»Mein Name ist Angermüller, das ist mein Kollege Jansen. Wir sind von der Kripo Lübeck und würden gern wissen, ob Sie in den letzten Tagen am Pönitzer See etwas Ungewöhnliches beobachtet haben.«
»Ach, zwei echte Kommissare, wie interessant! Was könnte ich denn beobachtet haben?«
Der Mann schaute die beiden mit plötzlichem Interesse an.
»Das wollen wir ja von Ihnen wissen, Herr …«, Angermüller lugte auf das Klingelschild, »Herr Arthur Döpper?«
»Genau. Hat jemand Gift ins Wasser entsorgt? Oder gab’s ein Bootsunglück? Wurde eine Leiche versenkt?«
»Dazu können wir leider nichts sagen«, der Kommissar zeigte zum Hochparterre, »aber Sie haben aus dieser Loggia ja einen perfekten Blick über den See.«
»Aber leider keine Zeit, den ganzen Tag die schöne Aussicht zu genießen.«
»Wie auch immer, haben Sie am gegenüberliegenden Ufer etwas von einem Brand bemerkt, Rauch, Feuer …?«
Nach kurzem Nachdenken verneinte Arthur Döpper mit einem Kopfschütteln und schien auch schon wieder das Interesse an der Unterhaltung verloren zu haben.
»Nee, da kann ich leider nicht mit dienen, meine Herren. Und jetzt entschuldigen Sie mich, ich muss zurück an meinen Schreibtisch.«
Damit wollte er die Haustür schließen, doch Jansen deutete auf die beiden Namenschilder unter der Klingel und fragte schnell:
»Was ist mit diesem Herrn Durand, Ihrem Mitbewohner? Könnten wir den mal sprechen? Vielleicht hat der ja was mitbekommen.«
»Tut mir leid, Alain Durand ist momentan nicht hier. Der ist sowieso eher selten da, hat seinen Hauptwohnsitz in Frankreich. Im Westen, bei Arcachon, wenn Ihnen das was sagt. Also dann, auf Wiedersehen, ich habe zu arbeiten, für Monsieur Durand im Übrigen.«
Er nickte mit einem schiefen Grinsen, das eher überheblich als sympathisch wirkte, und schob die schwere Haustür zu. Erstaunt über das abrupte Ende des Gesprächs sahen Angermüller und Jansen sich an und zogen dann weiter zum Nachbargrundstück, wo hinter einem hohen Zaun ein schickes, modernes Hanghaus mit riesiger Dachterrasse thronte.
»Wohl alle ausgeflogen bei der Familie. Ach so, Familie Bogdanovic«, meinte Jansen, als auf sein Klingeln nichts passierte und sah interessiert zu dem stattlichen Gebäude.
»Du sagst das so, Familie Bogdanovic. Kennst du die?«
»Weiß nicht, keine Ahnung. Ich hatte vor Jahren mal mit einem Bogdanovic zu tun, als ich noch beim Rauschgift war. Von der Terrasse da oben haben die jedenfalls einen Spitzenblick über den See. Schade, dass keiner daheim ist.«
In dem vollkommen von Efeu überwucherten Häuschen nebenan wurde, kaum, dass Angermüller den Klingelknopf betätigt hatte, über dem »Eleonora Dose« auf einem getöpferten Schild stand, sofort die Tür geöffnet.
»Ach, da sind Sie ja. Immer rin in die gute Stube«, forderte sie eine Frau mit langem weißem Haar auf. Sie trug einen auffällig gemusterten Kaftan und um den Hals eine mächtige Glasperlenkette. Es war Angermüller sofort klar, dass sie nicht die Kommissare erwartet hatte, und er zückte seinen Ausweis, auf den sie einen verdutzten Blick warf.
