Stein mit Hörnern. Liselotte Welskopf-Henrich
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Название: Stein mit Hörnern

Автор: Liselotte Welskopf-Henrich

Издательство: Автор

Жанр: Исторические приключения

Серия:

isbn: 9783938305645

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СКАЧАТЬ ball, ein Außenseiter, ohne es sich anmerken zu lassen.

      New City, mit einem schnellen Wagen einen Tagesausflug entfernt, zeigte sich als eine aufstrebende Stadt mit Erfolgsaussichten, noch ohne viel Geschmack oder kulturellen Ehrgeiz. Sligh war mit seinen vierzig Jahren schon zu alt, um Tanzetablissements aufzusuchen. In einer Cafeteria fühlte er sich verloren und gelangweilt. Das Restaurant des besten Hotels sagte ihm nichts, was seine Gedanken hätte beschäftigen können. Die zurückhaltend-deutlichen Blicke der Haushälterin belehrten den Arzt, dass er allmählich als ein verschrobener, nur durch angepasste Weiblichkeit noch zu heilender Junggeselle zu gelten begann. Doch gab es in den Agenturfamilien keine Töchter, die in Frage kommen konnten. Alte briefliche Verbindungen schliefen allmählich ein. Den Umgang mit unbekannten Damen scheute Roger Sligh. Es war möglich, dass der Erpresser in New City auf sein Opfer lauerte.

      Sligh spielte zuweilen mit dem Plan, sich wieder versetzen zu lassen. Doch schien es nicht angemessen, bei der Gesundheitsbehörde jetzt mit einem solchen Ansuchen vorzusprechen. Das hätte eine Aufmerksamkeit auf die Person des Arztes gelenkt, die er nicht herbeizuziehen wünschte.

      Aus der orthopädischen Klinik kam die Nachricht, dass der allgemeine körperliche Zustand des Patienten J. King zu wünschen übrig lasse, wohl eine Folge der künstlichen Ernährung. Doch habe sich in Bezug auf die Bewegungsfähigkeit ein erster Erfolg der Operation und des anschließenden langwierigen Heilungsprozesses gezeigt. Der Patient empfinde offenbar ein Bein wieder und könne einige Zehen schon bewegen. Sligh rief den Arztkollegen Miller an.

      »Spricht der Patient?«

      »Der Unterkiefer rührt sich noch nicht.«

      »Wie erklären Sie sich das? Hängt es mit den Verletzungen der Wirbelsäule und der Bewegungsnerven zusammen?«

      »Glaube ich nicht. Eher Schockwirkung oder haarsträubend konsequent simuliert.«

      »Diagnose also noch unsicher?«

      »Leider. Ich habe alle üblichen Mittel angewandt, Überraschungsmanöver, List … Der Patient liegt mit anderen zusammen, von denen ihn zwei beobachten. Wenn er simulieren sollte, so hat er jedenfalls sich selbst ausgezeichnet in der Hand. Er hat sich noch nicht ein einziges Mal verraten. Nicht einmal im Schlaf! Ein indianischer Yogi.«

      »Was kann er gegebenenfalls bezwecken?«

      »Selbstmord. Auf die einzige Weise, die ihm noch freisteht.«

      »Lassen Sie das zu?«

      »Ich arbeite mit allen Mitteln dagegen.«

      »Was ist Ihr allgemeiner Eindruck?«

      »Sie haben mich überrumpelt, Sligh, und mir einen Gangster in meine Klinik gelegt. Die Polizei war gestern da. Glücklicherweise in Zivil und vorangemeldet, so dass ich Ihren Patienten für die Vernehmung isolieren konnte. In meiner Klinik ist nichts von der Sache durchgedrungen.«

      »Sie selbst haben der Vernehmung beigewohnt?«

      »Aus medizinischer Rücksicht, da Lebensgefahr eintreten konnte.«

      »Ist herausgekommen, wo er den letzten Tag beziehungsweise die letzte Nacht vor seinem Zusammenbruch verbracht hat?«

      »Ja. Das hatte die Polizei bereits festgestellt. Er war bei seinem Freund Russell, dem Verkäufer von Cowboykleidung, bei seiner Schwester in den Slums von New City und bei Krause, dem Büchsenmacher. Russell und Krause sind als durch und durch solide Existenzen bekannt.«

