Название: Das Übernatürliche
Автор: Gregor Bauer
Издательство: Bookwire
Жанр: Религия: прочее
isbn: 9783906212838
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Wie Pascal selbst zugibt, hat die Sache freilich einen Haken: Nur weil ich es für schlau halte, an Gott zu glauben, kann ich noch lange nicht tatsächlich an ihn glauben. Insofern beweist die Wette nicht nur nichts – sie bewirkt auch nichts.
Eines gefällt mir an Pascals Wette: Er tut nicht so, als ob wir objektiv über Gott nachdenken könnten. Nein: Unser Leben ist endlich, die Zeit läuft, und je länger wir fruchtlos darüber nachgrübeln, ob ein Gott existiert, desto mehr Zeit verstreicht ungenutzt. Wenn wir also mit unserer existenziellen Grundentscheidung nicht in die Pötte kommen, bevor unsere Lebenszeit abgelaufen ist, dann haben wir unser gesamtes Leben entscheidungslos vertan. Vor dieser Gefahr will Pascal warnen.
Am Ende aber vergaloppiert er sich, zumindest aus heutiger Sicht. Der Atheist Richard Dawkins legt den wunden Punkt von Pascals Argumentation offen: Angenommen, es gäbe einen Gott – wer sagt denn, dass ihm so viel daran läge, dass wir an ihn glauben? Vielleicht wäre ihm ein ehrlicher Atheist lieber als ein eingeschüchterter, ängstlich Kosten und Nutzen abwägender Gläubiger?
Der ethnologische Beweis: Können fast alle menschlichen Kulturen irren?
Der dritte Beweis wurde bereits in der Antike vorgetragen, von Marcus Tullius Cicero (106–43), Stilikone des klassischen Latein. Dieser ungeheuer vielseitige Vollblut-Politiker befasste sich vor allem dann mit Philosophie, wenn es in der Politik nicht so gut lief und er deshalb zur Untätigkeit verdammt war. Was die Existenz der Götter betrifft, war er eher skeptisch. Sein Beweis scheint ihn selbst also nicht so recht überzeugt zu haben:
•Alle Völker glauben an etwas Göttliches, ohne dass sich die Völker darüber untereinander abgesprochen hätten. Also muss dieser Glaube eine reale Grundlage haben.
Diese große Übereinstimmung ist in der Tat beeindruckend und kann für religiöse Menschen eine Bestärkung sein. Aus Sicht der Naturalisten ließe sich jedoch einwenden: Was die Völker im Einzelnen glauben, unterscheidet sich so sehr voneinander, dass es ihren Glauben eher widerlegt als bestätigt. Und was soll es schon bedeuten, wenn sie einen Glauben miteinander teilen? Lange Zeit haben nahezu alle Kulturen geglaubt, dass die Erde im Zentrum des Alls stehe. Dabei haben sie sich von ihrer Intuition täuschen lassen. Genauso lässt sich täuschen, wer heute der naiven Intuition folgt, dass alles eine göttliche Ursache haben müsse.
Ein religiöser Mensch könnte dagegen zu bedenken geben: Vielleicht steht hinter dem Glauben der Völker mehr als Naivität? Vielleicht beruht er auf spirituellen Erfahrungen, die wir heute kaum noch machen, weil unser Zugang zu unserer Tiefendimension verschüttet ist?
Der teleologische Beweis: Ist in der Natur ein göttlicher Plan erkennbar?
Den vierten Gottesbeweis hat unter anderem Thomas von Aquin (1225–1274) vertreten. Der Dominikaner schärfte seinen Verstand, unbeeindruckt von päpstlichen Verboten, an „heidnischen“ Autoren und wurde so zum wohl größten katholischen Theologen aller Zeiten. Sein Gottesbeweis heißt „teleologisch“, zu Deutsch „zielorientiert“, weil Thomas davon ausgeht, dass in der Natur eine Zielorientierung erkennbar ist:
•Gott erkennen wir an der Ordnung und Zweckmäßigkeit, die wir in der Natur und in ihren Gesetzen vorfinden. Von den laufenden Verbesserungen, die wir in der Natur beobachten, können wir auf eine göttliche Weltenlenkung schließen.