»Kriminalpolizei?«
»Frau Dose, nehme ich an? Mein Name ist …«
»Sind Sie nicht wegen des Interviews hier?« unterbrach sie ihn. »Ich erwarte nämlich ein paar Journalisten, die über meine Forschungen zur Geschichte von Klingberg berichten wollen. Sicher wissen auch Sie nicht, dass unser Ort Anfang des letzten Jahrhunderts als eine Siedlung von Freidenkern entstanden ist. Vegetarismus, Nudismus, organische Architektur, Reformpädagogik – all das hat es hier gegeben, bis dann …«
»Das hört sich sehr interessant an, Frau Dose, aber wir sind wegen anderen Ermittlungen unterwegs und haben nur eine kurze Frage: Haben Sie in den letzten Tagen um den Pönitzer See etwas Auffälliges bemerkt, zum Beispiel ein Feuer, ungewöhnliche Rauchentwicklung?«
»Nichts, gar nichts«, bedauerte Frau Dose. »Ich war zwar fast die ganze Zeit zu Hause, aber so mit meinen Studien beschäftigt, da vergesse ich alles um mich herum, wissen Sie.«
»Dann entschuldigen Sie bitte die Störung. Wiedersehen, Frau Dose«, verabschiedete sich Angermüller.
»Kein Problem. Ja, Wiedersehen, und falls Sie mal das letzte Originalgebäude aus Klingbergs Gründerjahren sehen wollen: Unser sehr reger Kulturverein ist in der Kleinen Waldschänke untergebracht, einfach auf der Seestraße ein paar 100 Meter rechts.«
Mit einem kurzen Winken verschwand Frau Dose hinter ihrer Tür.
»Mann, die konnte ja schnacken«, kommentierte Jansen leicht ermattet, als sie wieder auf die Straße traten.
»Aber war doch ganz interessant. Wusstest du, dass Klingberg mal ein Hort von Freigeistern war? Ich nicht.«
»Nee, ich auch nicht. Aber das bringt doch alles nix hier, wir verdaddeln nur unsere Zeit.«
»Na komm, ein paar Versuche noch.«
»Du kannst manchmal aber auch ’n echter Sturkopp sein!«
Jansens Laune ging immer weiter in den Keller, als sie im Haus nebenan niemanden antrafen und die Bewohner des nächsten wieder nichts mitbekommen hatten.
Ein Van fuhr in den Carport auf dem Nachbargrundstück, die Hintertüren sprangen auf, und drei Jungs rannten lärmend auf die Haustür zu.
»Hey, das geht ja wohl gar nicht! Könnt ihr mal was tragen helfen, ihr Faulbären?«, rief eine junge Frau und stieg aus der Fahrertür. Mit lautem Geheul stürmte die Truppe zurück und stürzte sich auf den Kofferraum.
»Moment! Lino, nimmst du bitte die Tüte mit den Brötchen und Levi die mit den Äpfeln. Leon, mein Großer, du trägst die Limoflaschen. So, Abmarsch!«
»Guten Tag, Sie wohnen hier?«
»Ja«, antwortete zögerlich die Mutter der munteren Kids.
»Entschuldigen Sie …« Angermüller zeigte den Dienstausweis, stellte Jansen und sich vor und stellte ihr die Frage nach Beobachtungen rund um den See. Auch sie schüttelte nach kurzem Nachdenken den Kopf.
»Tut mir leid, da kann ich nicht helfen.«
»Mama, Mama«, rief aufgeregt der älteste, vielleicht zehn Jahre alte Junge, der nicht seinen Brüdern zum Haus gefolgt war und die Frage der Kommissare gehört hatte.
»Ich hab was gesehen, Mama!«
»Was hast du denn schon wieder gesehen, Leon?«, fragte seine Mutter und verdrehte die Augen.
»Wissen Sie, der Leon ist ein sehr fantasiebegabtes Kind und erzählt oft richtig spannende Geschichten«, wandte sie sich an Angermüller und Jansen.
»Ich СКАЧАТЬ