Lasst uns Paradiese pflanzen!. Timm Koch
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Название: Lasst uns Paradiese pflanzen!

Автор: Timm Koch

Издательство: Bookwire

Жанр: Изобразительное искусство, фотография

Серия:

isbn: 9783864898150

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СКАЧАТЬ erodiert durch sinkende Preise.«1

      Ob die Qualität der Nahrungsgüter unter den regelmäßigen Pestizidduschen, denen sie in unserer landwirtschaftlichen Realität ausgesetzt sind, wirklich besser geworden ist, wage ich zu bezweifeln. Entscheidend ist aber etwas anderes: Unser gemeinsamer Schatz, die wun­derbare Vielfalt an Tieren und Pflanzen, ist in den Sog dieser »Landwirtschaftlichen Tretmühle« geraten und droht in ihm für immer verlorenzugehen. Die Produktionssteigerung hat auch unter Stalin geklappt. Wirtschaftlich ist die industrialisierte Landwirtschaft trotzdem nie geworden. Daran haben weder die Subventionen der Europäischen Union noch Kommandowirtschaft der Bolschewiken etwas geändert.

      In der Landwirtschaft geht der Trend Richtung großer Konzerne, die immer größere Flächen als Monokulturen bewirtschaften, immer größere Ställe für ihre Hybridsauen und Turbokühe bauen und so weiter. Wir werden die Biodiversität unseres Planeten nur dann erhalten können, wenn wir die Großen mit ins Boot holen. Was wäre also, wenn die sich diversifizieren? Wenn einer der großen Höfe also gleichzeitig Hühner, Schweine, Kühe, Schafe, Ziegen, Obst, Gemüse und Getreide produziert? Wir müssen Wege finden, sie dazu zu bewegen, sich die Biodiversität zunutze zu machen, statt sie mit Gift und Pflug und schwerem Gerät zu bekämpfen. Es gibt agrarische Systeme wie die Feld-Wald-Wirtschaft, oder Waldgärten und die Idee der Permakultur, die seit alters her erprobt und enorm ertragreich sein können. Sie sind unsere einzige Chance, wenn wir die Artenvielfalt retten und wiederherstellen wollen.

      Anfang der 1960er-Jahre rief der amerikanische Agrarökonom Norman Borlaug (1914–2009) die »Grüne Revolution« aus. Unterstützt durch die Rockefeller-Stiftung war es ihm gelungen, einen Weizen zu züchten, der durch seinen kurzen Halm in der Lage ist, eine unnatürlich schwere Ähre zu tragen. Dadurch konnte einerseits die Erntemenge enorm gesteigert werden, und Borlaug ließ sich feiern als den Mann, der Millionen vor dem Hungertod bewahrte. Andererseits waren die neuen Hochleistungszüchtungen auf intensive Düngung angewiesen und waren anfällig für Krankheiten. Mit der »Grünen Revolution« begann die Herrschaft von Kunstdünger und Pestiziden auf unseren Äckern. Heute, sechzig Jahre später, verbreitet sich unter dem Namen Zöliakie eine Weizenunverträglichkeit unter den Menschen, die epidemische Ausmaße angenommen hat. Das Getreide, das die Menschheit in ihrer Entwicklung derart gefördert hat, ist für viele giftig geworden. Nachdem anfangs pauschal das im Getreide vorkommende Gluten hierfür verantwortlich gemacht wurde, ist die Wissenschaft mittlerweile einen Schritt weiter. Das Gluten der neuen Weizenzüchtungen ist anders zusammengesetzt als jenes der althergebrachten Sorten. Zudem spielt die hohe Belastung mit Glyphosat, ohne welches der Turboweizen schlecht zurechtkommt, bei den Vergiftungserscheinungen eine entscheidende Rolle. Wir brauchen eine radikale Abkehr von der »Grünen Revolution« und eine Hinwendung zu altbewährten Konzepten. Dieses Rütteln an den Dogmen des Norman Borlaug wird sich für die Mehrheit der traditionell geschulten Agrarökonomen »spooky« anhören. Dennoch führt kein Weg an einer deutlichen Kursänderung vorbei.

      Damit dies gelingen kann, brauchen die Agrarökonomen dieser Welt sehr, sehr dringend Nachhilfe in Sachen Ökologie. Sie sind nicht die einzigen. Die Agrarwende, die wir eher gestern als heute bräuchten, um das Artensterben zu beenden, unsere Böden zu retten und unsere Ernährung dauerhaft zu sichern, muss zuallererst in unseren Köpfen stattfinden. Um zu zeigen, wie schwierig das ist, und wie es dennoch gelingen könnte, möchte ich den Leser auf ein Gedankenexperiment einladen, das ein kleines, aber hochinteressantes Insekt aus der Familie der Schmetterlinge zum Kern hat: den Apfelwickler. Ihm möchte ich das folgende Kapitel widmen.

