Название: Drei Historische Liebesromane: Das 1500 Seiten Roman-Paket Sommer 2021
Автор: Alfred Bekker
Издательство: Автор
Жанр: Историческая литература
isbn: 9783956179815
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Li stand etwas abseits und sah dabei zu. Meister Wang war zu schwach gewesen, um dabei sein zu können.
„Wer weiß, wie lange man überhaupt noch jemanden bestatten können wird, wenn erst einmal die Totengräber vom Fieber dahingerafft worden sind!“, sagte Meister Wang später dazu, als Li ihm von der Zeremonie berichtete.
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Es hieß, dass alle Hospitäler Jerusalems hoffnungslos überfüllt wären und sich bereits ein großer Teil der Pfleger selbst angesteckt hatte. Die Symptome waren immer dieselben. Zuerst ein paar Tage Mattigkeit, dann starke Fieberschübe und Leibschmerzen und Verstopfung.
Auch das Haus von Abu Khalil blieb nicht verschont. Der zwölfjährige Ahmad erkrankte an dem Fieber ebenso wie Fadia. Als Li zum Muristan ging, so wie sie es ihrem Vater versprochen hatte, wies man sie dort gleich an der Tür ab.
„Dein Leid mag so groß sein, wie es will“, sagte einer der Mönche zu ihr, die hier versuchten, die Versorgung der Kranken aufrecht zu erhalten. „Wir können niemandem mehr helfen – und wahrscheinlich nicht einmal uns selbst.“
Auch die Nächstenliebe der Christen hatte offenbar da ihre natürlichen Grenzen.
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Die Tage gingen dahin und auch Li spürte eine lähmende Mattigkeit in sich – so wie viele, die selbst nicht alle von der Krankheit ergriffen wurden, aber sie anscheinend von dem üblen Hauch, der sie verbreitet hatte, ebenfalls eines Teils ihrer Kräfte beraubt wurden.
In der Papiermacher-Werkstatt wurde jetzt ebenso wenig gearbeitet, wie in den Schmieden und bei den Zimmerleuten und Fassmachern. Der Großteil der Gäste, die in Abu Khalils Herberge bewirtet worden war, hatte mitsamt ihren Tieren und Waren die Stadt inzwischen verlassen. Wer immer nicht aus irgendeinem Grund dazu gezwungen war, in der Stadt zu bleiben, machte sich so schnell wie möglich auf den Weg. Andere verließen ihre Häuser nicht mehr oder sammelten sich in den Moscheen, Kirchen und Synagogen der Stadt, um jenen Gott, um dessen richtige Verehrung immer wieder so heftig gestritten wurde, um Hilfe zu bitten. Ragnar der Weitgereiste und seine Männer machten sich offenbar für ihre Abreise bereit, denn sie hatten Vorräte eingekauft.
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Firuz ließ sie zu sich rufen. Li hatte ihn seit Tagen nicht gesehen. Er wirkte hohlwangig und blass. Allerdings glaubte Li nicht, dass er schon selbst vom Fieber befallen worden war. Eher sah er aus, wie jemand, der seit Tagen nicht geschlafen hatte.
Etwas zögernd betrat Li den Raum – schon deshalb, weil sie nicht gerne mit ihm allein war.
„Du brauchst keine Angst zu haben, ich werde dich nicht anrühren“, versprach er. „Nicht eine Dschinn-Frau!“
„Was?“
„Ich glaube nicht an Dschinns, solange mir keiner leibhaftig begegnet ist. Aber die frommen Koran-Gelehrten in der Stadt, streiten darüber, ob das nicht der Grund für die Seuche sein könnte!“
„Aber – das ist doch...“
„Dies ist der Grund dafür!“, sagte Firuz. Er hielt ein Blatt in ihre Richtung, das unschwer als eines jener Papiere zu erkennen war, das sie gefertigt hatte. Sie ging jetzt ohne Furcht auf ihn zu. Dabei vermied sie es – ganz entgegen ihrer sonstigen Gewohnheit - den Blick zu senken, sondern sah ihn die ganze Zeit über an. Er sollte sie nicht für schwach halten oder ihre anerzogene Höflichkeit als ein Zeichen dafür missdeuten, dass sie bereit war, sich ihm auch als Frau zu unterwerfen.
