Deep Purple. Jürgen Roth
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Название: Deep Purple

Автор: Jürgen Roth

Издательство: Bookwire

Жанр: Изобразительное искусство, фотография

Серия:

isbn: 9783854454144

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СКАЧАТЬ That Neck“ und die noch dampfend frische Neukomposition „Child In Time“, die den notwendigen Ernst verstrahlen soll) für Ausgleich, und endlich, nach einer Pause samt Verlosung, kommt es zur Fusion, in einer Atmosphäre der Erwartung, wie sie Jon Lord eigenen Worten zufolge „nie zuvor und danach erlebt“ hat.

      Es geht, zumindest technisch, alles glatt, abgesehen von der erwarteten Rache Ritchie Blackmores, der sein Solo im ersten Satz weit über den geplanten Zeitrahmen (neunzig Sekunden) hinaus dehnt und Jon Lord minutenlang befürchten läßt, nun breche alles zusammen, ehe er dann nonchalant dem Orchester doch noch die verabredete Anschlußfigur zuwirft. Ian Gillan seinerseits hat die wochenlangen drängenden Ermahnungen Lords, nun endlich mit den benötigten Texten rüberzukommen, erst beim Mittagessen am Aufführungstag befolgt und auf ein paar Servietten gekrakelt, was er zu singen gedenkt. Oder sagen wir: beim Mittagtrinken, denn er und Malcolm Arnold haben während der Proben eine gemeinsame Vorliebe für roten Wein jeder Provenienz entdeckt, die sie nun derart vehement umsetzen, daß für die Aufnahme fester Nahrung kaum Zeit bleibt. „Ich hatte ihn jeden Tag gefragt, wie es mit den Texten aussieht“, erzählt Lord, „und jeden Tag antwortete er: ‚Ich schreibe dran, Jon, ich schreibe dran.‘ Jetzt kam er daher und sagte: ‚Oha, wo hab’ ich denn die Texte, wo hab’ ich sie gleich wieder?‘“ Das Ergebnis dieser Arbeitsweise, die Gillan in den folgenden Jahren bei Deep Purple perfektionieren wird, ist Anlaß und Ablauf angemessen, wie Jon Lord meint: „Das Liebenswerte an den Texten ist, wie wahrhaftig und von Herzen Ian Gillan in seinem Part singt: ‚What shall I do when they stand smiling at me? What shall I do when it all goes wrong? How will I know and start singing my song?‘“

      Am Ende des dritten Satzes steht das Publikum vor Begeisterung auf den Stühlen und fordert eine Zugabe, an die niemand gedacht hat. Notgedrungen wird der tumultöse dritte Satz noch einmal wiederholt und gerät diesmal, da die Pflicht überstanden ist, dermaßen furios, daß nun endlich doch auch auf der Bühne alle lachen oder zumindest erleichtert grinsen.

      Außer den Kritikern. Oder, genauer gesagt: manchen. Jenen nämlich einerseits, denen der Gedanke, ein solches musikalisches Unternehmen könne aus reiner Freude unternommen werden und nicht um ein wesentliches „Statement“ abzugeben, fremd ist oder unwürdig erscheint. „Wir wollten nicht versuchen, die Grenze zwischen Pop und klassischer Musik niederzureißen“, erklärt Jon Lord entsprechenden Fragestellern. „Wenn wir das versucht hätten, wäre es ein Desaster geworden.“ Malcolm Arnold steht ihm als fachliche Autorität bei: „Ich habe nie zuvor von einem Popmusiker gehört, der in der Lage gewesen wäre, ein solches Werk zu komponieren. Mister Lords ‚Concerto‘ besitzt Lebendigkeit und Witz.“

      Dagegen hält aber nicht nur der britische Klassik-„Papst“ Noel Goodwin: „Ich habe für diese Vermählung von Pop und Sinfonie einen guten Rat: eine einvernehmliche Scheidung.“ Auch BBC-Diskjockey John Peel, der in seiner Sendung Top Gear fortan keinen Purple-Ton mehr spielt, meint noch viele Jahre später: „Das ‚Concerto‘ war spektakulär furchtbar. Und das Schlimmste ist, daß ich es von Anfang an für Müll gehalten habe.“ Andere Kritiker sind versöhnlicher, und die immer noch vor sich hin krebsende Tetragrammaton-Mannschaft möchte die Aufnahmen gar als Langspielplatte veröffentlichen. Als diese im Dezember dann tatsächlich in kleiner Auflage erscheint, ist das Echo jedoch kaum vernehmlich, denn schon zum Jahresende meldet die ehedem so spen­dable Firma Konkurs an.

      In Großbritannien und dem EMI-Rest der Welt gibt es das „Concerto“ ebenfalls als LP, allerdings erst im Januar und damit gleichzeitig mit dem nun endlich nachgeschobenen dritten Album, was der Band sehr gelegen kommt, da sie es ohnehin lieber gesehen hätte, das Evans/Simper-Vermächtnis wäre im Papierkorb gelandet. So ist immerhin gesichert, daß kaum ein Mensch in Gefahr gerät, die Platte zu kaufen.

