Название: Seewölfe Paket 6
Автор: Roy Palmer
Издательство: Bookwire
Жанр: Языкознание
Серия: Seewölfe - Piraten der Weltmeere
isbn: 9783954394951
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„Ach du liebe Zeit“, sagte Al Conroy ergriffen.
Hasard grinste freudlos. Ihm hatten die Abenteuer im Dschungel von Guayana und der grünen Hölle des Amazonas ebenfalls gereicht. Und er fragte sich, was, zum Teufel, die Piraten in einer Wildnis suchten, wie er sie hinter dem Namen Chiapas vermutete.
Al Conroy hatte offenbar ganz ähnliche Gedanken.
„Vielleicht suchen sie auch so etwas wie El Dorado“, sagte er. „Oder gibt es da oben keine Inkas?“
„Inkas nicht. Aber Maya. Möglich, daß du recht, hast, Al. Die Maya haben sicher nicht weniger unter den spanischen Eroberern gelitten als alle anderen Indios. Warum sollen sie sich nicht ebenfalls dorthin zurückgezogen haben, wo sie am sichersten vor Verfolgung und Terror sind: in die Regenwälder.“
„Also segeln wir nach Chiapas?“ fragte Bill eifrig.
Hasard warf ihm einen Blick zu. Der Junge hatte das kurze Gespräch stumm und gebannt verfolgt, und seine Augen leuchteten. Der Seewolf mußte lächeln, obwohl ihm eigentlich nicht danach zumute war.
„Sicher geht es nach Chiapas“, sagte er. „Notfalls auf einem Floß, mit einem alten Hemd als Segel.“ Und als er den Schatten sah, der über Bills Gesicht flog: „Nur keine Angst, mein Junge! Irgendwie werden wir es schon schaffen.“
3.
Die Vorpiek der „Isabella“ wurde von den Seewölfen seit jeher als „Vorhof zur Hölle“ bezeichnet.
Ein finsteres Loch, stickig, mörderisch heiß, von Ratten bewohnt und mit Gerüchen erfüllt, die auch dem härtesten Burschen den Magen umdrehen konnten. Unter der Gräting, auf der Ben Brighton, Big Old Shane und Stenmark kauerten, schwappte stinkendes Bilgewasser. Mehr als zwei Stunden hielten es die Männer jetzt schon hier aus, und ihr einziger Trost war, daß sie es freiwillig taten.
Was sich an Deck der „Isabella“ abspielte, nahmen sie nur als dumpfes Schrittegetrampel wahr, das sich vor ein paar Minuten für kurze Zeit zu wilder Heftigkeit gesteigert hatte.
„Scheint so, als ob sie sich prügeln“, sagte Stenmark mit gerunzelter Stirn.
„Sollen sie“, brummte Big Old Shane. Genausowenig wie Stenmark und Ben Brighton konnte er wissen, daß die Piraten Dan O’Flynn und Batuti mit an Bord geschleppt hatten. „Ich hoffe, sie schlagen sich gegenseitig die Köpfe ein. Um so leichter können wir sie dann später auseinandernehmen.“
„Später“, wiederholte Stenmark angewidert. „Müssen wir wirklich erst die Nacht abwarten?“
Ben Brighton nickte nachdrücklich. „Doch, Sten. Wir sind darauf angewiesen, Jean Morro in seiner Kammer zu überraschen. Wir können nicht zu dritt gegen eine ganze Schiffsmannschaft kämpfen.“
Stenmark zuckte mit den Schultern. Dem blonden Schweden war anzusehen, daß er sich in einer Stimmung befand, in der er notfalls auch ganz allein über die Piratenbande hergefallen wäre.
Big Old Shane preßte die Zähne zusammen. Das verwitterte, graubärtige Gesicht des früheren Waffenmeisters von Arwenack wirkte wie aus Stein gemeißelt. Seine Fäuste schlossen sich fester um die Eisenstange, die er als Waffe benutzte.
