Brauch Blau. Julia Malik
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Название: Brauch Blau

Автор: Julia Malik

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

Серия: Debütromane in der FVA

isbn: 9783627022815

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СКАЧАТЬ sein. Sie hatten sich zusammen weiterentwickelt und verändert. Er hatte immer zu ihr gestanden, ihre Unsicherheiten ausgehalten. Sie war ihm dankbar.

      Er hatte sich die letzten Wochen vor dem Urlaub in seinem Zimmer eingeschlossen, kam nur raus, um neues Gras zu kaufen und essen zu gehen. Dazwischen arbeitete er. Sagte er. Die lange Zeit, bevor ein Spiel rauskam, war furchtbar anstrengend, und je anstrengender etwas war, desto mehr musste er kiffen. Auch er betrieb also aufopfernd Raubbau an sich, für die Familie! Das erschöpfte doch elementar! Das sah leider keiner. Immer ging es nur um sie, Mütter durften immer müde sein. Aber was war mit ihm? Er hatte ja die Verantwortung. Musste Geld verdienen. Ihre Launen aushalten, ihre Müdigkeit, das ganze Geschrei, das Chaos und die ständige Unruhe, seit die Kinder da waren.

      Und für Mallorca war endlich ein paar Tage Ruhe geplant. Er hatte extra kein Gras eingepackt, dann käme er schön runter. Man musste sich im Urlaub doch erholen, so war das vorgesehen. Und dafür gab es ein bewährtes Programm, nämlich ausgiebiges Frühstück mit Zeitung, Vormittagsschläfchen, Mittagessen, Siesta, gefolgt vom Aperitif, Essen, Drinks, dabei ununterbrochen Gespräche, also Vorträge seinerseits, im Urlaub wollte er endlich mal seine Ansichten teilen. Sonst denkt man leider immer nur vor sich hin, aber jetzt wollte das alles raus! Gewürdigt werden! Wenn nur er selbst sich immer so gut fand, war das einfach nicht ausreichend! Aber dauernd wurde hier dazwischengequäkt. Ganz unangenehm gebrüllt, obwohl er noch nicht zu Ende geredet hatte. Wie sollte er sich da merken, was er sagen wollte? Und immer stand die Frau auf. Nahm Kinder mit ins Bett und wollte dann trotzdem weiterknutschen. Das Kind am Busen! Diese Vermischung von Zuständen konnte er nicht aushalten.

      Irgendwann war es ihm gelinde gesagt zu blöd gewesen. Er hatte mehrere Whisky getrunken, damit diese unerfreuliche Phase des Abends, in der seine Frau wieder irgendeinem der alle zwei Minuten unter fremde Tische krabbelnden Kinder hinterherkroch, überbrückt werden konnte. Aber als sie dann – er hätte noch so vieles erzählen wollen, hatte sich auf seinen letzten Langstreckenflügen sogar durchs Lesen einer internationalen Zeitung und eines wöchentlichen Magazins gut vorbereitet – endlich die schwere Zimmertür öffneten und die Frau sich mit den zwei Kleinkindern im Arm auf das Doppelbett fallen ließ, legte er sich, ohne weiter um Land und Wort zu kämpfen, sofort auf das schmale Beistellbett.

      Vielleicht hatte es auch was Gutes. Da konnte er seine Klamotten anbehalten, ohne dass es groß auffiel. Musste nicht duschen, nicht warten, bis die Kinder schliefen, und dann noch eine Zärtlichkeit zu seiner Frau aufbauen. Er legte sich einfach mit dem T-Shirt, das er schon mehrere Tage anhatte und das ihm mit seinem privateigenen Geruch Geborgenheit spendete, hin, zog die saubere Decke über sich und schlief ein.

      Sie hatte ihn beneidet, während ihr die Kinder Arme und Beine um die Ohren pfefferten. Sie hatte dort im Bett gelegen, war so müde, aber ihr Kopf rumpelte wie nach einem zu schweren Essen. In diesem Urlaub lief einiges schief, das merkte auch sie. Aber sie hatte keine Ahnung, was sie dagegen tun sollte. Eines der Kinder schrie immer, und sie konnte sie ja schlecht weinend ins Zimmer sperren, um dann entspannt mit ihrem Mann auf der Terrasse einen Drink zu schlürfen und ihm zuzuhören. Sie versuchte, sich im Bett umzudrehen und das schleichende Gefühl, in ihrer Beziehung den Kern verloren zu haben, wegzuschieben, aber die Kinder pressten sich auf beiden Seiten dicht an sie. Sobald die Müdigkeit sie endlich kurz an den Meeresgrund drückte und damit den verrutschten Zustand der Gegenwart verwischte, schlug ihr aber schon wieder eine Kinderhand auf die Nase. Und nein, so konnte sie nicht schlafen, und morgen würde sie, übermüdet und dadurch überempfindlich, noch weniger Nähe zu ihm aufbauen können.

      Vielleicht könnte sie sich mit Herbert auf den kleinen Balkon setzen und beim Roomservice anrufen, damit ein livrierter Herr ein Tablett mit glänzenden Weingläsern brächte?