      »Aber die Schwester?«

      »Eine jetzt reputierliche Frau. Der Mann hat endlich wieder einmal Arbeit – als Holzfäller –, die Kinder gehen sauber gekleidet, sie lernen in der Schule fleißig. Diese Margret Marquis soll zufrieden und von heiterer Gemütsart sein. Da ist also nichts herauszuholen. Nichts von Belang.«

      »Warum hat die Polizei den Patienten überhaupt vernommen? Was wollte sie herausbringen?«

      »In der Nacht, in der King bei Krause war, sind zwischen Krauses Werkstatt und dem Berghotel, in Wald und Busch, Schüsse gefallen; eine Hotelangestellte hat sie gehört und darüber ausgesagt.«

      »Was soll das mit King zu tun haben?«

      »Schüsse in der Nacht und ein vorbestrafter Meisterschütze in der Nähe, der stets mit Pistolen bewaffnet umherläuft – das genügt wohl für Verdacht und Vernehmung.«

      »Ergebnis des Verhörs?«

      »Gleich null. King kann ja weder sprechen noch schreiben.«

      »Warum haben Sie ihn nicht von vornherein als vernehmungsunfähig gelten lassen?«

      »Weil er das nicht wollte. Mit den Augen kann er zu mir sprechen.« Sligh zuckte bei den Worten »mit den Augen sprechen« unwillkürlich zusammen.

      »Aber ist es nicht merkwürdig, dass er verhört werden und sich selbst diese Gefahr und Anstrengung nicht ersparen wollte?«

      »Nicht merkwürdig, sondern kalt gedacht, meine ich. Wenn er an der Schießerei beteiligt gewesen sein sollte – so hat er aus den Fragen der Polizei kombinieren können, was man bis jetzt herausgefunden hat. Der Bursche ist ja nicht dumm. Wenn Sie mich nach meinem allgemeinen Eindruck fragen: Ich halte ihn für ein gefährliches Subjekt, dabei für einen ausgezeichneten Patienten, da man sich auf seine Willenskraft und Disziplin auch im Heilungsprozess wird verlassen können. Man muss ihn nur dafür gewinnen, dass er wieder bewegungsfähig zu werden wünscht. Vielleicht stellt er sich jetzt von Tod auf Leben um, nachdem er weiß, dass man noch kein Material in der Hand hat, um ihn in den Kerker oder auf den elektrischen Stuhl zu bringen.«

      »Entschuldigen Sie, Miller, wenn ich Ihnen mit dieser Rothaut Scherereien gemacht habe, ich konnte das nicht voraussehen.«

      »Bitte. Der Fall ist medizinisch interessant, einfach extraordinär. Rothaut hin und her, Gangster oder nicht – wenn der Mann wieder gesundet, sind Sie berühmt, Sligh.«

      »Interessiert mich weniger. Der Ruhm bleibt Ihrer Klinik, Miller.«

      »Okay, Sligh, teilen wir. Noch eins – wissen Sie, woher Mrs King das Geld für die Privatbehandlung nimmt? Die Polizei wundert sich, dass eine Prärie-Indianerin solche Summen aufbringen kann. Die Polizei ist sehr erstaunt. Eine erstaunte Polizei pflegt zu verdächtigen …«

      Sligh schnappte einen Augenblick nach Luft wie ein an Land geratener Fisch, bis er wieder in die Wellen glatter Argumentation zu gleiten vermochte.

      »Verdächtigt? Wen?«

      »Wen? Natürlich King und nicht etwa Sie.« Miller fand Freude daran zu ironisieren. Einen kleinen Denkzettel sollte Sligh, der Miller einen rothäutigen Kriminellen ins Nest geschmuggelt hatte, davontragen.

      »Ich kann der polizeilichen Phantasie in diesem Fall nicht folgen, Miller. Von der King-Ranch werden ein paar wertvolle Pferde verkauft, damit erledigt sich der finanzielle Teil der Angelegenheit.«

      »Die Ranch ist rentabel? Danke, damit erklärt sich natürlich alles.«

      Roger Sligh, M. D., legte den Hörer auf. Seine Stimmung war durch das Gespräch nicht ausgeglichener geworden. Gefährliches Subjekt … willenskräftig … kalt berechnend … woher kam das Geld? Erpresser?

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