanzspitze. Achten Sie auf die Schwanzspitze, Sir.«

      »Nennen Sie mich nicht ›Sir‹, Larry. Hawley war Sir. Old England, immer noch zu viel Old England. Ich bin Mr Carr. Das ist mein Grundsatz.«

      »Yes, Sir.« Larry fand nicht sogleich aus der lebenslangen Gewohnheit hinaus, jeden Vorgesetzten mit »Sir« anzusprechen.

      Carr gab seinen Protest gegen die Anrede auf.

      »Wollen Sie warten, Larry, bis es dem Vieh heute abend einfällt weiterzutraben?«

      »Büffel lassen sich nicht treiben, Mr Carr. Im Park der Hills bringen die Cowboys die Büffelherde nur durch ein Stampede vorwärts. Zu Pferd natürlich. Mit Schießen, Knallen und Schreien.«

      »Wem gehört das Vieh hier?«

      Während Chester Carr fragte, gewann er beim Anblick des Bisons mehr und mehr den Eindruck, dass dieses Ungetüm der Prärie seinem Wagen wesentlich schaden konnte, wenn es sich nur dazu entschloss.

      »Larry, wem gehört das Tier?«

      »Joe.«

      »Das ist ein weißer Pacht-Rancher?«

      »Ein Indianer.«

      »Oh.«

      »Ja. Er kann mit Büffeln umgehen.«

      »Vielleicht auch nicht. Sonst würde er uns nicht einen Bullen auf die Straße stellen.«

      »Nun, er kann nicht überall sein. Tom und Percival sind zur Armee eingezogen, und Bob sitzt im Gefängnis. Robert ist noch da. Aber ein Rancher und ein einziger Cowboy sind nicht genug für die Kuh- und Büffelherde.«

      »Dieser Joe hält sich Cowboys?«

      »Indianerjungs.«

      »Hm.«

      Carr fand sich darein, weiterhin zu warten. Nach etwa zehn Minuten ließ sich von fern Hufschlag im Galopptakt hören aus der Richtung, aus der Carr mit seinem Wagen gekommen war. Die Hufe schlugen nicht die Straße, sondern den trockenen Wiesenboden. Ein tiefer, tierisch wirkender Ton erklang dazu und vibrierte durch Chester Carrs Nerven. Es krachte und knallte. Der Büffel wurde unruhig, hob den Kopf, äugte. Der Reiter stob heran, setzte über den Zaun, der Bulle brach aus, wendete, flüchtete. Der Reiter war jetzt auf der Straße hinter ihm her. Carr hatte einen Schecken und einen schlanken, großen Reiter mit schwarzem Cowboyhut erkannt; wenn er unter Eid befragt worden wäre, hätte er gesagt, dass die Hände des Mannes braunhäutig gewesen СКАЧАТЬ