Sie und Er. George Sand
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Название: Sie und Er

Автор: George Sand

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

Серия:

isbn: 9783945386286

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СКАЧАТЬ daran habe ich nicht gedacht.«

      »Wenn ich eingebildet wäre, könnte ich ganz schön stolz darauf sein!«

      »Aber Sie sind nicht eingebildet, Gott sei Dank! Das überlassen Sie denen, die dumm sind. Im Ernst, trotz des Kompliments, Meister Laurent, muss ich mit Ihnen schimpfen. Wie ich höre, arbeiten Sie nicht.«

      »Und um mich zum Arbeiten zu zwingen, haben Sie mir also das Porträt von Palmer wie eine Pistole auf die Brust gesetzt?«

      »Na schön, warum auch nicht?«

      »Thérèse, Sie sind gütig, das weiß ich; Sie wollen mich gegen meinen Willen dazu bringen, dass ich mir meinen Lebensunterhalt verdiene.«

      »Um Ihr Einkommen kümmere ich mich nicht, dazu habe ich kein Recht. Ich habe nicht das Glück … oder das Unglück, Ihre Mutter zu sein; aber ich bin Ihre Schwester … ›in Apoll‹, wie unser Klassiker Bernard sagt, und es ist mir unmöglich, mir über Ihre Anwandlungen von Faulheit keine Sorgen zu machen.«

      »Aber was kann Ihnen das schon bedeuten«, rief Laurent in einer Mischung von Freude und Verärgerung aus, die Thérèse spürte und die sie dazu bewog, ihm in aller Offenheit zu antworten.

      »Hören Sie, mein lieber Laurent«, sagte sie zu ihm, »wir wollen offen miteinander sprechen. Ich empfinde große Freundschaft für Sie.«

      »Darauf bin ich sehr stolz, aber ich weiß nicht warum! … Ich tauge nicht einmal zum guten Freund, Thérèse! An die Freundschaft glaube ich so wenig wie an die Liebe zwischen einer Frau und einem Mann.«

      »Das haben Sie mir schon gesagt, und es ist mir höchst gleichgültig, woran Sie nicht glauben. Ich aber glaube an das, was ich fühle, und ich empfinde für Sie Anteilnahme und Zuneigung. So bin ich nun einmal; ich kann es nicht ertragen, in meiner Nähe irgendeinen Menschen zu wissen, ohne mich ihm verbunden zu fühlen und mir zu wünschen, dass er glücklich ist. Dafür pflege ich mein Möglichstes zu tun, und ich kümmere mich nicht darum, ob man es mir dankt. Nun sind Sie auch nicht irgendjemand; Sie sind ein Mann von Genie, und was noch mehr ist, ich hoffe, Sie sind ein Mann mit Herz.«

      »Ich, ein Mann mit Herz? Ja doch, wenn Sie das so meinen, wie alle Welt es versteht. Ich kann mich im Duell schlagen, weiß meine Schulden zu bezahlen und werde stets die Frau verteidigen, der ich gerade den Arm reiche, wer sie auch sein mag! Doch wenn Sie glauben, ich hätte ein empfindsames, liebevolles, naives Herz …«

      »Ich weiß, Sie bilden sich etwas darauf ein, alt, verbraucht und verderbt zu sein. Aber was Sie sich einbilden, macht auf mich überhaupt keinen Eindruck. Heutzutage ist das eine weitverbreitete Mode. Bei Ihnen jedoch ist es eine echte und schmerzvolle Krankheit, die aber vorübergehen wird, sobald Sie nur selbst wollen. Sie sind ein Mann mit Herz; und zwar genau deshalb, weil Sie an der Leere Ihres Herzens leiden; es wird eine Frau kommen, die es erfüllt und ausfüllt, wenn sie sich darauf versteht und Sie sie gewähren lassen. Aber das gehört nicht zu meinem Thema: Ich spreche zu dem Künstler; der Mensch in Ihnen ist nur deshalb unglücklich, weil der Künstler mit sich selbst nicht zufrieden ist.«

