Lasst uns Paradiese pflanzen!. Timm Koch
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Название: Lasst uns Paradiese pflanzen!

Автор: Timm Koch

Издательство: Bookwire

Жанр: Изобразительное искусство, фотография

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isbn: 9783864898150

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СКАЧАТЬ klarmachen, dass der Apfel das angestammte Biotop der Raupe des Apfelwicklers ist. Da wir es zusätzlich mit einer heimischen Tierart zu tun haben, sollten wir dem Schmetterling ein Recht auf diesen Lebensraum zugestehen. Sodann müssen wir uns fragen, wie er in die angestrebte Wiederherstellung der Artenvielfalt hineinpasst.

      Generell werden Äpfel in drei Anbauformen kultiviert: Zum einen wäre da die Apfelplantage, zum anderen der private Garten und zum Schluss die Streuobstwiese. Auf der Plantage wird, wie oben beschrieben, rigoros gegen den Apfelwickler vorgegangen. Selbst manche Hobbygärtner spritzen ihre Äpfel, beziehungsweise greifen sie zu Mitteln der biologischen Schädlingsbekämpfung. Andere lassen der Natur ihren Lauf. Auf der Streuobstwiese, mit ihren alten, großen Bäumen lässt man in der Regel den lieben Gott einen guten Mann sein und unternimmt gar nichts gegen die Schmetterlinge, außer vielleicht ein paar Meisenkästen aufzuhängen.

      Je industrieller Äpfel heute kultiviert werden, desto geringer ist auch die Artenvielfalt: Auf der Apfelplantage ist sie sehr gering. Im Hauptanbauland China gibt es Gegenden, in denen Insekten ausgerottet sind und künstlich mit der Hand für Bestäubung gesorgt werden muss. Die Plantage ist eine Monokultur und als solche sehr empfindlich. Da macht man als Apfelbauer gern alles unschädlich, was nicht Apfelbaum ist. Wildkräuter, die mit den Bäumen um Nahrung konkurrieren, werden genauso ausgemerzt wie apfelliebende Insekten oder Mäuse, die an den Wurzeln nagen.

      Der Hausgarten ist da als Lebensraum schon wesentlich interessanter. Er ist kleinstrukturiert, und da jeder etwas anders gärtnert als der Nachbar gibt es eine große Vielfalt an Lebewesen. Als das Eldorado der Artenvielfalt gilt hingegen die Streuobstwiese. Hier tummeln sich Apfelwickler mit Steinkäuzchen, Baumschläfern, Hummeln und grasendem glücklichen Vieh. Auf Streuobstwiesen wird im Unterschied zu Kleingärten oder Plantagen auf den Hochstamm oder Halbstamm gesetzt. Im Erwerbsobstbau werden die Apfelbäume als Busch gehalten, der an Spalieren wächst. So lässt es sich leichter ernten und spritzen.

      Den Unterschied zwischen den verschiedenen Wuchsformen macht die Wurzelunterlage. Der Busch wächst auf der sogenannten M9, die bereits 1917 in der englischen East Malling Research Station selektioniert wurde. Sie ist so etwas Ähnliches wie das Hybridhuhn für den Apfelbauern. Bäume, die auf diesem Wurzelstock wachsen, sind schwachwüchsig, sehr ertragreich, aber auch sehr empfindlich und müssen ein Leben lang mit einem Stock gestützt werden, sonst fallen sie um. Halbstämme hingegen wachsen auf Unterlagen, wie beispielsweise der M106, die einen mittelstark wachsenden Baum bildet, der schöne Früchte hat und gleichzeitig stabil ist.

      Beim Hochstamm wird der Edelreis einer meist altbewährten Apfelsorte auf eine Sämlingsunterlage gepfropft. Man geht also hin, sät einen Apfelsamen aus, lässt ihn keimen und einen Schoss bilden, den man vor der Veredelung abschneidet. Auf die so gewonnene Wurzel pfropft der Baumschuler robuste, altbewährte Sorten, die oft nur regional verbreitet sind, wie etwa den Tulpenapfel. Sodann erzieht man das junge Stämmchen auf eine Länge von zwei Metern oder mehr, so dass man einen hohen Kronenansatz bekommt. Damit macht man nicht nur potenziellen Apfeldieben das Leben schwer. Hochstämme sind die stabilsten Bäume mit der höchsten Lebenserwartung.

      Leider stammen die allermeisten Äpfel, die heute verkauft werden, von der lebensfeindlichen Plantage. Äpfel von Streuobstwiesen werden, wenn überhaupt, meist zu Saft verarbeitet. Sehr oft macht sich auch niemand die Mühe, sie aufzusammeln. Kühe oder Schweine, die das wertvolle Obst in Fleisch oder Milch umsetzen könnten, stehen in Ställen und fressen Soja von gigantischen Monokulturen, die auf gerodeten Urwaldflächen gedeihen.

