Dann beschließt Ihr, alle Register zu ziehen, und organisiert eine separate Sicherheitskontrolle nur für Eure Passagiere. Ihr müsst dafür extra zahlen, aber Ihr seid sicher, dass es sich rentiert, wenn Ihr damit die Träume Eurer Top-Kunden erfüllen könnt.
Mit Eurem überarbeiteten Plan kontaktiert Ihr diese Kunden erneut und bittet sie um Rat. Als Ihr hört: „Wann bieten Sie diesen neuen Service an?“, wisst Ihr, dass Ihr auf der richtigen Spur seid.
[29] Da Ihr wisst, dass Eure Top-Kunden lieber superproduktiv sein wollen, als unterhalten zu werden, streicht Ihr die In-Flight-Filme und das Audioprogramm, die für Eure aussortierten Kunden wichtig waren, die aber nie die richtigen waren. Dann streicht Ihr die Snacks für die Kinder. Jetzt habt Ihr Kosten eliminiert, die mit jenen Kunden einhergingen, die Ihr nicht haben möchtet. Und Ihr könnt einiges davon in das kostenlose WLAN-Angebot im Flugzeug stecken, eine Rezeptionistin engagieren oder Live-Streaming von CNN oder ähnlichen Nachrichtensendern anbieten.
Bevor Ihr anfangt, Euer neues tolles Angebot zu verbreiten, beschließt Ihr, dass es an der Zeit ist, Euch aus der Menge hervorzuheben. Es ist an der Zeit, den Wettkampf mit all den anderen Fluglinien aufzugeben. Also gebt Ihr Euch einen neuen Namen. Jetzt seid Ihr Elite Pendler Express – Ihr nennt Euch nicht einmal mehr Airline. Eure Nische bedient Geschäftsleute, die ihre Zeit nicht auf dem Weg zum und vom Flughafen verschwenden wollen, und Ihr besitzt ein Monopol auf diesen Service: Ihr habt ihn erfunden!
Eure Top-Kunden, die Euren Anruf vermutlich entgegengenommen hatten, weil sie in einem Taxi saßen und nichts Besseres zu tun hatten, wollen jetzt Mitglied in Eurem VIP-Club werden und buchen sofort ihre Flüge. Sie identifizieren sich mit Eurem neuen Namen, denn sie sind Pendler. Sie erzählen allen von Euch, und jetzt sind die meisten Eurer Flüge weit im Voraus ausgebucht.
Ihr beginnt Euch in konzentrischen Kreisen weiter auszudehnen, schaltet Anzeigen in Manager-Magazinen, im Wall Street Journal und auf bekannten Businessblogs. Ihr sponsert Golf- und Tennis-Wohltätigkeitsturniere in Vororten, in denen Eure Top-Kunden wohnen. Ihr stellt auf Messen aus, die sich an Unternehmer richten.
Dann implementiert Ihr Euer Weniger-versprechen-als-liefern-Programm, bei dem Ihr wenig versprecht und weit mehr liefert, sodass es Euren Top-Kunden schier die Jackets auszieht (Top-Kunden, die jetzt superglücklich sind). Ihr trefft Vereinbarungen mit anderen Unternehmen, die sich auf Manager und Pendler spezialisiert haben und bietet Produkttests auf Euren Flügen an. Ihr bietet Headsets an mit Störschallunterdrückung, hochwertige Kugelschreiber, neue WLAN-SIM-Karten, Smartphones – Eure Flüge sind wie Weihnachten in der verdammten Oprah-Winfrey-Show. Aber nicht immer. Passagiere wissen nie im Voraus, wann sie ein neues Produkt bekommen … Das bedeutet, dass Eure Flüge immer voll sind.
[30] Und bevor Ihr recht wisst, wie Euch geschieht, ist Elite Pendler Express die Fluglinie für alle Manager und Unternehmer an der Ostküste der USA. Euer Service ist unvergesslich, sodass Ihr häufig damit in den Medien seid. Und schon bald werdet Ihr angesprochen, ob Ihr Euer Angebot nicht ausweiten wollt – auf Routen von und nach Los Angeles, Las Vegas und San Francisco. (Nur gut, dass Ihr Euch in Pendler Express umbenannt habt – Big East Airlines mit Flügen an die Westküste passt einfach nicht…)
Und Eure Preise? Ihr nehmt jetzt ordentliches Geld. Die Reisezeit zu halbieren – und alles Generve komplett los zu sein –, darf was kosten. Weißt Du was? Ihr werdet weitere Flugzeuge brauchen.