Liegt also der Natur ein göttlicher Plan zugrunde? Ihre überwältigende Schönheit und Komplexität wird sicherlich immer wieder Menschen zu diesem Schluss führen. Allerdings sehen das wohl die meisten Naturwissenschaftler heute anders. Sie erklären die Entstehung des Lebens und den Artenreichtum ohne einen Gott mit der Evolutionstheorie.
Der Kontingenzbeweis: Wäre unsere zufällige Welt möglich ohne ein absolutes Wesen?
Der fünfte Beweis taucht ebenfalls bei Thomas von Aquin auf:
•Die Welt müsste es nicht unbedingt geben: Alles in ihr ist nicht notwendig, sondern entbehrlich, weil es entsteht und vergeht – die Fachleute sagen: Die Welt ist „kontingent“. Alles, was kontingent ist, muss aber auf eine Ursache zurückgehen, die nicht kontingent ist, sondern absolut. Das absolute Wesen aber ist Gott.
Dagegen lässt sich einwenden: Was soll die strenge Unterscheidung zwischen notwendig und nicht notwendig bedeuten? Was soll damit gesagt sein, dass die Welt nicht notwendig ist? Und selbst wenn sie das wäre: Wieso folgt daraus, dass sie zwangsläufig eine notwendige Ursache braucht?
Der Schöpfungsbeweis: Können wir Gott an seinen Werken erkennen?
Dieser Gottesbeweis findet sich in der Bibel, im ersten Kapitel des Paulusbriefs an die christliche Gemeinde von Rom. Paulus (vor 10 v. Chr (?) bis 60 n. Chr.), ursprünglich ein Feind der christlichen Gemeinden, hatte eine erschütternde mystische Erfahrung, die er als Vision des auferstandenen Jesus deutete. Danach wurde er zum erfolgreichsten Missionar der Christenheit. In seinem Brief schrieb er:
•Was man von Gott erkennen kann, ist unter den Menschen offenbar; denn Gott hat es ihnen offenbart. Denn sein unsichtbares Wesen, seine ewige Kraft und Göttlichkeit wird seit der Erschaffung der Welt an dem erkannt, was Gott gemacht hat. Es gibt also keine Entschuldigung.
Gottes Existenz ist also aus der Welt unmittelbar einsichtig, meint Paulus. Das wird immer wieder Menschen überzeugen. Aber eben nicht alle. Es ist, wie wenn sich ein Mathematik-Schüler eine präzise Begründung sparen wollte, indem er schlicht auf seine geometrische Zeichnung an der Tafel zeigt und dazu sagt: „Man sieht’s.“ Der eine sieht es tatsächlich, die andere aber eben nicht.
Der Kausalitätsbeweis: Was ist die Ursache von allem?
Dieser Beweis ist sehr verbreitet, auf viele Menschen wirkt er sehr überzeugend:
•Alles hat eine Ursache. Irgendjemand aber muss die erste Ursache gesetzt haben. Und das ist Gott.
Das ist in der Tat ein starkes Argument. Kindern leuchtet es unmittelbar ein, und das ist kein schlechtes Zeichen. Dennoch: So zwingend, wie viele Gläubige meinen, ist es nicht.
Atheistinnen und Atheisten könnten einwenden: Wenn alles eine Ursache hat, muss dann nicht auch Gott eine Ursache haben? Falls wir uns aber entschließen, bei Gott eine Ausnahme zu machen und anzunehmen, dass er keine Ursache braucht: Könnten wir dann nicht genauso gut irgendwo anders eine Ausnahme machen?
Leicht abgewandelt, lässt sich dieses Gegenargument auch gegen weitere Varianten des kosmologischen Beweises richten. Beispielsweise gegen den Bewegungsbeweis mit Gott als dem ersten Beweger. Oder gegen den Stufenbeweis mit Gott als absolutem Endpunkt in der Abstufung der Werte.
Wie raubt Kant den Gottesbeweisen ihre Beweiskraft?
Unser vorletzter Beweis stammt von Immanuel Kant (1724–1804). Von Kant? Wie kann das sein? Ist Kant nicht der Zertrümmerer der Gottesbeweise?
Schauen wir uns zunächst an, wie Kant die Gottesbeweise zertrümmert. Dann schauen wir uns den Beweis an, den er trotzdem noch aufstellt – falls es denn ein СКАЧАТЬ