„Ich bin nicht mal so sicher, ob es wirklich gut ist, die Nacht abzuwarten“, sagte er in seiner langsamen, bedächtigen Art. „Es sei denn, wir verlassen uns blindlings darauf, daß es so läuft, wie wir es uns vorstellen.“
„Dafür steht zu viel auf dem Spiel.“ Ben Brighton hob fragend die Brauen. Er wußte, daß der graubärtige Alte einen ganz bestimmten Gedankengang verfolgte.
Shane bewegte die mächtigen Schultern. „Angenommen, wir schaffen es nicht! Wenn die Piraten auf Jean Morros Leben keine Rücksicht nehmen, müssen wir kämpfen, und wie das ausgeht, mag der Teufel wissen. Wenn alle Stricke reißen, bleibt uns immer noch die Möglichkeit, von Bord zu verschwinden. Jetzt! Heute nacht wird sich die ‚Isabella‘ schon zu weit von der Insel entfernt haben, um zurückzuschwimmen.“
„Zurückschwimmen?“ stieß Stenmark durch die Zähne. „Und uns von den Haien anknabbern lassen?“
„Shane redet vom äußersten Notfall, Sten. Besser vielleicht im Bauch eines Hais als mit Sicherheit an der Rahnock, oder?“
„Aber dafür stehen unsere Chancen besser, wenn wir die Dunkelheit abwarten“, führte Big Old Shane seine eigenen Überlegungen weiter. „Ich glaube …“
Er konnte den Satz nicht mehr beenden.
Jäher Lärm ließ ihn den Kopf heben. Schritte näherten sich, die Schritte von mindestens sechs, sieben Männern.
„Verdammt“, stieß Stenmark durch die Zähne.
„Ruhig“, sagte Ben Brighton mit schmalen Augen. „Vielleicht untersuchen sie nur das Schiff, die Laderäume …“
Er stockte abrupt.
Die Schritte waren jetzt deutlicher zu hören. Es gab keinen Zweifel mehr daran, daß sie sich der Vorpiek näherten.
Ben Brighton und Stenmark griffen schweigend nach ihren Pistolen. Big Old Shane richtete sich auf und glitt in den toten Winkel neben dem Schott. Die Schritte verhielten, dann erklang eine heisere, verzerrte und dennoch unverkennbare Stimme.
„Nimm deine Pfoten weg, du Sohn einer verlausten Wanderhure! Laß mich erst wieder die Hände frei haben, dann verarbeite ich dich zu Haferbrei, du verdammter, widerlicher …“
Ein klatschendes Geräusch erstickte die Stimme. Aber es war eindeutig die Stimme von Dan O’Flynn gewesen.
Die drei Männer in der Vorpiek starrten entgeistert das Schott an, das im selben Augenblick aufflog.
Eine Gestalt taumelte herein, ein hünenhafter Schatten, der stolperte, mit den gefesselten Händen das Gleichgewicht nicht halten konnte und auf die Gräting prallte.
Batuti, durchzuckte es Ben Brighton, und im selben Moment wurde auch Dan O’Flynn mit einem brutalen Stoß in die Vorpiek befördert.
Tanzendes Lampenlicht fiel in das finstere Loch.
Der Widerschein streifte die Gesichter von drei, vier Männern.
Sie grinsten hämisch. Einer von ihnen kicherte im Tonfall satter Zufriedenheit. Keine Sekunde später wurden ihre Mienen zu verzerrten Grimassen.
Gellend schrie einer der Kerle auf.
„N-n-nein …“ stammelte jemand im Hintergrund.
Die Männer glaubten, Gespenster zu sehen. Der bullige Pepe le Moco war der erste, der sich blindlings herumwarf und flüchtete.
Unter Vollzeug segelte „Eiliger Drache über den Wassern“ nach Südwesten.
Der Wind wehte raumschots, der schwarze Segler lag über Steuerbord und lief gute Fahrt. Die Stürme der letzten Tage hatten ihn weit nach Norden verschlagen, der Ruderschaden, der aufgetreten war, hatte ein übriges getan, um die Fühlung zwischen der „Isabella“ und dem „Drachen“ СКАЧАТЬ