Wo der Wind weht. Frederik Hetmann
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Название: Wo der Wind weht

Автор: Frederik Hetmann

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

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isbn: 9783862871360

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СКАЧАТЬ unmöglich, das Schiff zu wenden. Wir waren jetzt schon eine beträchtliche Strecke vom Land entfernt und irgend etwas musste geschehen, um zu verhindern, dass wir zu weit hinaus gerieten. Zunächst wurde versucht, das Großsegel zu bergen und den Mast zu entlasten, indem man die Segelbahnen auf dem Schiffsdeck ablegte.

      Unsere große Schwierigkeiten bestand darin, mit dem Vorsegel zurechtzukommen, damit das Schiff sicher oder wenigstens mit sowenig Risiko wie möglich Fahrt machte. Alle Hände reichten nicht hin, um das Tuch beizuholen und das Schiff zu wenden.

      Von den großen Brechern traf einer zufällig mit solcher Gewalt das Heck, dass wenigstens eine Tonne Wasser sich unter die Persenning entleerte und uns allen, die wir in der Hütte waren, das Schwimmen lehrte. Dabei machte das einbrechende Wasser einen solchen Lärm, als sei eben ein großes Geschütz abgeschossen worden, und jagte uns allen einen solchen Schrecken ein, dass wir uns eine ganze Weile nicht davon erholten. Kaum war dieser Schock überstanden und das Vorsegel unter Kontrolle, da versuchten wir es mit dem Besan.

      Ich kann die Unzahl von Tümmlern nicht vergessen, die an diesem Abend um das Schiff herum auftauchten. Selbst alte Seebären zeigten Erstaunen darüber. Die Tiere schienen die gesamte Oberfläche des Meeres, so weit das Auge reichte, zu bedecken. Hätte man wahllos einen Büchsenschuss abgegeben, so hätte man sicher mit jedem Schuss eines der Tiere getroffen. Die Matrosen nahmen das als schlechtes Omen und als Hinweis auf schlechtes Wetter. Da wir uns aber schon in einem Sturm befanden, war wohl das Ereignis dem Omen vorausgeeilt.

      Bei tosender See und all der Gischt und weiter zunehmendem Wind kamen die Wachoffiziere häufig ins Rundhaus, um den Kapitän auf das Unglück vorzubereiten, das dieser mächtige Sturm mit sich bringen musste.

      Und ihre Befürchtungen erwiesen sich als nur zu begründet, denn in der Stunde zwischen zehn und elf kündigten sich neue Schrecken durch ein fürchterliches Krachen auf Deck an. Alle Männer wurden aufgerufen. Der Vortoppmast war kurz unter der Kappe gebrochen. Das war eine traurige Sache und es bedurfte aller Geschicklichkeit, um da Abhilfe zu schaffen. Man konnte eigentlich nur weiterem Unheil vorbeugen. Die ganze Takelung eines Schiffes hängt zum größten Teil von den Befestigungen an diesem Mast ab.

      Maat Putts hatte Wache und er wollte sich gar nicht ausmalen, was geschehen konnte und dann gewiss zu unserer völligen Vernichtung führen würde. Zwischen zwölf und eins bei Nacht hörten und spürten wir, wie ein mächtiger Brecher das Vorschiff traf. Das verursachte eine solche Überschwemmung auf dem Deck, wo der Maat ging, dass er sich mit aller Vorsicht eiligst zurückzog. Bis zu den Knien stand er im Wasser, murmelte Gebete, meinte, das Schiff sinke und sein letztes Stündlein habe geschlagen.

      Allen Seeleuten kam das vor wie der Todesstreich. Das Schiff stand stockstill, den Bug unter Wasser. Es schien sich in die See bohren zu wollen. Meine zwei Kameraden und ich lagen auf unserer Plattform, bestürzt wie alle. Wir nahmen rasch Abschied voneinander. Ein Schreckensschrei lief durch das ganze Schiff, während Maat Putts, als er sah, dass das Wasser von Deck abfloss, alle Mann an die Pumpen rief. Dies schien uns wie ein Blitzschlag vor dem Sterben, aber es gab mir Gelegenheit, da ich mich noch am besten von uns allen auf den Beinen halten konnte, zu ergründen, was eigentlich vor sich gegangen war. Wir hatten unser Vorderdeck verloren, mit sechs Kanonen, unseren Ankern (allen außer einem, der an einer

      Trosse festgemacht war), und auch unsere beiden Köche, von denen einer durch einen seltsamen Zufall wieder auftauchte.

      Das große Loch, das so entstanden war, ließ einen Weg in den Laderaum frei, durch den Wasser eindringen musste, sobald der nächste Brecher kam. Es war ein günstiger Zufall, dass unter den Passagieren Zimmerleute waren, die sich bei diesem Unglück als sehr hilfreich erwiesen.

      Sofort hatten sie eine leichte Plattform aus Bohlen angebracht, an der bei unserem augenblicklichen Kurs die Wellen abprallten. Jeden Moment aber konnte der zunehmende Sturm neue Arbeiten nötig werden lassen. Das Bugspriet war topplastig; da es keine Haltung und keine Takelage mehr hatte, die es gerade hielten, schwankte es hin und her und schlug so heftig gegen den Bug, dass gar nichts anderes übrigblieb, als es abzuhauen.

