Stein mit Hörnern. Liselotte Welskopf-Henrich
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Название: Stein mit Hörnern

Автор: Liselotte Welskopf-Henrich

Издательство: Автор

Жанр: Исторические приключения

Серия:

isbn: 9783938305645

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СКАЧАТЬ in der Hand. Den kleinen Jungen wies er zurück ins Haus.

      Die Herbstnacht war still.

      In der Ebene zu Füßen der waldigen Berge strahlten die Lichter von New City und seinem kleinen Flugplatz. Die betonierte Straße zog sich von dort herauf und verlief sich in den Höhen und Wäldern. Sie lag einsam und verlassen; kein Wagen bewegte sich darauf. Der Strom der Ferienreisenden war längst versiegt. Das Hotel oben in den dunkel bewaldeten Bergen hielt nur noch kleinen Betrieb aufrecht; die wenigen Lieferwagen fuhren bei Tage. Geschäftsreisende nahmen die Straßen, die den Bergstock umgingen. Krause atmete Wald und Kühle und schaute in die Dunkelheit. Er liebte es sonst, des Abends eine Stunde vor dem Haus zu stehen, aber heute liebte er es nicht. Sein Atem ging kurz.

      Das Sportcabriolet, ein Zweisitzer, stand unberührt vor dem Gartenzaun, der Motor lief nicht. Stonehorn war nirgends zu sehen. Er musste im Busch unterwegs sein, oder sie hatten ihn gleich vor dem Haus überfallen und verschleppt. Möglich war in diesem Lande alles.

      Krause sehnte sich manchmal nach seiner alten Heimat zurück, aus der ihn der Vater als zehnjährigen Jungen mit nach Amerika genommen hatte, und doch dachte er nie daran heimzukehren. Die Erinnerung hatte ihn auch in diesem Augenblick nur wie ein flüchtiger Flügelschlag gestreift.

      Seine Augen stellten sich auf die Dunkelheit ein. Er sah Stonehorns Jacke hinter dem Wagen am Boden liegen. Nachdem Krause lange in den Busch jenseits des Weges hineingelugt hatte, erkannte er zwischen Geäst den breitkrempigen Cowboyhut.

      Es blieb so still, als ob die Berge ein großes Grabmal geworden seien, das der Himmel überwölbte. Ihre Masse wirkte schwer, finster; sie drückte dem gealterten Mann auf Sinn und Herz, und er hatte Angst um Stonehorn. Während er horchte und spähte, gingen ihm noch einmal die Worte durch den Sinn, mit denen Elisha Field sich vor einer Stunde verabschiedet hatte: »Heute nacht mal sehen, wer der Bessere ist. Aber ich denke, der Leo.«

      Die Worte waren an Krause vorübergeglitten, ohne dass er sie ergriff. Krause hatte für Rugby nichts übrig. Aber nun hob er die hingeworfenen Worte auf und betrachtete sie von mehreren Seiten wie einen verdächtigen Fund. Es stieß ihm auf, dass Rugby nicht des Nachts gespielt wurde und dass Leo Leonard Lee sein konnte. Frei und unverschämt hatte Elisha von Leo und von – ja wovon? – gesprochen.

      Es war dem Handwerker, der noch immer vor seiner Werkstatt stand, als ob sich hoch oben am Berg zwischen Busch und Waldrand etwas bewegt habe. Vielleicht war es aufgestörtes Wild.

      Krause lud durch und behielt die Büchse in der Hand. Er glaubte, im Waldtal zur Seite des buschbestandenen Hanges, der hinter dem Haus aufstieg, Schüsse zu vernehmen. Doch war die Entfernung groß, und ein Pistolenknall klang dünn. Krause konnte sich getäuscht haben.

      Der Indianerjunge neben ihm hatte schärfere Ohren.

      »Dad, es schießt mehr als einer. Antwortet Stonehorn? Weißt du es?«

      »Ich weiß es nicht. Er hat einen Schalldämpfer.«

      Durch Frage und Antwort war der Handwerker auf das Kind aufmerksam geworden. Er schickte es wieder zu Bett.

      Als der Junge Gute Nacht sagte, schmiegte er sich zärtlicher an, als es sonst seine Art war.

