Deep Purple. Jürgen Roth
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Название: Deep Purple

Автор: Jürgen Roth

Издательство: Bookwire

Жанр: Изобразительное искусство, фотография

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isbn: 9783854454144

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СКАЧАТЬ sich Ritchie Blackmore dabei in der Backe auf die Zunge gebissen hat, ist nicht bekannt, aber daß das nach der Rückkehr der angesäuselten Restmannschaft aus der Kneipe resultierende Playback im „Refrain“ nichts wesentlich anderes ist als eine gummiartig gedehnte Variante von „Hush“, hätte eigentlich auch Roger Glover merken müssen. Vielleicht steckt dahinter geschäfts­musikalisches „Doppeldenk“ (George Orwell): Underground, hören wir Herrn Blackmore sinnieren, ist eine feine Sache, wenn jedoch eine Single schon sein muß, dann am besten eine nach einem Modell, das schon mal hingehauen hat. Aber daß ihm Herr Gillan bloß nicht mit der Idee daherkommt, im Refrain „Nah nanahnah“ et cetera zu singen!

      Gillan, ein großer Freund des Getreidegebräus, bringt – obwohl ihm die Situation, seinen Text diesmal tatsächlich erst unmittelbar vor der Aufnahme schreiben zu dürfen, entgegenkommen sollte – nur noch Blödsinn zu Papier. Roger Glover, der ihm beisteht, hat nun auch keine Hemmung mehr, sich an fremdem Gut zu laben, und schlägt einen alten Arthur-Alexander-Song, der im Newton Arms zufällig aus der Musikbox schallt, als Titellieferant vor: „Black Night“. Darauf reimen sich „don’t feel so bright“ und selbstverständlich „right“ und „don’t care to sit tight“ und ähnliche Formulierungen. Der Rest ergibt sich: „Die Arbeit am Text war angesichts unseres Zustands schwierig“, meint Gillan einsichtig, „also schrieben wir einfach die banalsten Phrasen zusammen, die uns einfielen. Was um alles in der Welt soll ‚ein dunkler Baum und rauhe See‘ sein? Was haben wir gelacht, weil der Text so blöd war!“ Für Roger Glover hatte der Reim auf „night“ Vorrang: „Einer von uns sagte: ‚Don’t feel too bright‘, eine wahrscheinlich zutreffende Beschreibung unseres Zustands, aber das mußte halt reichen. In drei Stunden war die ‚Black Night‘-Aufnahme fertig. Am nächsten Tag rief das Management an und gratulierte uns zu unserer Single. Wir hielten die Nummer für einen Witz, eine B-Seite oder so was, aber sie bestanden darauf, und dieses eine Mal behielten sie recht.“

      Intermezzo: Eugen Egner – Meine erste Begegnung mit Deep Purple

      Ich kann mich erinnern, daß ich im April 1970 ein Festival besucht habe, bei dem Deep Purple aufgetreten sind. Nach wochenlangem Grübeln und Recherchieren bin ich zu dem Ergebnis gelangt, daß es das Progressive Pop Festival in der Kölner Sporthalle war. Nach Mitternacht, zwischen einer bayerischen Blaskapelle und Procol Harum, betraten sie die Bühne. Wenn mich meine Erinnerung nicht trügt, waren sie einheitlich schwarz gekleidet und trugen alle die gleiche Frisur. Als sie zu spielen begannen, verließ ich den Saal.

      Am 25. Mai spielen Deep Purple in London, tags darauf in Kiel, am 29. in Berlin, am 1. Juni in Düsseldorf, am 4. wieder auf der heimatlichen Insel in Bedford, dann, vor weiteren Langstreckengigs in München, Basel, Köln und wieder auf der Insel, erscheinen am 5. Juni 1970 Album und Single gleichzeitig; aber selbstverständlich wird die Single von fast allen Betroffenen nur als etwas unschickliche Beigabe empfunden. Eine scheinbar richtige Einschätzung: Deep Purple In Rock verkauft sich dank der vorangegangenen Überallspielerei vom ersten Tag an prächtig. Ian ­Gillan, den die Presse zum „Prince of Wails“ ernannt hat, erinnert sich, in Tränen ausgebrochen zu sein, als er während der Aufzeichnung einer Fernsehshow in Dundee beim Essen von Tony Edwards erfährt, das Album sei auf Platz 27 in die Charts ein­gestiegen. Ritchie Blackmore seinerseits ist erleichtert: „Ich fürchtete, wenn die Platte nicht reinhaut, müßten wir für den Rest unseres Lebens mit Orchestern spielen.“ „Black Night“ hingegen scheint das Schicksal zu erleiden, das bislang noch alle Harvest-Singles erlitten haben – man denke etwa an „Singing A Song In The Morning“ von Kevin Ayers, Floyd-Deserteur Syd Barretts „Octopus“, Forests „Searching For Shadows“ oder „Goodbye We Love You“ von Battered Ornaments: ab in die Panzerschränke sammelwütiger Spürnasen, die ahnen, daß man Jahrzehnte später mit ein paar der seltenen Flop-Exemplare die Rente sicher hat.

