Название: Die Versuchung des Elias Holl
Автор: Axel Gora
Издательство: Автор
Жанр: Историческая литература
isbn: 9783839238806
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»Hörte ich eben ›einer‹ oder ›meiner‹?«, fragte Marx Welser.
»Fürs Obergeschoss …«, erhob ich die Stimme, um dieses unsägliche Geschwätz zu unterbinden, »haben wir hohe Rechteckfenster auf Sohlbänken …«
»Natürlich ›meiner‹, wo denkt Ihr hin? Ich bin doch kein Ehebrecher.«
Ich hielt inne und atmete tief. Lust überkam mich, Garb abzuwatschen; der walzte fettwampig daher, schmarotzte, belästigte uns und log obendrein – ein Ehebrecher war er wohl. Anstatt einen ernsthaften Blick auf meine Arbeit zu richten, behelligte uns der arrogante Kaufmann mit seiner ungeschlachten Art. Musste ich, der Stadtwerkmeister!, mir so etwas von diesem Menschen, zugewandert und sich in die Geschlechter eingeschleimt, bieten lassen, nur weil er mir, was er wieder und wieder betonte, ab und an Arbeit verschaffte? Zudem stieß mir sauer auf, dass Marx Welser, mit Johann Jacob Remboldt zusammen oberster Stadtherr und mir stets gut geneigt, sich herabließ, auf Garbs Anmaßung noch zu reagieren.
»Fürs Obergeschoss haben wir hohe Rechteckfenster auf Sohlbänken mit Dreiecksgiebeln erdacht«, wiederholte ich und fuhr laut und deutlich fort: »Diese sind, wie Ihr hier seht, jeweils durch ionische Pilaster getrennt.«
»Und das? Da in der Mitte?«, fragte Garb und tippte mit dem Wurstfinger auf die Visierung, »was soll das da?«
»Das interessiert Euch nicht wirklich, Garb.«
»Was?«
»Wie Ihr uns alle habt wissen lassen, steht Euch der Sinn mehr nach Kopulation als nach der Architektenkunst.«
Garb sah mich streng an. »Mich deucht, die viele Arbeit mit leblosem Stein scheint Euch den Sinn fürs schöne Geschlecht verdorben zu haben. Und das, wo Ihr mit der Reischlerin ein solch graziles Frauchen zum Weibe habt.«
»Ich wüsste nicht, was Euch das anginge, nur weil die Eurige Euch an Masse in nichts nachsteht.«
»Vielleicht kocht die Eure nicht besonders. Wenn’s nicht schmeckt, ist leicht rank sein.«
»Meine Herren!«, unterbrach Marx Welser. »Wir sind nicht zum Streiten hier hergekommen.«
»Also, Holl! Was ist das da jetzt?«, kam es nun schon deutlich ungehaltener aus Garbs Mund, was mich kalt ließ. Garb war reich und besaß Einfluss, mich jedoch konnte er damit schon lange nicht mehr fangen.
Ich nickte zu Matthias. »Sag du’s ihm.«
»Eine bronzene Wappenkartusche.«
Garb hob die Brauen, zuckte mit den Schultern und machte ein selten dämliches Gesicht. Mit dieser Antwort wusste er nichts anzufangen, was auch Matthias bemerkte. Der ergänzte: »Sie setzt den Akzent auf die Mittelachse des Bauwerks und …«
»… verleiht ihm nuancierte Erhabenheit«, fiel ich Matthias ins Wort, benutzte mit der ›nuancierten Erhabenheit‹ sogar die seinigen, die er sonst zu gebrauchen pflegte, wenn es galt, seine Kunst ins rechte Licht zu rücken, und schloss die Erklärung kurzerhand an seiner Stelle ab. Das war vielleicht etwas unredlich, doch Matthias war nicht allein mit Kunstverständnis beschlagen! Vor fünfzehn Jahren schon hatte ich Garbs Haus beim Weinstadel umgebaut und neu gestaltet mit Arkaden und Laubengängen, mit schönen Stuben, Kammern und Küchen, mit stilvollem Stuck an Decken und Kaminen, eigens von mir entworfen und angebracht. Da hatte in Augsburg noch kein Matthias Kager existiert. Der war erst Jahre später hinzugestoßen. Ich hatte mir damals anhören müssen, die Entwürfe entstammten Joseph Heintz’6 erfinderischem Genie und ich sei lediglich deren Ausführer. Doch das war nur Geschwätz aus Neidermaul gewesen. Niemals verhehlte ich, dass Joseph mir ein guter Lehrer gewesen war. Lange vor meiner Venedigreise hatte er mich mit der Kunst der Meister aus dem Welschland zusammengebracht. Und ebenso stimmte es, dass der gute Joseph – wie auch jetzt Matthias – weit mehr als ich die Malerei und das Zeichnen beherrschte und mir bei den Visierungen geholfen hatte. Letztlich hatten sie beide das Malerhandwerk von Grund auf erlernt, während ich mir das Zeichnen, das über das Grundwissen der Lehre hinausging, selber beibrachte. Was jedoch das Wissen um die Architektur anlangte, war ich beiden überlegen. Joseph Heintz lag seit fünf Jahren unter der Erde – Ehre seinem Andenken – und jetzt war es nurmehr ich, dessen große Aufgabe und Würde es war, Augsburgs städtisches Antlitz als prächtige Reichsstadt zu formen.
