[15] Kapitel 1: Ein Kürbis von einer halben Tonne ist dabei, Dein Leben zu retten
„Der Typ willst Du nicht sein, Mike.“
Frank, mein siebzigjähriger Unternehmensmentor, legte eine Pause ein, um sicherzugehen, dass ich wirklich zuhörte. Wir hatten den ganzen Morgen damit verbracht, meine Strategie zu besprechen, und ich war so überfordert, dass mein Kopf kurz vorm Implodieren schien. Frank sieht aus wie ein „Greatest Generation“ Reg Philbin, der immer im Anzug herumläuft, sogar zu Hause. Er ist so bescheiden, dass Du niemals auf die Idee kämst, dass er ein 80-Millionen-Dollar-Business gegründet hat. „Welcher Typ?“, fragte ich.
„Dieser alte Typ mit nur noch einem Ei …, das aus seinen Shorts hängt. Dieser Typ, der fünfzig Jahre lang wie ein Tier schuftet und dann in einem rostigen Gartenstuhl sitzt, halbtot, der Speichel tropft ihm das Kinn runter.“
Ah. Der Typ.
Frank war schonungslos: „Wenn Du Deine Unternehmensstrategie nicht änderst, wirst Du es niemals packen. Du bringst Dich selbst um, bei dem Versuch, ein Millionen-Business aufzubauen. Aber am Ende bist Du ein kaputter, bitterer alter Mann, der von Sozialhilfe lebt und auf ein Leben voller Enttäuschungen zurückschaut.“
Wow. Ok. Das wäre blöd. Soviel zu meinem Plan, in der Rente an irgendeinem Strand Cocktails zu schlürfen und mit meiner wundervollen Frau den wundervollen Sonnuntergang zu genießen. Schlimmer noch. Ich wusste, dass ich schon in diese Richtung unterwegs war. Fünf Jahre als Unternehmer, und ich hatte nichts in der Hand. Na gut, also fast nichts – ich hatte immer noch beide Eier … noch.
Ich war ein verfluchter Sklave meines Unternehmens und konnte nichts vorweisen außer stressbedingte rote Flecken in meinem Gesicht (habe nie rausgefunden, was das war). Meine Arbeitszeit war der reine Wahn, und wenn ich mal Zeit für meine Frau und unseren fünfjährigen Sohn hatte, dann war es gemogelte Zeit – ich saß an meinem Laptop oder war am Telefon oder sprach übers Geschäft oder dachte darüber nach. Ich war kein Bisschen auf die beiden wichtigsten Menschen in meinem Leben konzentriert. Ich war völlig aus dem Gleichgewicht. Vielleicht [16] kennst Du dieses Szenario. Vielleicht kennst Du es sogar sehr, sehr gut. Vielleicht hast Du ja auch dieses rotfleckige Ekelzeug im Gesicht.
In den vier Jahren war Olmec, mein Computertechnologie-Unternehmen, von nicht-existent zu einem Unternehmen mit fast einer Million Umsatz gewachsen. Groß, richtig? Nein. Völliger Quatsch. Unsere Kosten waren so hoch, wir hatten sowas von keinem Cashflow, dass knapp eine Million Umsatz sich anfühlte wie ein Witz – ein sehr grausamer Witz. Umsatz bedeutet gar nichts, wenn Deine Rezeptionistin mehr verdient als Du. Ich konnte meine Familie kaum versorgen und stand unter ständigem Druck, die Gehälter bezahlen zu können, damit jeder aus meinem Team die eigene Familie versorgen konnte.
Ich litt unter dieser „Wenn doch nur“-Krankheit, die viele Unternehmer in der Phase nach den ersten Anfängen heimsucht. Ich dachte immer: „Könnte ich doch nur härter arbeiten.“ Oder: „Hätte ich doch nur einen Investor.“ Oder: „Hätte ich doch nur einen großen Kunden, dann könnte ich meinen Traum leben.“ So schuftete ich weiter und weiter und glaubte, dass ich so knapp vor dem Durchbruch war. Doch wie der Hamster im Rad schuftete ich wie blöde und erreichte nichts. Irgendwas musste passieren. Ich wollte nicht als eineiiger Spuckefabrikant enden.
Ich seufzte, holte mein Notizbuch hervor und sagte, „O.k., Frank. Was muss ich tun?“
Was Dich hierher gebracht hat, wird Dich nicht weiter bringen
Die Idee von Olmec begann dort, wo die meisten genialen Ideen geboren werden – in einer Kneipe. (Bitte mal die Hand heben, wenn Du Deinen ersten Businessplan auf einem fleckigen Bierdeckel verfasst hast. Das dachte ich mir.) Ich war damals 23 und arbeitete als Techniker bei einem Computerservice-Unternehmen. Eines Freitagabends ging ich mit Chris aus, meinem alten Kindergartenfreund, um Dampf abzulassen. Ich war sauer auf meinen Chef – ich erinnere mich nicht mehr, weswegen –, aber eigentlich war ich auf der Suche nach einem Ausweg. Mein Gemaule entwickelte sich rasch von „Ich bin cleverer als er, ich arbeite härter als er und ich weiß mehr übers Geschäft als er“ zu „Der Chef ist ein Arsch!“. 14 (billige) Drinks später waren Chris und ich uns einig, dass wir unsere blöden Jobs hinschmeißen und unser eigenes verfluchtes Computerunternehmen gründen … verdammt nochmal.
