Dolmetschen als Dienst am Menschen. Группа авторов
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СКАЧАТЬ New Year? 9 D Yes, like Christmas, 10 BW New Year 11 D New Year. What else? 12 BW ə New Year is the death of Our Lord Jesus Christ, Christmas is the birth 13 VL Ja langsam, langsam 14 D Wait, wait. .. ..

      D wird in ihrem zögerlichen Versuch, zur gestellten Frage zurückzuführen, von VL unterbrochen, die diese nun explizit, aber in indirekter Adressierung, wiederholt (2). Einmal mehr aber bietet D keine direkte Wiedergabe (der Art „The question was…“). Vielmehr scheint sie mit ihrer Formulierung, in der sie die ursprünglich benutzte englische Entsprechung „feasts“ durch „holidays“ ersetzt, sogar ein neues Thema einzuführen (3). Für BW bleibt dadurch unklar, dass er eine für seine Glaubwürdigkeit wichtige Frage missverstanden hatte.

      Die Rückfrage von BW (4) zeigt, dass auch der Ausdruck „holidays“ nicht sofort verständlich ist. D scheint bezüglich der Wortwahl weiter verunsichert und wiederholt den neuen Ausdruck in Verbindung mit dem zuvor benutzten (5). Unsicher ist auch noch das Verständnis von BW, der D nun aber doch, fragend und mit falsch gesprochener Endung, eine Antwortmöglichkeit anbietet (6). Wiederum folgt hierauf keine Wiedergabe der Antwort für VL (bzw. SK), sondern eine Bestätigung von deren Richtigkeit gegenüber BW. D nimmt damit wieder die Rolle der Befragenden ein und verbleibt darin, obwohl das Prüfungsgespräch nun in eine entscheidende Phase geht.

      Die zunächst nur leise und tentativ geäußerte zweite Antwort von BW („New Year“) (8) wird von D nicht, wie dies in Turn 9 erneut für „Christmas“ der Fall ist, als korrekt bestätigt, wohl aber durch die Wiederholung der Wiederholung durch BW doch gleichsam ratifiziert (11). BW, der sich nun des Zwecks der Frage bewusst geworden zu sein scheint, geht über die erbetene Nennung von christlichen Festen hinaus und bietet von sich aus die Art von Erläuterung, die VL zur Überprüfung des in Zweifel gezogenen Wissens vermutlich ohnehin im nächsten Schritt verlangt hätte. Ihr Wiedereintreten in die Befragung in Turn 13 lässt jedenfalls erkennen, dass nun aus ihrer Sicht protokollierenswerte Antworten auf die gestellte Frage vorliegen. Inwiefern sich das Interesse von VL auf die Falschaussage von BW in Turn 12 bezieht, die sie möglicherweise auf Englisch verstehen konnte, lässt sich nicht mit Sicherheit feststellen. Jedenfalls geht die Aussage aufgrund des verschriftungsorientierten statt auf genaue Wiedergabe bedachten translatorischen Handlungskonzepts von D für das Protokoll verloren (Ex. 3b).

      Ex. 3b (55:14‒55:57)

15 D əm Weihnachten [Räuspern] ○○ ○○ So .. you said Christmas is what?
16 BW Is the . birth of Our Lord Jesus Christ,
17 D əm Weihnachten .. .. oder mit mit Weihnachten .. .. oder Weihnachten ist die Geburt Christi,
18 VL Mhm
19 D Okay now,
20 BW and ə
21 D New Year?
22 BW New Year is resurrection and ə Easter is the death of Our Lord Jesus Christ.
23 D Neujahr ist die Auferstehung ○○ ○○ und Ostern ○○ ○○ der Tod ○○