      Dabei wäre es kein Problem, den gesamten Bedarf an Äpfeln mit Hochstämmen zu decken, die in artenreicher Umgebung wachsen. Wo wir wieder bei unserem Apfelwickler wären. Wenn wir ihn als das akzeptierten, was er nun einmal wirklich ist, nämlich ein wichtiger Baustein des Lebens, der zum lebensspendenden Apfelbaum einfach dazugehört, wäre dies auch für unsere Gesundheit viel besser. Es leben allein in Deutschland rund vier Millionen Menschen, die allergisch auf Äpfel reagieren. Die Symptome können durchaus drastisch sein: Atemnot, Anschwellung der Mundschleimhaut, der Zunge oder des Rachens und Quaddelbildungen auf der Haut, um nur einige zu nennen. Die alten Sorten auf Hochstämmen hingegen sind auch für Apfelallergiker oft problemlos essbar. Vor allem, wenn sie rot sind, enthalten sie wenig Allergene. Wer Obst von Streuobstwiesen isst, ist keinen Pestizidrückständen ausgesetzt. Ganz zu schweigen von all den Menschen, die auf Apfelplantagen arbeiten müssen und oft selbst nur sehr unzureichend gegen die dort ausgebrachten Gifte geschützt sind. Ein Apfel aus dem Erwerbsobstbau erhält bis zu 31 Giftduschen, ehe er in den Handel kommt.1 Viele der eingesetzten Stoffe sind krebserregend und auch sonst alles andere als gesund. Weder für uns noch für unsere Böden noch für unsere Gewässer. Wenn jeder Einzelne sich klarmacht, dass der Apfelwickler ein wichtiger Teil unseres Ökosystems darstellt und allein deshalb unser Freund sein sollte, ist das eigentlich nur ein kleiner gedanklicher Schritt, für das Entstehen von Paradiesen aber von riesengroßer Bedeutung.

      Am Ende, wenn wir diesen Schritt im Kopf gegangen sind, sollten wir uns fragen, wie wir uns die Raupe sonst noch zunutze machen können. Bevor wir angefangen haben, einen Chemie- und Biowaffenkrieg gegen den kleinen Schmetterling zu führen, sind wir ja über viele Jahrtausende bestens mit ihm klargekommen. Der Wurm im Apfel hat auch einen ganz praktischen Vorteil: Er sorgt dafür, dass der von ihm befallene Apfel früher reift. Er zieht die Ernteperiode damit nach vorne und macht die frischen Früchte länger für uns zugängig. Man braucht die Würmer nur herauszuschneiden und erhält leckeres, süßes Fruchtfleisch, an dem wirklich nichts auszusetzen ist. Man kann es entweder frisch essen, oder macht Apfelsaft oder Apfelmus daraus. Für Schweine sind sie eine prima Mast mit Proteinbeilage. Während man also die frühreifen Äpfel schon wunderbar verwenden kann, können die unbefallenen Äpfel ihren optimalen Reifezeitpunkt erreichen.

      Sicherlich gibt es andere Organismen, die sich schädigend auf unsere landwirtschaftlichen Kulturen auswirken, bei denen die Schließung einer Freundschaft wesentlich schwerer fällt als beim Apfelwickler. Nehmen wir mal den Echten Mehltau der Weinrebe (Erysiphe necator). Dieser gehört zu den Schlauchpilzen und kam in der Mitte des 19. Jahrhunderts von Amerika nach Europa. Der Falsche Mehltau der Weinrebe (Plasmopara viticola) und die Reblaus kamen ebenfalls aus Amerika und haben den Weinbau weltweit drastisch verändert. Die beiden Pilzkrankheiten und die Laus haben allesamt im Laufe der Evolution Wege gefunden, sich an die amerikanische Wildrebe zu binden, ohne diese zu zerstören. In die alte Welt gelangt, verursachten die Neozoen gewaltige Probleme, weil die hier kultivierten Reben die evolutionären Anpassungen nicht mitgemacht haben. Dummerweise schmecken die Rebsorten, die man aus den resistenten Reben daraufhin herausgezüchtet hat, nicht sonderlich gut. Ich selbst habe ein paar Weinstöcke der resistenten Sorte Muscat Bleu, die aus einer Kreuzung zwischen den beiden Varianten entstanden ist. Sie kommt komplett ohne Spritzung aus, ist allerdings in Deutschland nur als Tafeltraube zugelassen. Das heißt im Klartext: Wer aus ihr Wein keltert, macht sich in Deutschland strafbar. Ein Geschenk des Gesetzgebers an die agrochemische Industrie? – Vielleicht. In der Schweiz jedenfalls wird die Sorte von Biowinzern angebaut. Wie man hört, soll das Ergebnis ganz passabel sein. Ich kenne eine Person, die aus unserer Hausrebe einmal einen Roten gekeltert hat, vom Ergebnis war ich aber nicht wirklich überzeugt. Ein anständiger Cabernet Sauvignon schmeckt mir eindeutig besser. Für Weinenthusiasten sind neue Züchtungen oft sehr gewöhnungsbedürftig. Autochthone, oft uralte Rebsorten sind Ausdruck der Vielfalt unserer Europäischen Weinkultur und ihr Erhalt ein hohes Gut. Wie also umgehen mit dem Echten Mehltau in unseren Weinbergen, die als Monokulturen natürlich extrem anfällig für Schädlinge sind?

      Der Ökolandbau behilft sich mit einer ganzen Reihe von Maßnahmen. Neben rechtzeitiger Entfernung überschüssigen Laubs und einer Stärkung der pflanzlichen Zellstruktur durch Gaben von Kieselsäure hilft auch die Aktivierung des Bodenlebens durch Kompost, die Reben widerstandsfähiger zu machen. Wenn alles nichts nützt, spritzt auch der Biowinzer seinen Wein. Präparate auf Molkebasis machen dem Pilz das Leben schwer und sind für den Rest der Lebewesen im Weinberg kein Problem. Schwefelpräparate hingegen, obwohl im Biolandbau zugelassen, wirken СКАЧАТЬ