[17] Es war so eine typische Rachegeschichte, und mir war schnell klar, dass dieses Szenario (mindestens) drei Schwachpunkte hatte. Zum einen kann Dir zwar Mut aus der Flasche helfen, Deine anfänglichen Ängste zu überwinden. Eine Unternehmensgründung im Vollrausch zu planen, macht jedoch jeden vernünftigen Gedanken zunichte. Was, bei genauem Hinschauen, aber notwendig ist, um ein Unternehmen aufzusetzen. (Was Du nicht sagst!) Zweitens braucht es weit mehr, ein Unternehmen ans Laufen zu bekommen, als zur Arbeit zu gehen und zu arbeiten. (Wer hätte das gedacht?) Drittens, und am nervigsten, wird Dich Dein eigenes Unternehmen nicht automatisch von der Schinderei befreien, die Dich dazu gebracht hatte, Dich zu besaufen. (Überraschung!)
Erinnerst Du Dich daran, wie Du Dein Unternehmen gestartet hast? Vollgepumpt mit Adrenalin und Hoffnung? Dein Traum war riesig, heroisch, weil Du einen echten Riesentraum brauchst, um Dich von Deiner Lieblingscouch zu zerren, um etwas wirklich Großartiges zu vollbringen. Wenn ich meine Augen schloss, konnte ich meinen Traum in allen Farben sehen: Ich war Millionär im Cockpit einer megaerfolgreichen Firma und lebte das gute Leben ohne jegliche Sorge.
Öffnete ich meine Augen hingegen wieder, meldete sich die harte Realität. Wir hatten keine Kunden, und schlimmer noch, wir hatten keine Ahnung, wie wir an Kunden kommen könnten. Du kannst Dir also vorstellen, warum ich, eine Woche, nachdem ich meinen Job hingeschmissen hatte, von Angst erfüllt war. Total. Vollkommen. Seelenerschütternde Angst. Kennst Du diese dauernden „Ich bin ein Versager“-Gedanken, die Dir durch den Kopf gehen, während Du versuchst, etwas Großes zu erreichen? Also, sie liefen durch meinen Kopf wie die Unwetterwarnungen unten an Deinem Fernsehbildschirm. Was, wenn wir keinen Umsatz machen? Was, wenn ich scheitere? Was, wenn ich zu meinem Arsch von einem Chef zurückkriechen und darum betteln muss, meinen Job wieder zu bekommen?
Angst brachte mich dazu, aktiv zu werden. Es gab keine andere Möglichkeit. Es gab da nur ein kleines Problem: Ich hatte keine Ahnung, wie ich an Kunden kommen sollte. Also begann ich, an Türen zu klopfen. Im wahrsten Sinne des Wortes. (Was ist? So machen sie es doch auch im Film, nicht wahr? Also, in den alten Filmen.) Ich bemühte mich um wirklich jeden Kunden – groß, klein, in der Nähe, weit weg, Tierpräparatoren und Versicherungsagenten – und ich sagte „Ja“ zu jedem, der auch nur das kleinste bisschen Interesse für das zeigte, was ich anzubieten hatte, unabhängig von deren Anforderungen.
[18] „Fahre ich sechs Stunden, um Deine Computermaus anzuschließen? Kein Problem.“
„Gebe ich Dir einen 50%igen Rabatt und ein Zahlungsziel von 120 Tagen? Klar.“
„Kann ich Dein antikes Computersystem betreuen, obwohl ich keine Ahnung davon habe und zwei Tage brauche, um dieses 20 cm dicke Handbuch zu lesen … auf Französisch … von einem Chinesen, der kein Französisch kann? Sicher. Warum nicht?“
In diesen ersten Monaten, nach der Gründung rasten Chris und ich durch die Gegend wie Tasmanische Teufel. Hatte ich geregelte Arbeitszeiten? Na klar. Wenn ich wach war, arbeitete ich. Ganz geregelt. Ich hatte keinen Stolz, also arbeitete ich die Nächte durch, um Geld zu sparen, oder schlief in den Büros meiner Kunden. Ich zog mit meiner Frau und meinem Sohn an den einzigen sicheren Ort, den ich mir leisten konnte – ein Apartment in einem Seniorenheim, in dem das Durchschnittsalter irgendwo zwischen 80 und tot lag (ich glaube, die meisten waren etwas älter als tot) und die Bewohner um drei Uhr morgens aufstanden, um Staubzusaugen, auf und ab zu wandern oder so СКАЧАТЬ