      Alles war in fürchterlicher Unordnung und es war nur zu deutlich, dass die Gefahr noch zunahm. Die Verankerungen von allen Masten waren fort. Die Haltetaue, die noch geblieben waren, hingen locker und waren nutzlos. Es war leicht vorherzusehen, dass auch der Hauptmast bald herunterstürzen würde. Tom Reasin, immer bereit, sich der Gefahr auszusetzen, rannte mit einer Axt in der Hand hin, um den Hauptmast zu entlasten. Aber die Gefahr, in die er dabei geraten musste, war offensichtlich. Also rief man ihn wieder herunter. Kaum hatte er seinen Fuß wieder aufs Deck gesetzt, als das Unglück eintrat, Haupt- und Toppmast kamen zusammen herunter. Glücklicherweise fielen sie auf die dem Wind zugewandte Seite glatt in die See, ohne jemanden zu verletzen.

      Unser Hauptmast, der breitseits gefallen war, bereitete uns im Wasser mehr Kummer als in seiner eigentlichen Lage. Die Verankerungen und die Takelage hatten sich nicht gelockert. Sie hielten, und so wurde der Mast zu einem Rammbock, der gegen die Schiffswand hämmerte und dort bestimmt ein Leck geschlagen hätte, wenn es nicht gelungen wäre, mit Äxten die Verbindung zu kappen.

      Der wütenden See ausgesetzt, hin- und hergeworfen, da nun keine Takelage mehr das Schiff gerade hielt, fielen häufig Matrosen über Bord, ohne dass sich einer darum kümmern konnte, wenn er sah, wie der andere fortgerissen wurde … Nur der Besanmast stand noch, und damit hofften wir unser Schiff wieder auf den gewünschten Kurs zu bringen. Vorerst aber jagte es uns nach Osten. So verbrachten wir den 10. und 11. Dezember. Am Morgen des 12. begegneten wir einem englischen Kauffahrer, der seine Insignien zeigte und nicht mit uns sprechen wollte, obwohl der Sturm nachgelassen hatte und das Wetter für eine Verständigung längst nicht mehr so schwierig war. Wir sagten uns, der Grund liege wohl darin, dass er sich nicht zwingen lassen wollte. Er hielt unseren Zustand wohl für hoffnungslos, aber wir hatten mehr Kanonen, als ihm lieb sein konnte, und er fürchtete wohl, wir könnten uns einfach nehmen, was er nicht verkaufen oder geben wolle. Er schoss eine Kanone leeseits ab, blieb auf seinem Kurs, und bald verschwand sein Heck.

      Der Sturm weht immer noch so schwer, die Seeleute sind immer noch so erschöpft, dass vorerst nicht daran zu denken ist, das Schiff wieder nach Westen zu wenden. Die Lebensmittel an Bord werden so knapp, dass die Passagiere und die Besatzung damit beginnen, die Ratten zu verspeisen, die mit an Bord sind. Mit der Zeit wird auf dem Schiff eine ausgewachsene Ratte mit 16 Schilling gehandelt. Eine hochschwangere Frau bietet für ein Tier sogar 20 Schilling, aber der glückliche Besitzer gibt sie nicht her, und die Frau stirbt.

      Zurück konnten wir nicht. Vorwärts, wie wir es gewünscht hätten, ging es auch nicht. Infolgedessen mussten wir einen Mittelweg einschlagen. Wir mussten versuchen, Segel zu setzen und irgendwo die Küste von Neu-England zu erreichen. Die Fahrt mit dem schwer beschädigten Schiff dauerte bis zum 3. Januar. Am 4. kam Land in Sicht. Die genaue geographische Lage konnten wir nicht bestimmen, weil der Offizier, dem diese Aufgabe übertragen worden war, sich in den letzten Tagen dieser Mühe nicht mehr unterzogen hatte.

      Der Abend war klar und ruhig, das Wasser unbewegt. Das Land mochte dort, wo es uns am nächsten war, sechs oder sieben Meilen entfernt sein. Das Lot zeigte 25 Faden. Ein guter Platz, um Anker zu werfen. Alles schien dazu einzuladen, an Land zu gehen. Aber ein alter Offizier, der die Proviantbestände verwaltete, sofern da überhaupt noch etwas zu verwalten war, wollte sich auf keinen Fall auf den einzigen Anker verlassen, von dem wir seiner Meinung nach für unsere Rettung abhängig waren. Sein Argument klang einleuchtend.

      Kam ein Sturm auf und musste man die Ankerleinen kappen, dann war dieses wichtige Gerät verloren. Andererseits war das Kabel, das wir als einziges noch besaßen, zu kurz, um im Ozean zu ankern. Und schließlich war da auch an die erschöpfte Schiffsmannschaft zu denken, von der viele umgekommen oder über Bord gefallen waren, und an die Passagiere, die – durch Hunger geschwächt und dem Tod nahe – über Tage hin an Deck oder an den Pumpen ausgeharrt hatten. Sie waren zu schwerer Arbeit СКАЧАТЬ