      In Turn 15, der eigentlich dem zweiten Teil von Turn 14 in Extrakt 3a entspricht, setzt D zur Wiedergabe an, was auch von SK rezipiert wird. Auffallenderweise beginnt sie mit der korrekten Antwort, während BW in Turn 12 zuerst das Neujahrsfest erläutert hatte. Als D abbricht und eine Rückfrage stellt, offenbar um sich die Aussage in Erinnerung rufen zu lassen, fragt sie wiederum nur nach „Christmas“ und gibt BW damit die Chance, zunächst eine passende Antwort zu liefern. Ob diese Hinleitung zum Richtigen bewusst erfolgt, darf bezweifelt werden; vielmehr mag es D schwergefallen sein, sich die inkohärente Verbindung von Neujahr und Tod Christi einzuprägen. Die auffallende Unsicherheit von D in Turn 17 führt einmal mehr die Ansprüche vor Augen, die sie sich beim protokollreifen Formulieren der Wiedergabe auferlegt.

      Mit ihrem phatischen „Okay now“ in Turn 19 erweckt D den Anschein, als wollte sie BW ein letztes Mal für die Brisanz seiner Aussage über das Neujahrsfest sensibilisieren; jedenfalls aber ruft sie ihm diese seine Angabe in Erinnerung (21). BW hat sich mittlerweile eine andere Erläuterung zurechtgelegt, die er auch sehr flüssig formuliert und die D hier zu guter Letzt sofort und genau wiedergibt. Dass BW in den folgenden Turns, die aus Platzgründen nicht wiedergegeben werden, seine revidierte Aussage über Neujahr als Fest der Auferstehung noch argumentativ untermauert, ist dem Protokollauszug zu entnehmen, in dem die gesamte hier analysierte Prüfsequenz (Dauer: ca. 2,5 Minuten) ihren schriftlichen und entscheidungsrelevanten Niederschlag findet (Abb. 2).

      Abbildung 2:

      Protokoll

      4 Fazit

      Das hier analysierte Fallbeispiel zeigt (ausschnitthaft) das translatorische Handeln einer Behördendolmetscherin mit einschlägiger Erfahrung und Qualifikation, die sowohl auf institutioneller als auch auf interaktioneller Ebene beträchtliche Macht für sich beanspruchen kann. Ihr protokollierungsorientiertes Dolmetschen und eigenständiges Agieren in verhandlungsleitender bzw. teils die Befragung führender Rolle (co-interlocutor) wird offenbar von der AuftraggeberIn als effizientes Expertenhandeln geschätzt, was ungeachtet berufsethischer Grundsätze eine Wiederbeauftragung zur Folge haben dürfte. Inwieweit die DolmetscherIn ihre interaktionelle Macht, die sich in erweiterten Wiedergaben und Auslassungen (zero renditions) ebenso manifestiert wie in eigenständigen interaktionssteuernden Beiträgen (non-renditions), bewusst und zielorientiert einsetzt, bleibt unklar. Es lassen sich sowohl Anzeichen für eine Positionierung an der Seite der entscheidungsmächtigen InstitutionsvertreterIn finden als auch für Interventionen zugunsten des Berufungswerbers, dem trotz seiner Benachteiligung durch die Benutzung des Englischen als Zweitsprache von der Dolmetscherin eine ‚druckreife Stimme‘ verliehen wird. Mag sein, dass hier das von Mira Kadrić favorisierte berufsethische Konzept der Allparteilichkeit vorliegt; was das Beispiel dieser Dolmetscherin, deren translatorischer Ansatz im Rahmen des gesamten Corpus durchaus keine Ausnahmeerscheinung darstellt, jedenfalls deutlich macht, ist der erhebliche diskursive Einfluss der KommunikationsmittlerInnen auf Inhalt und Ablauf der Anhörung, auf deren Grundlage ein Asylbescheid erlassen wird. Vor dem Hintergrund der nach wie vor und mit Recht beklagten Geringschätzung des Kommunaldolmetschens steht hier ein Beispiel für eine durchaus emanzipierte professionelle СКАЧАТЬ