      Vierter statistisch-kritischer Einschub: CONCERTO FOR GROUP AND ORCHESTRA

      First Movement: Moderato – Allegro

      Second Movement: Andante Part I / Andante – Conclusion

      Third Movement: Vivace – Presto

      erschienen im Dezember 1969 (Tetragrammaton; Neuausgabe 1970 von ­Warner Brothers) beziehungsweise Januar 1970 (Harvest/EMI)

      Ein Kommentar von Ritchie Blackmore mag uns hier genügen: „Ich fand die ganze Sache ein bißchen zahm. Ich meine, du spielst in der Royal Albert Hall, und das Publikum sitzt da mit verschränkten Armen, und du stehst da und spielst neben einem Geiger, der sich bei jedem Solo die Ohren zuhält. Das ist nicht besonders inspirierend.“

      Oder genehmigen wir uns einen zweiten, aus demselben, bekanntermaßen zur Übertreibung neigenden Munde: „Von mir aus kann sich Mister Lord seine klassischen Experimente sonstwohin stecken. Natürlich sind Deep Purple dadurch etwas bekannter geworden, aber ich halte dieses Zeug für einen Haufen Scheiße.“

      Nun, da das „Concerto“, abgesehen von einer weiteren Aufführung in einer Stuttgarter Kiesgrube im Oktober, die fürs Fernsehen aufgezeichnet wird, erledigt und Jon Lords Wand wieder eine freie Fläche ist, gilt es herauszufinden und klarzustellen, wer und was Deep Purple eigentlich sind. Außerhalb der USA sind zwischen Juli 1969 und Januar 1970 drei Alben (The Book Of Taliesyn, Deep ­Purple und das Concerto) erschienen, hinzu kommen diverse Singles, zuletzt „Hallelujah“, die, punktgenau zum Orchesterkonzert veröffentlicht, von einem Kritiker in die eigens angefertigte Stilschublade „Bubbleground“ geworfen, ansonsten ignoriert worden ist und von der Ritchie Blackmore Ende 1969 sagt: „Die Platte ist hyperkommerziell. Ihr einziger Zweck war, uns endlich in die englische Hitparade zu schleusen. Dieses Zugeständnis hat uns ein bißchen angewidert, aber was sollten wir tun? Etwa verhungern? Tote Musiker nützen niemandem was, auch wenn sie noch so gut waren. Hätten wir gewußt, wie mies die Leute auf ‚Hallelujah‘ reagieren, hätten wir uns die Single gespart.“ Nicht nur unterscheiden sich die musizierenden Belegschaften dieser Produkte, sondern mehr noch deren musikalische Ausrichtungen selbst: ein bißchen Süßpop, etwas Heavy Rock, doomiges Doors-Georgel, Klassik-Eskapaden, Psychedelic, Beatles-Covers … man mag das Identitätskrise nennen, wenn man höflich sein möchte.

      Wenn die Band zwischen September 1969 und Frühjahr 1970 auftritt, sind Publikum und Veranstalter zwangsläufig verwirrt. Kommen die mit oder ohne hundert Geiger? Spielen die Rock oder Pop oder Klassik und Underground oder Hitzeug oder wie oder was? Als ein beschämter Konzertveranstalter in Ipswich der gerade eintreffenden Band mit tiefstem Bedauern mitteilt, es sei ihm leider nicht gelungen, ein Orchester aufzutreiben, er habe aber immerhin die örtliche Blaskapelle engagiert, ist für Jon Lord das Maß voll: Er kündigt dem Management seinen Ausstieg an. Edwards und Coletta berufen eilig eine Vollversammlung ein, um nach dem Zusammenbruch des US-Labels und den daraufhin wie schon einige Zeit zuvor ausgebliebenen Zahlungen wenigstens diese Katastrophe abzuwenden. Lord, so erweist sich, möchte nicht gehen, hat aber das Gefühl, daß er sollte. Die anderen wollen nicht, daß er geht, fürchten aber, daß er muß. Die Ankündigung des Organisten, er habe zwar den Auftrag angenommen, ein weiteres Orchester-Band-Werk für die BBC zu schreiben, werde darüber hinaus aber keinerlei weitere Versuche unternehmen, Deep Purple mit irgend etwas Klassischem zu belästigen, klärt den Konflikt.

      Und es hat ja fast jeder Exzeß auch sein Gutes. Hatte die britische Öffent­lich­keit Deep Purple bis dahin als pompöse Pathostruppe wahrgenommen, die ihr Geld damit verdient, mit orchestralem Gesülz aufgedonnerte ­Coverversionen an amerikanische Trottel zu verkaufen, so hat das „Concerto“ zumindest bewiesen, daß die Band diese Seite ihrer Bemühungen ernst meint. Zwar entblößt sich Ian Gillan rückblickend: „Ich muß zugeben, daß meine Einstellung total falsch war. Roger und ich waren gerade erst in die Band gekommen und haben nicht kapiert, was es für uns bedeutete, mit dem Royal Philharmonic Orchestra zu spielen. Wir schrieben Songs für das Album, und diese Sache erschien uns als lästige Unterbrechung.“ Aber da sollte man die Erwartungen nicht gänzlich vergessen, welche die phantastischen Geschichten der anderen СКАЧАТЬ