      Aber dann geschieht etwas Geheimnisvolles. Am 15. August, während Deep Purple in den USA dabei sind, die im März abgesagten Konzerte nachzuholen, betritt „Black Night“ auf harten Sohlen die unheiligen, von Shirley Bassey, Elvis Presley, Marmalade, Pickettywitch und Konsorten bewohnten Hallen der britischen Top 50. Zwei Wochen später folgt die gleichzeitig veröffentlichte und unter ähnlichen Bedingungen entstandene Black-Sabbath-Single „Paranoid“. Am 5. September steht „Black Night“ auf Platz 32, „Paranoid“ auf 47. „Es wird Zeit, daß Gruppen wie wir mal in den Charts vorbeischauen“, läßt Ozzy Osbourne verlauten. „Bisher gab es da bloß dieses ganze Tamla- und Bubblegum-Zeug.“ Den beanzugten Herren in den Hitformatierungsfabriken stehen die kurzen Haare zu Berge: Nummer 20, Nummer 9, Nummer 5 – Mitte Oktober thront „Black Night“ zwei Wochen lang auf dem Vizespitzenreiterplatz und streckt Freda Paynes hausfrauenfreundlichem Schmalzfetzen „Band Of Gold“ von unten die schmutzige Zunge entgegen; „Paranoid“ unmittelbar dahinter. Nun brechen die Zuckerwattedämme, und die Hitlisten wimmeln nur so von ungewaschenen Figuren wie Family, Iain Matthews, Jethro Tull, Dave Edmunds – und Tyrannosaurus Rex. Daß Deep Purple damit gewissermaßen dem Glam-Rock-Wahnsinn die Tür geöffnet haben, ist eine Überlegung von prickelnder Ironie.

      Vielleicht sind gar nicht die progressiven Hard-Rocker selbst schuld an dem schlagartigen Moralverfall; vielleicht liegt das alles daran, daß die Masse gewohnheitsmäßiger Singles-Konsumenten nach der Trennung der Beatles auf der notwendig wirren Suche nach neuen tauglichen Hithelden ist. Wie auch immer: Der Underground hört nun Singles, und andersherum erschließt „Black Night“ der Underground-Musik ein ganz neues Publikum. Allerdings erlebt Ian Gillan bei dem Versuch, die Massenwirksamkeit des Albums auf seinen Onkel Ivor auszudehnen, einen Reinfall: „Er lief davon, schreiend, die Hände auf den Ohren. Ich war ein bißchen beleidigt, schließlich wollte ich ihn doch beeindrucken!“

      Beleidigt sind freilich auch die Singles-Verweigerer Led Zeppelin: Die stehen plötzlich ganz doof da; und noch doofer stehen sie da, als sie mit ansehen müssen, wie der warzige Kneipenblueser Alexis Korner kurzerhand ihr „Whole Lotta Love“ neu aufnimmt, als Single herausbringt und damit nicht nur die Charts stürmt: Seine Version wird zur Erkennungsmelodie von Top of the Pops erkoren, der Hitsingles-Show aller Hitsingles-Shows, und da dürfen wir uns nun wirklich eine kurze Pause gönnen, um in den Keller hinabzusteigen und grund­mauernerschütternd zu lachen.

      Daß sich noch vor dem Erfolg der Single allein durch Deep Purple In Rock einiges geändert hat, dämmert Deep Purple langsam, aber dann doch. „Ich glaube, richtig bemerkt habe ich das erst, als das Album die ersten zwei Monate in den Charts war“, sagt Ian Paice. „Da ist uns klargeworden, daß wir uns etwas sehr Gutes getan hatten.“ – „Ich liebe dieses Album mehr als jedes andere, das wir gemacht haben“, meint Jon Lord. „Die Energie und all die Ideen, die wir im Tourbus, in stinkigen Umkleideräumen, Schulen, Konzerthallen gesammelt hatten, und vor allem in diesem wunderbar schäbigen und hallenden Übungsraum in Hanwell, machten aus In Rock ein Album, das für mich eine Ära und einen Stil definierte. Das ist die Platte, die ich auf eine einsame Insel mitnehmen würde – mit ein paar Mahler-Sachen selbstverständlich.“

      Deep Purple In Rock schafft es in den britischen LP-Charts auf Platz 4 und bleibt achtundsechzig Wochen lang in den Listen vertreten, bis das nächste Album seinen Platz einnimmt. In Deutschland, wo „Speed King“ noch vor „Black Night“ als Single erscheint, ist das Ding schier gar nicht mehr aus den Hitparaden zu vertreiben; es hält sich bis heute unter den zehn meistverkauften Langspielplatten aller Zeiten, trotz entstellendem Hör Zu-Aufdruck in der linken oberen Ecke des Covers. „Ein knappes Jahr zuvor“, erinnert sich Roger Glover, „krebsten Ian Gillan und ich in der Gegend herum, schnorrten Zigaretten, teilten uns eine einzige gute Hose, rumpelten in einem alten Lieferwagen die M1 rauf und runter. Jetzt flogen wir aus Amerika zurück, um bei Top of the Pops zu unserer Hitplatte zu posieren.“

      Ian Gillan bringt die Platte einen – zu diesem Zeitpunkt noch vermeintlich dringend benötigten – Nebenjob ein. Als Tony Edwards erfährt, daß die Musical­autoren Tim Rice und Andrew Lloyd-Webber einen Rocksänger für ihr Sakro-Pop-Projekt СКАЧАТЬ