Название: Todesluft
Автор: Thomas L. Viernau
Издательство: Автор
Жанр: Триллеры
isbn: 9783967525144
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Nur wenige Sekunden brauchte der Schatten, bis er dem Mann, der umständlich seinen Mantel und Regenschirm aus dem Wagen holte, präzise eine Injektionsspritze in den Hals rammte. Die Spritze war mit nichts gefüllt.
Es war Luft, was er dem Mann mit großer Kraft in die Halsschlagader injizierte. Die Kanüle war dünn, unter 0,6 Millimeter, das spürte man kaum. Ein winziger Schmerz nur. So schnell er die Injektion gesetzt hatte, so schnell zog er die Nadel auch wieder heraus. Es gab nicht mal einen Blutstropfen, der an der winzig kleinen Eintrittswunde austreten konnte. Der Kanal war einfach zu klein.
Der soeben noch vital wirkende Mann wandte sich um. Der Schatten verschwand wieder im diffusen Licht der Laternen, wurde eins mit der Fassade.
Am Fenster des beleuchteten Nordflügels waren für einen kurzen Moment die Silhouetten zweier Männer zu sehen, die den Vorfall beobachteten.
Etwas war geschehen.
Er spürte es.
Sein Herz, sein Herz …, es begann unruhig zu schlagen. Irgendetwas bewegte sich in seinem Inneren auf das unruhig schlagende Herz zu. Als ob es ahnte, dass es damit nicht fertig werden würde. Es waren fünfzehn Milliliter Luft, komprimiert in kleinen Bläschen, die sich ihren Weg durch die Blutbahnen suchten.
Nach wenigen Sekunden brach der Mann einfach zusammen. Sein Herz hatte aufgehört zu schlagen. Es sah aus wie ein natürlicher Schwächeanfall. Noch eine ganze Stunde würde vergehen, bis der Mann gefunden wurde.
Zu spät für Wiederbelebungsmaßnahmen. Seine Körpertemperatur war bei dem kühlen Novemberwetter bereits zu weit abgesunken. Das Blut kam zum Stillstand, keine Pumpe war mehr da, dass es in die entlegensten Winkel seines Körpers schickte. Der Mann war tot.
Ankunft
Määi schätze onse Geest sähr hooch, doch Hüts unn Broate höcher nooch. Bääi so enn gute Sonntichsässe tutt me de trurich Ziet vergässe.
Spruch auf einem Liebensteiner Notgeldschein von 1921
Bad Liebenstein
Mittwoch, 2. Mai 2007
Die Reise war, abgesehen von der kleinen Verspätung und dem zweimaligen Umsteigen, angenehm. Linthdorf war schon lange keine Bahn mehr gefahren. Als passionierter Autofahrer waren für ihn die Straßen die wichtigsten Verkehrsadern. Doch jetzt musste er mit dem Zug fahren, besser gesagt mit drei verschiedenen Zügen. Damit verbunden ein dauerndes Treppauf-Treppab in den Bahnhöfen, die ihn gar nicht mehr an Bahnhöfe, sondern eher an Einkaufszentren mit Gleisen erinnerten.
Seinen geliebten SuV musste er in Berlin lassen. Striktes Fahrverbot seitens der Ärzteschaft. Er solle sich erst einmal regenerieren und dann sähe man weiter …
Apathisch nahm er dieses Statement der Götter in Weiß entgegen. Es nutzte sowieso nichts dagegen zu rebellieren. Streng, aber höflich wurde ihm stets bedeutet, dass er gerade dem Tod von der Schippe gesprungen sei und mit der Aussicht, in Bälde wieder ein vollkommen genesener Mensch zu sein, er sich doch gefälligst an die Vorgaben der Mediziner zu halten habe.
Linthdorf seufzte. Natürlich, sie hatten ja recht. Mit einem Hinterwandinfarkt war nicht zu spaßen.
Vier Wochen lag er im Krankenhaus, vier lange Wochen, gefesselt ans Bett, angeschlossen an diverse Schläuche und Maschinen, die seinen Herzschlag, den Blutkreislauf und die Atmung kontrollierten. Anfangs kam er sich wie in einem surrealistischen Film von Bunuel vor. Alles wiederholte sich und die gerade durchlebten Situationen wurden immer realitätsfremder. Doch irgendwann nach ein paar Tagen hatte er sich mit der traurigen Tatsache abgefunden, dass er selbst es war, der jetzt im Krankenbett lag und dem Klang der Maschinen lauschte. Schmerzhafte Erinnerungen an die Wochen vor Weihnachten wurden wieder wach.