[31] Kapitel 2: Ein langsamer, elender Tod
Ich lernte Bruce kennen, als ich das Fußballteam meines Sohnes trainierte. Ich nehme an, er erkannte mich, weil er nach dem Spiel zielstrebig auf mich zusteuerte. Bruce sieht aus wie ein alternder Typ aus der Fernsehserie Jersey Shore, der wirkt, als hätte er damals einen tollen Waschbrettbauch gehabt. „Ich habe den Klopapier-Unternehmer gelesen und Ihre Entwicklung der letzten drei Jahre verfolgt.“, sagte er. (Ich kann Dir gar nicht sagen, wie aufregend ich das finde, wenn ich KPU-Leser treffe, und wie dankbar ich bin, wenn sie mir erzählen, wie sehr mein Buch ihnen geholfen hat. Es ist aufregend und zugleich eine Lektion in Demut, denn es ist die Erfüllung dessen, was ich als Sinn meines Lebens definiert habe. Und wenn ich gefragt werde, ob ich ihr Buch signiere … dann mache ich beinahe nass – es ist ein Rockstar-Moment, von dem ich seit meiner Kindheit geträumt habe. Nicht das Nassmachen. Das Signieren.)
Ich dankte Bruce und er sagte: „ Ich brauche Sie. Ich wusste nicht, wie ich Sie kontaktieren sollte, aber es sieht mir jetzt aus wie göttliche Fügung …“
Bruce erklärte mir, dass er zwar 700.000 US-Dollar Umsatz pro Jahr erziele, aber fast insolvent sei. Er war Florist für Hochzeiten und andere Veranstaltungen, er vermietete auch weitere Ausstattung für Hochzeiten und betrieb einen Ausstellungs- und Verkaufsraum, der zugleich Fläche für andere Hochzeitsausstatter bot. Wir verabredeten uns in seinem Ausstellungsraum im Verlauf der Woche.
Als er mich herumführte, erklärte mir Bruce, dass er so pleite sei, dass er sich Geld von seinen Eltern hatte leihen müssen. (Um es deutlich zu sagen: Er ist kein Student, der sich mehr aufgehalst hat, als er stemmen kann. Er ist seit 20 Jahren im Geschäft.) Ich fragte ihn: „Welcher der Hochzeitsausstatter, an die Sie Fläche vermieten, macht am meisten Geld?“ Es stellte sich heraus, dass der Fotograf mit Abstand am besten verdiente. Er nutzte den allerkleinsten Raum im Laden, machte aber zehnmal mehr als Bruce. Und – ob Du es glaubst oder nicht – Bruce betreute die Kunden des Fotografen… weil der zu stark ausgelastet war, um überhaupt in den Laden zu kommen.
Bruce hat so viele verschiedene Hüte auf, dass er nicht nur pleite ist, er ist total fertig. Das ist keine große Überraschung – es gibt immer einen [32] direkten Zusammenhang zwischen unscharfem Fokus und unscharfem Kontenstand.
Während wir uns in seine teuren Ausstellungsmöbel setzen, um kurz über die nächsten Schritte zu sprechen, sagt er all die richtigen Dinge: „Es muss sich etwas ändern. Ich kann so nicht weitermachen. Ich habe keinen Fokus.“ Aber ich weiß, dass er noch nicht so weit ist. Er glaubt, dass er so weit ist, weil sein Leben aussieht wie eine einzige Katastrophe. Doch in Wirklichkeit ist er nur verzweifelt. Er fühlt sich geschlagen, aber nicht genug, um die harten und mutigen Entscheidungen zu fällen, die ihm helfen können, sein Unternehmen zu retten. Woher ich weiß, dass er noch nicht so weit ist? Weil ich aus dem Augenwinkel seinen Cadillac Escalade sehen kann, der vor der Tür steht. Ich an seiner Stelle hätte dieses Schätzchen vor Ewigkeiten verkauft.
Wenn unsere Unternehmen vor dem Zusammenbruch stehen, machen wir Unternehmer drei Stadien durch. Zuerst geben wir nicht zu, dass wir kämpfen. Du weißt, was ich meine. Jemand fragt Dich, wie’s Deinem Laden geht und Du antwortest: „Großartig! Ich habe gerade einen neuen Großkunden an Land gezogen!“ Doch im Innern spürst Du, wie sich Deine Lungen zusammenziehen, während der Stresslevel steigt. Es steht nicht zum Besten. Geld verschwindet durch alle Ritzen – und zwar schnell. Doch Du hast Angst, zuzugeben, wie es um Dich steht – was passiert, wenn die Leute denken, dass Du es nicht drauf hast? Was, wenn potenzielle Kunden Dich ignorieren? Was, wenn Dein Team beginnt, an Dir zu zweifeln? Im Ersten Stadium des Zusammenbruchs leugnen Unternehmer die Wahrheit, weil ihr Ego nicht damit zurechtkommt.
Wenn das Unternehmen aber bei Gevatter Tod anklopft, geben wir zu, dass wir ein Problem haben. Jetzt folgt das Zweite Stadium. Für viele ist der Stress mittlerweile zu einem Teil des Lebens geworden. Gestresst aufwachen. Gestresst zu Bett gehen. Gestresste Träume haben. Vom Stress gestresst sein. Wieder und wieder. Auf eine völlig perverse Art und Weise, beginnst Du stolz auf Deinen Stress zu sein. „Du glaubst, Du hast es schwer?“, sagst Du. „Tja, lass Dir mal erzählen, wie beschissen mein Leben ist.“ Selbst in diesem Stadium wird noch nicht korrigiert, weil die Menschen sich СКАЧАТЬ