„Sieh es dir an!“, forderte er. „Halte es ins Licht. Vielleicht fällt dir etwas auf!“
Sie nahm das Blatt, hob es ins Licht und sah das Wasserzeichen. Es bestand aus einem Vers aus dem Koran. Li hatte ihn so gut und so kunstfertig es ihr möglich gewesen war nachgeformt.
„Was ist falsch daran?“, fragte sie. Sie kannte zwar die Buchstaben, aber auf Grund ihrer geringen Kenntnisse in der Sprache des Propheten, wusste sie nicht einmal um die Bedeutung dieser Zeile.
„Komm, ich will es dir zeigen“, sagte Firuz und führte sie zu einem Tisch, auf dem ein Koran lag – aufgeschlagen an jener Stelle, wo der betreffende Vers zu finden war. „Siehst du die roten Alifs?“, fragte Firuz.
„Ich habe sie ausgelassen, weil die roten Alifs nur Lesehilfen sind. Sie gehören nicht zum heiligen Text, den Mohammed empfing!“
„Von wem hast du solche Weisheit?“
„So hat man es mir in Samarkand gesagt, wo ich für Koran-Exemplare der Medressen ähnliches Papier gestaltet habe!“
Firuz atmete tief durch. Li hatte ihn noch nie so niedergeschlagen gesehen. Er schien nicht einmal wütend darüber zu ein, dass Li die roten Alifs weggelassen hatte, weil ein Wasserzeichen eine möglichst auf das Wesentliche reduzierte Form haben sollte. Firuz war einfach von einer tiefen Traurigkeit und Abgeschlagenheit erfüllt, wobei Li zu spüren glaubte, das dahinter noch etwas anderes steckte. „Es mag sein, dass die Koran-Gelehrten hier in Jerusalem nicht dieselben Kenntnisse haben, wie die Gelehrten in Samarkand, Buchara oder Bagdad. Ich mache dir auch keinen Vorwurf, sondern eher mir selbst, denn ich hätte auf diese Kleinigkeit achten sollen. Tatsache ist, dass jetzt darüber gestritten wird, ob dein Weglassen der Alifs einem falschen Zitieren des Koran gleichkommt. Und ein Falschzitieren des Koran ruft einer weit verbreiteten Meinung nach Dschinne herbei, deren Fluch man nicht wieder los wird...“ Er ließ das Blatt los. Es glitt zu Boden. „In absehbarer Zeit glaube ich nicht, dass hier in Jerusalem irgendeine Abschrift des Koran auf deinem Papier geschrieben werden wird, Basma...“
„Und wenn man ein Rechtsgutachten in dieser Sache einholt? Wenn man sich an den Kalifen wendet...“
Firuz lachte heiser. „An welchen denn? Den Schwächling in Bagdad, der nichts mehr zu sagen hat – oder den Kalifen in Kairo, der frommer als der Prophet selbst sein will und Juden und Christen in Zukunft Glocken tragen lassen will? Glaubst du, irgend jemanden interessiert es hier, was Gelehrte andernorts wissen? Die Menschen haben Angst vor dem Fluch einer schrecklichen Krankheit, die sie nicht erklären können, denn selbst unsere besten Ärzte wissen nicht alles! Und jetzt geh. Die Lumpen, die wir gesammelt haben, können wir als Almosen für die Armen geben, damit Allah uns gnädig ist und Fadia nicht stirbt...“
„So schlimm steht es um sie?“
Er nickte nur stumm. Offenbar war er ihr stärker verbunden, als Li es bisher dem äußeren Anschein nach für möglich gehalten hatte.
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