      »Gut und schön, aber Sie täuschen sich, Thérèse«, antwortete Laurent heftig. »Das Gegenteil von dem, was Sie sagen, trifft zu! Der Mensch leidet an dem Künstler und erstickt ihn. Ich weiß nichts mit mir anzufangen, verstehen Sie? Langeweile und Sehnsucht bringen mich um. Sehnsucht wonach?, werden Sie fragen. Sehnsucht nach allem! Ich bringe es nicht fertig, aufmerksam und ruhig sechs Stunden lang zu arbeiten, wie Sie dann einen Gang durch den Garten zu machen und den Spatzen Brotkrumen hinzustreuen, abermals vier Stunden zu arbeiten und schließlich am Abend zwei oder drei Störenfrieden zuzulächeln, wie ich zum Beispiel einer bin, bis es Schlafenszeit ist. Was meinen Schlaf angeht, so ist er schlecht, meine Spaziergänge sind ruhelos, meine Arbeit ist fieberhaft. Der schöpferische Einfall verwirrt mich und lässt mich erzittern; während der Ausführung, die mir stets viel zu lange dauert, habe ich entsetzliches Herzklopfen; ich weine und unterdrücke mein Schreien, wenn ich eine Idee ausbrüte, die mich trunken macht; doch schon am nächsten Morgen schäme ich mich ihrer, und sie langweilt mich zu Tode. Ändere ich sie ab, so wird es noch schlimmer, sie verlässt mich; es ist besser, ich vergesse sie und warte auf eine andere; aber diese andere erreicht mich so verworren und so gewaltsam, dass ich armes Geschöpf sie nicht zu fassen vermag. Sie bedrängt und quält mich, bis sie durchführbare Dimensionen angenommen hat, und nun beginnt die neue Qual, die Qual nämlich, dieser Idee Gestalt zu verleihen, ein echtes körperliches Leiden, das ich nicht näher zu beschreiben vermag. Und so bringe ich mein Leben zu, wenn ich mich von diesem Riesendämon Künstler beherrschen lasse, der in mir steckt und dem der arme Mann, der hier mit Ihnen spricht, mit der Geburtszange seines Willens Stück für Stück halbtote Mäuse entreißt! Thérèse, also ist es doch viel besser, ich lebe das Leben so, wie ich es mir vorgestellt und eingerichtet habe, gebe mich einfach allen möglichen Ausschweifungen hin und töte diesen bohrenden Wurm in mir ab, den andere bescheiden ihre Eingebung nennen und der für mich ganz einfach mein Gebrechen ist.«

      »Dann ist es also beschlossene Sache«, sagte Thérèse lächelnd, »dass Sie am Selbstmord Ihres Verstandes arbeiten? Na gut, ich glaube nicht ein Wort von alledem. Böte man Ihnen morgen an, Sie sollten Prinz D*** oder Graf S*** sein, mitsamt den Millionen des einen und den schönen Reitpferden des anderen, Sie würden nach Ihrer armen, ach so verachteten Palette verlangen und sagen: ›Gebt mir meinen Liebling wieder.‹«

      »Meine verachtete Palette? Sie verstehen mich nicht, Thérèse! Sie ist ein Instrument des Ruhms, das weiß ich nur zu gut, und was man als Ruhm bezeichnet, das ist so etwas wie Ehrfurcht vor einem Talent, reiner und köstlicher als die Hochachtung, die man Titeln oder Vermögen entgegenbringt. Es ist also ein sehr großer Vorzug und eine echte Freude für mich, dass ich mir sagen kann: ›Ich bin zwar nur ein ganz kleiner Edelmann ohne jedes Vermögen; die Leute meinesgleichen, sofern sie nicht aus ihrem Stand ausgebrochen sind, leben als Förster, und ihr ganzer Besitz sind die Holzsammlerinnen, die sie mit Reisigbündeln bezahlen. Ich aber, ich bin ausgebrochen, ich habe einen Beruf ergriffen, und wenn ich mit meinen vierundzwanzig Jahren auf einem einfachen Leihpferd unter den Allerreichsten und den Allervornehmsten von Paris, die auf Zehntausend-Franken-Pferden sitzen, heute dahergeritten komme, so geschieht es eben, dass mich die Gaffer auf den Champs-Élysées – sofern ein Mann mit Kunstverstand oder eine Frau von Geist unter ihnen ist – bestaunen und beim Namen rufen, nicht aber die anderen. Sie lachen! Halten Sie mich für sehr eitel?«

      »Nein, aber für ein großes Kind, Gott sei Dank! Sie werden sich nicht umbringen.«

      »Aber ich will mich ja gar nicht umbringen! Ich liebe mich ganz genauso wie andere auch, ich liebe mich von ganzem Herzen, das schwöre ich Ihnen! Doch meine ich, dass meine Palette, das Werkzeug meines Ruhms, auch das Instrument meiner Folterqualen ist, da ich nicht zu arbeiten vermag, ohne zu leiden. Deshalb suche ich in der Ausschweifung nicht etwa den Tod meines Körpers oder meines Geistes, sondern den Verschleiß und die Beschwichtigung meiner Nerven. Das ist alles, Thérèse. Was soll daran so unvernünftig sein? Nur wenn ich vor Müdigkeit fast umfalle, kann ich einigermaßen ordentlich arbeiten.«

      »Das stimmt«, sagte Thérèse, »das ist mir auch schon aufgefallen, und es erschreckt mich beinahe wie etwas Widernatürliches; ich mache mir Sorgen, dass diese Art und Weise des Schaffens Sie vollends zugrunde richtet, und ich kann mir nicht vorstellen, dass es anders kommen wird. Ja, da ist noch etwas, beantworten Sie mir eine Frage: Haben Sie Ihr Leben mit Arbeit und Enthaltsamkeit begonnen und erst danach das Bedürfnis verspürt, sich zu betäuben, um auszuruhen?«

      »Nein, genau umgekehrt. Als ich das Gymnasium verließ, liebte ich die Malerei, glaubte jedoch nicht, ich würde jemals gezwungen sein zu malen. Ich hielt mich für reich. Mein Vater starb und hinterließ mir nur einige dreißigtausend Franken, und ich hatte nichts Besseres zu tun, als sie ganz rasch aufzubrauchen, um wenigstens ein Jahr lang mein Leben im СКАЧАТЬ