Louise …, seine arme Louise. Nun war sie tot, lag unter der Erde in einem Sarg aus Eschenholz. Jeder Gedanke an sie bereitete ihm Schmerzen, sein Herz war gebrochen.
Der Infarkt war nach den Turbulenzen des Jahreswechsels fast eine logische Folge. Louises Tod, der Skandal, der fast die halbe Landesregierung zum Rücktritt zwang, die grausamen Morde an den Arkadiern, Krespels Selbstmord und die Verstrickungen seiner eigenen Behörde in die Affaire – alles zusammengenommen etwas zu viel für ein einzelnes Herz.
Linhdorfs Herz, bereits angeschlagen durch die beiden großen Ermittlungen im alten Jahr, schlug immer heftiger, pochte schmerzhafter, umso mehr die Vorfälle ihn persönlich trafen.
Er wollte es sich nicht eingestehen, aber es schien so, als ob die Ermittlungen ihn jedes Mal mehr überwältigten, gleich den großen Wellen am Strand. Sie brachen über ihm, schütteten Unmengen von Wasser aus, so dass man kaum Zeit zum Atmen bekam und nach wenigen Sekunden entlud sich der nächste Brecher.
Die Nixenmorde, allesamt im Winter des vergangenen Jahres begangen, hatten ihn schon stark in Mitleidenschaft gezogen, im Herbst die Vorgänge um das Gut Lankenhorst, die mit der unseligen Verfolgungsjagd in den leerstehenden Gebäuden der Geistersiedlung Bogensee endeten und die ihm die gerade beginnende Hoffnung auf ein persönliches Glück, eben seine Louise, auf brutale Weise nahmen, waren eigentlich schon genug.
Doch was sich dann zum Jahreswechsel ereignete, raubte ihm den Rest der noch verbliebenen Energie.
Linthdorf war leergebrannt, völlig am Boden. Nur mit äußerster Anstrengung konnte er die Ermittlungen zu Ende führen. Dann kam der Crash. Erst im Krankenhaus spürte er, dass mit ihm etwas nicht stimmte. Plötzlich war er ein alter Mann geworden, schwach, schlapp, antriebslos.
Er vegetierte die ersten Wochen vor sich hin, stierte an die Decke seines Krankenzimmers, registrierte kaum, wenn jemand kam und fühlte sich vollkommen überflüssig.
Nach und nach kamen die Lebensgeister wieder zurück. Die Ärzteschaft hatte den Infarkt als Folge einer totalen physischen und psychischen Erschöpfung diagnostiziert. Was er denn vom Beruf sei?
Ach, Kriminalist, dann wäre das ja kein Wunder …
Auf alle Fälle würde eine Kur das Richtige sein, um ihn wieder arbeitsfähig … und überhaupt, es wäre fraglich, ob er nach diesem schweren Infarkt noch in dem Beruf arbeiten könne.
Linthdorf musste schlucken, als er die Prognose gesagt bekam. Was sollte er sonst machen? Invalidenrentner? Mit 47 Jahren? Jeden Tag Enten füttern gehen? Sich mit anderen Rentnern und Versehrten auf Parkbänken treffen?
Etwas ratlos war er schon. Dann kam eine freundliche Dame mit mütterlichen Zügen zu ihm, strahlte ihn an und eröffnete ihm, dass er zu einer sechswöchigen Kur ins thüringische Bad Liebenstein fahren solle. Das wäre wohl so etwas wie ein Sechser im Lotto. Also, die Luft in Thüringen, die sei ja noch so was von rein und sauerstoffhaltig, das spüre man sogar auf der Zunge. Die Lungen würden da ganz anders arbeiten, und das Herz, ja, das wäre dankbar für jeden Atemzug mit dem die gute Thüringer Luft in den Körper ströme.
Kur wäre ja nicht gleich Kur, also da gäbe es gewaltige СКАЧАТЬ