      »Hilfst du Stonehorn, Dad?«

      »Wenn ich nur wüsste, wie.«

      Der Junge lief ins Wohnhaus, machte aber kein Licht und verschloss auch die Tür nicht.

      Es fiel ein Schuss aus einem Gewehr. Das hätte auch ein Jäger sein können.

      Krause horchte wieder. Solange geschossen wurde, war Stonehorn noch am Leben. Vor dem letzten Schuss – jedenfalls – musste er noch am Leben gewesen sein.

      Der Lauschende meinte, noch einmal Pistolen zu hören. Maschinenpistolen waren es nicht. Die Mordburschen wollten nicht zu auffällig arbeiten.

      Es wurde wieder still. So still, wie es gewesen war, ehe die Schüsse fielen.

      Stiller, weil die Schüsse verklungen waren.

      Der Busch lag schwarz da, unbeweglich.

      Die Sterne glänzten.

      Plötzlich sprang Wind auf; es rauschte in den Wipfeln der fernen Kiefern, die Büsche neigten sich.

      Krause hörte einen Schrei, der furchterregender klang als das Schreien eines Tieres. Stimme eines Mannes – Stimme einer Frau? Das Menschliche war geschwunden, nur das Entsetzen wirkte.

      Es knackte im Holz wieder und wieder. Alle diese leisen, fernher klingenden Geräusche kamen von derselben Stelle. Schatten spielten dort. Im Busch waren sie handgreiflich.

      »Mal sehen, wer der Bessere ist … ich denke, der Leo.«

      Leonard Lee war ein Totschläger und ging nie ohne Kumpane auf Mord aus. Krause wusste es.

      Der Mann schloss die Werkstatt ab und versteckte sich in seinem Wohnhaus. Im Bett saß der Junge, aufrecht, starr. Er hatte die Augen aufgerissen; wie zum Hohn spiegelte sich darin das letzte auslaufende Blinken eines Sterns.

      Der Junge musste heimlich an der Tür gewesen sein. Sein ganzer Körper war noch ein Horchen.

      »Dad! Sie morden Stonehorn. Du musst ihm helfen!«

      Der Mann blieb die Antwort schuldig. Er hätte sagen können: »Gegen die da draußen bin ich zu alt und schon zu steif.« Er hätte sagen können: »Wir wohnen abgelegen, und ich habe viele Kunden; ich muss mich heraushalten.« Er hätte sagen können: »Stonehorn brauchte nicht im Dunkeln aus dem Haus zu gehen.«

      Aber er sagte das alles nicht, weil Worte, die nichts bewirkten, überflüssig waren, und so blieb er dem Kind die Antwort schuldig.

      Der Junge betete inbrünstig zu dem Gott der Indianer. Er betete leise, und schließlich hielt er die Hand vor die Lippen, um jeden Laut abzufangen.

      Die geschlossene Tür ließ die Geräusche aus dem Busch nicht herein. Krause hockte sich auf die Bettkante. Die Schusswaffe behielt er durchgeladen in der Hand.

      Weder der Mann noch das Kind hätten sagen können, wie lange sie so warteten. Sie vergaßen das Ticken der Kuckucksuhr.

      Es klopfte dann, ohne dass sie jemanden hatten kommen hören. Je zweimal kurz hintereinander hatte jemand geklopft. Das war das Zeichen von Freunden. Wer gab sich als Freund aus?

      Krause stand auf; mit steifen Knien ging er zur Tür. Er öffnete und erkannte den Schattenriss von Stonehorn; er erkannte die lange Gestalt des jungen Indianers, das schmale Gesicht, die Jacke, den Hut, das Jagdgewehr. Rasch ließ er ihn ein und verschloss die Tür hinter ihm.

      Der Zurückgekehrte keuchte. Gleich neben der Tür ließ er sich auf einen Hocker fallen; die Wand gab ihm eine Rückenstütze.

      Er schluckte, würgte an irgendetwas, brachte es nicht heraus, schluckte wieder.

      Er fing an, seine Schusswaffen im Dunkeln zu reinigen und wieder zu laden. Es ging schnell, obgleich er die linke Hand nur zum Halten gebrauchte. Er hatte außer dem Jagdgewehr zwei Pistolen dabei. Die dritte, neue, fehlte.

      Krause machte kein Licht an, nicht einmal eine Kerze.

      Als СКАЧАТЬ