      Den Wurm im Apfel lieben lernen

      Der Wurm ist gemeinhin das Symbol für Tod und Verfall und gleichzeitig des Neubeginns im ewig währenden Reigen des Lebens. Vor Kurzem wurden in unserem Dorf Rheinbreitbach zwei Tage lang die Höfe für einen großen Flohmarkt geöffnet. Über 240 Haushalte beteiligten sich und es kamen sogar Besucher aus dem fernen Köln. Wir waren natürlich auch dabei, mit ein wenig Trödel und einigen Gläsern Honig. Unter den Menschen, die unserem Hof einen Besuch abstatteten, war auch eine junge Mutter mit ihrem schätzungsweise zehnjährigen Sohn. Ich zeigte den beiden das Naturereignis eines riesigen Wespenschwarms in unserem Maulbeerbaum. Seit Tagen krabbelten die Tiere emsig und eigentlich völlig friedlich über dessen Blätter und knabberten an ihrer Oberfläche, ohne dass wir uns einen Reim darauf machen konnten. Der Junge hielt dabei einen grünen Apfel in der Hand und biss gerade herzhaft hinein, als er plötzlich das abgebissene Stück in hohem Bogen ausspuckte und den Apfel von sich schmiss. Im ersten Augenblick dachte ich, eine Wespe hätte ihn in den Mund gestochen. Das war es zum Glück aber nicht. Vielmehr hatte der Junge im angebissenen Apfel einen Wurm entdeckt und war zutiefst schockiert. Gemeinsam betrachteten wir den Wurm, der nun hilflos und todgeweiht, seines Apfels beraubt, über die Betonplatten unseres Innenhofs kroch.

      Der »Wurm« war in Wahrheit eine Schmetterlingsraupe des Apfelwicklers. Sie ist etwa zwei Zentimeter lang, hat kleine schwarze Warzen auf dem Körper und einen dunkelbraunen Kopf. Bei näherer Betrachtung sieht sie recht hübsch aus. Der ausgewachsene Schmetterling ist etwa einen Zentimeter lang, bei einer Flügelspannweite von bis zu 22 Millimetern. Von weitem betrachtet ist der kleine Wickler von eher unscheinbarer, grauer Farbe. Bei näherem Hinsehen offenbart sich eine faszinierende Musterstruktur innerhalb der unterschiedlichen Grautöne. Jedes Jahr werden zwei Generationen dieser Schmetterlinge geboren. Die erste zwischen Mai und Juni, die zweite zwischen August und September. Die Larven der zweiten Generation sind es, die entweder über die Fruchthaut oder über den verholzten Blütenstand in die Frucht eindringen, sich an Fruchtfleisch und Kerngehäuse laben und naturgemäß alles zukoten. Das Schmetterlingsweibchen legt ab Juli die dreißig bis sechzig Eier dieser zweiten Generation genau auf den unreifen Äpfeln ab. Nach sieben bis 15 Tagen schlüpfen die Raupen. Überwinternde Raupen sind ein wichtiges Nahrungsmittel für unsere Singvögel, die wir so lieben, wie etwa die Blaumeise.

      Der Apfel, in den der kleine Junge gebissen hatte, stammte wohl von einem der Apfelbäume in Rheinbreitbach und ganz sicher nicht aus der intensiven Landwirtschaft. In Äpfeln aus dem Handel findet man die Raupe des Apfelwicklers praktisch nie, denn man rückt dem vermeintlichen Schadorganismus mit verschiedenen Methoden zu Leibe. Im biologischen Anbau kämpft der auf Äpfel spezialisierte Bauer mithilfe von Viren oder dem Einsatz von Fressfeinden, wie etwa dem Ohrenkneifer, verschiedenen Wanzen oder Schlupfwespen gegen die Schmetterlingsraupen. Auch die Verwirrmethode kommt zum Einsatz, wenn etwa massenhaft künstliche Sexuallockstoffe, also Pheromone, versprüht werden. Die sehr artenspezifisch einsetzbare Methode hat den Effekt, dass die Schmetterlingsmännchen, die mit Schmetterlingen im Bauch auf der Suche nach paarungsbereiten Weibchen sind, vor lauter Wohlgerüchen so verwirrt sind, dass sie die Angebeteten einfach nicht mehr finden können.

      Konventionell, also mit gefährlichen Giften wirtschaftende Apfelbauern, entledigen sich der Raupen mit Larviziden wie Fenoxycarb, Methoxyfenozid oder Tebufenozid, die alle gemeinsam haben, dass sie die Häutung der Raupen stören und gefährlich für unsere Gewässer sind. Der Gebrauch von Fenoxycarb und Methoxyfenozid ist in Deutschland nicht zulässig, was aber natürlich nicht heißt, dass die Gifte nicht bei uns hergestellt werden dürfen. Nach Export und Anwendung im Ausland finden sie – wie so viele andere Gifte – durch importiertes Obst ihren Weg zu uns zurück.

      Die konventionelle Landwirtschaft hat den Apfelwickler zum Schädling erklärt. Für Chemiekonzerne wie Bayer-Monsanto, BASF oder Syngenta hingegen ist er ein absoluter Nützling, weil er Garant für den Absatz ihrer chemischen Produkte ist. Was mir bei dem kleinen Knirps so viel Respekt einflößt, ist seine enorme Widerstandsfähigkeit gegen die chemische Keule, die seit Jahrzehnten gegen ihn geschwungen wird. Selbst Biowaffen hält er tapfer stand.

      Dennoch bin ich fest davon überzeugt, dass es möglich ist, unsere Feindschaft mit diesem faszinierenden Insekt in eine Freundschaft umzumünzen. Auf den ersten Blick klingt das wie eine verrückte Idee. Dennoch müsste man sich keine Sorgen über Kundenschwund vor den Supermarktregalen СКАЧАТЬ