      Herbert schnarchte. Sie küsste ihn zärtlich auf seine verschwitzte Schläfe. Wenn er eine Kiffpause machte, befreite sich sein Körper mit dem Schweiß von allen Giften, dann roch er immer so. Sie spürte, wie sehr sie ihn liebte. Nein, jetzt ging das nicht mehr. Zu spät für den Balkonservice. Wenn er schlief, brauchte man zwölf Stunden nicht anzuklopfen. Sie versuchte, sich wieder zwischen die tretenden Körper einzufädeln. Sie hatte gedacht, er könnte warten. Die schwierige Zeit mit den kleinen Körpern abwarten. Auf sie. Bis sie wieder freier wäre. Aber er konnte wohl nicht.

      Kurz danach hatte er die Vigräne getroffen, die sich am Abend sehr gern bei Whiskey und Zigarette seinen Ansichten hingeben wollte. Die hatte auch nicht diese unliebsamen Kindervorgänge an der Backe.

      BRAUCH BLAU

      Sie könnte nicht sagen, wo das wäre, sie weiß nicht den Straßennamen, aber die Richtung stimmt. Sie eilt die Touristenmeile entlang, schiebt sich an den äußeren Rand zur Straße, um vorwärtszukommen, ein Bus drückt sie in die Menschenmenge zurück, Taschen und Telefone hacken ihr in die Rippen, Sonnenbrillen bedrohen ihr Gesicht, Geschwätz, die Busabgase, gleich kippt sie um, denkt sie, boxt sich aus dem trägen Gewühl und drängt dicht an den Hauswänden voran.

      Es muss hier gewesen sein. Sie steht vor einem schrabbeligen Altbau mit verheulter Fassade. Das frühere einheitliche Zitronengelb ist abgerutscht, jetzt hängen schwarze Augenringe unter den Fenstern. Der Verkehr hat seine Farbe hinterlassen, der Regen sie verwischt. Ein Schild trägt den Hotelnamen. Schräg gegenüber ist ihre Wohnung. Die Wohnung, wo Herbert und sie vor dreizehn Jahren eingezogen waren. Seit zwölf Monaten wohnt sie dort allein mit den Kindern.

      Als sie die Wohnung damals gefunden hatte, freute er sich wie ein Rohrspatz. Herbert schüttelte sich manchmal beim Lachen. Immer wenn es überschwappte, wenn seine Freude größer war, als er es aushielt, entstand dieses Schütteln, das sie mit etwas erfüllte, das sie als Freude empfand. Sie wollte, dass er immer glücklich wäre, wollte bei Wartezeiten am Flughafen seinen schlummernden Kopf in ihrem Schoß bewachen, ihn zum Aufwachen küssen, ihm ständig erzählen, was sie dachte, mit ihm teilen, wie es ihr ging, wollte nur an seiner Schulter ins T-Shirt heulen, wenn es überhaupt sein musste. Mit ihm essen gehen, über sich lachen müssen, weil sie immer dasselbe bestellen und jede Eigenart mögen. Bei der Geburt des ersten Kindes mit ihm Lachkrämpfe kriegen. Ihn anschauen. Sie hat gedacht, genau das sei Liebe. Dass man sich immer freute, mit dem anderen zusammen zu sein. Sie hatte geglaubt, dass Liebe niemals enden könne, dass das physikalisch nicht möglich sei.

      Jetzt ist sie aufgeregt, ihr linkes Augenlid zuckt, das Haus schwankt. Sie muss es festhalten! Warum ist sie hier? Sie kann sich nicht erinnern. Lücke. Ein gelbes Haus? Gegenüber von ihrem? Hat Larry, ihr bester Freund, der schöne Larry, sich etwas bestellt, das sie für ihn abholen sollte? Warum denn hier? Sie hat kein Geld. Nicht mal ein Telefon. Sie hat nichts dabei. Vielleicht wird sie einfach vor diesem Haus warten. Aber worauf?

      Ein Mann mit rotblonden Locken und einer selbst gedrehten Zigarette im Mund öffnet die Tür, stößt gegen sie, aber er reagiert nicht, schaut nicht auf, klopft nur sein Feuerzeug gegen den Handballen und zündet seine Zigarette an. Er atmet laut aus und schließt die Augen. Ein Moped knattert vorbei. Herbert hatte genau diese Löckchen bekommen, denkt sie, als er anfing, seine Haare wachsen zu lassen. Nach fünf Jahren als Berufssoldat stieg er plötzlich bei der Bundeswehr aus. Um ganz bei ihr sein zu können, hatte er gesagt. Sein kurzgeschorenes Haar. Wie es sie erregte, mit den Fingern darüberzustreichen, als sie sich kennenlernten. Die kitzelnde Berührung auf der Handfläche. Und auf einmal wuchsen ihm diese rotblonden Locken. Sie explodierte vor Lachen, weil er so anders aussah und von einem Tag auf den anderen endlos auf dem Sofa in ihrer Küche hing, nur, sobald sie aus der Hochschule nach Hause kam, wie ein Hund um sie herum sprang und aufgeregt von Videospielen erzählte, die er entwickeln wollte, während er seine Erdnussflips in der ganzen Wohnung verteilte und sie mit dem Pflanzenaroma seiner Joints umhüllte.

      Sie wühlt mit beiden Händen in ihren Manteltaschen. Der Mann zieht seine Augenbrauen hoch und lässt den Mund aufklappen, in seinem kurzen Bart glitzern graue Haare. »Was machst du denn hier«, bellt er, »wo warst du denn auf einmal, vorgestern?« СКАЧАТЬ