»Nuancierte Erhabenheit«, wiederholte Garb und schüttelte dabei den Kopf. »Was Ihr Euch immerzu ausdenkt. Bisweilen gelingt es Euch annähernd, unsereins ein Gefühl der Minderwertigkeit zu verschaffen. Zum Glück nur bis zu dem Moment, in dem wir wieder gewahr werden, dass wir es sind, die Euch das mit unserem Geld gestatten.«
Fatzke!, dachte ich, hast dich in den ganzen Jahren keinen Deut gebessert. Ganz der Großkotz, der sich weltmännisch glaubt und uns diesen Irrglauben immerzu aufs Neue bestätigt. Was hast du schon geleistet? Hast die Rehm’sche Veronika geheiratet und dir dein Vermögen zusammengeschachert, indem du unerfahrene Handelsmänner übers Ohr gehauen hast – auf den Messen zu Frankfurt bin ich nicht mit dabei gewesen, das weiß ich nur vom Hörensagen, aber in Venedig habe ich dich kennengelernt. Die ganze Truppe, zehn Mann hoch, war dir gefällig und deinem Wort gefolgt, weil du sie alle freigehalten hast. Nur Matthias und mich konntest du nicht vereinnahmen. Während du mit den Huren das Geld versoffen und verfressen hast, haben wir die Kunst und die Bauten der Lagunenstadt studiert. Dass du damals keinen Einfluss auf uns ausüben konntest, hast du bis heute nicht verwunden.
»Sagt an, Kager, die Bilder am Weberhaus, die habt Ihr doch hingezaubert, nicht?«
»Ja, die Fassaden sind ganz allein mein Werk.«
»All die Jahre geh ich tagein, tagaus dran vorbei und immerfort frage ich mich nach deren genauen Bedeutung.«
»Ist das Euer Ernst, Garb?«, entgegnete Marx Welser, »das lernt doch jedes Kind hier auf der Schule!«
»Ach!« Gift schoss in Garbs Blick und Stimme und dergestalt, wie er mich zuvor angesehen hatte, sah er jetzt Welser an. »Ich bin aber nicht hier zur Schule gegangen. Vielleicht ist hier der Moment, diesen Makel zu tilgen?«
Garb kam aus Genf, was er, als er hier vor fünfzehn Jahren eingewandert war, jedem unter die Nase gerieben hatte. Anfangs hatte er in seine Wichtigtuereien so viele französische Wörter eingespeichelt, bis selbst unsere Sprachgelehrten die Nase rümpften. Auch hatte er sich überall mit ›Antoine‹ vorgestellt und betont, dass das deutsche Anton gegenüber der französischen Form doch recht hölzern, ja fast bäuerlich klänge. Bei Anton denke man unweigerlich an einen feisten Landmann mit roten Pausbacken, hatte er gescherzt. Ein Landmann ist er nie gewesen, die Pausbacken aber, mal mehr mal weniger rot, hatte er sich schon lange angefressen. Und den roséfarbenen Antoine, den hatte er sich mit der Zeit auch abgeschminkt, nachdem alle Welt sich darüber lustig gemacht hatte.
»Nun, Kager? Wollt Ihr mir etwas von Euren Malereien erzählen?«
»Selbstverständlich. Es freut mich immer, wenn sich jemand für meine Kunst interessiert. Ganze zwei Jahre haben die Fresken mich beschäftigt. Vorgabe war, die Geschichte der Weberzunft abzubilden. Ich habe, wie es meiner Künstlerseele entspricht, diese natürlich mit wichtigen Augsburger Ereignissen, mit mythologischen Erzählungen und Allegorien, mit Zeit- und Weltgeschichte СКАЧАТЬ