Wohin die Flüsse fliessen. Frederik Hetmann
Чтение книги онлайн.

Читать онлайн книгу Wohin die Flüsse fliessen - Frederik Hetmann страница 3

Название: Wohin die Flüsse fliessen

Автор: Frederik Hetmann

Издательство: Bookwire

Жанр: Книги для детей: прочее

Серия:

isbn: 9783862871377

isbn:

СКАЧАТЬ von Indianern aufgenommen worden, um dieses Bild vom amerikanischen Westen, um das Bild einer frühen Menschheit, wieder hervortreten zu lassen.

      »Der wichtigste Impuls hinter den Geschichten, Gedichten, ja selbst hinter der Wirtschaftsführung der Indianer«, so haben Frank Bergon und Zeese Papanikolas festgestellt, liege in der Anstrengung, die Trennungslinie zwischen dem Mythischen und Realen aufzuheben.

      Weiter heißt es bei den beiden Autoren:

      »Der Kojote, die Eulenspiegel- und Sinnsuchergestalt in den indianischen Mythen, ist darauf bedacht, den ihm angemessenen Platz im Universum zu finden, und zwar so, dass dieses in seiner Ganzheit nicht verletzt wird. In einem Medizinlied der Yuma-Indianer heißt es: ,Der Wasserfloh zieht die Schatten des Abends durch das Wasser hin auf sich.' Im indianischen bewusstsein hat ein am Rand der Schöpfung stehendes Geschöpf ebensoviel Gewicht wie der ganze Aspekt des Abends. Andrew Garcia, ein junger mexikanischer Händler, der 1870 durch Montana reiste, fand neben der Wegspur überall an den Bäumen die Hufe von Rehen hängen. Die Indianer hatten sie dort aufgehängt, um, wie sie erzählten, dem Reh-Volk zu verstehen zu geben, dass sie von der erlegten Jagdbeute alles aufgebraucht hatten mit Ausnahme der unbrauchbaren Hufe. Noch sahen die Indianer keine Notwendigkeit, sich umweltschützend in dem uns bekannten Sinn zu verhalten. Sie fingen Lachse während der Laichzeit im Frühjahr oder trieben Büffel über eine Klippe, denn solange Achtung gegenüber der Natur lebendig war und man durch die entsprechenden Zeremonien die Leute aus dem Tiervolk beruhigte, bestand Harmonie und der Vorrat an Lachsen und Büffeln blieb unerschöpflich. Nur wenn Tiere sinnlos getötet wurden oder wenn, wie das der Stamm der Washos glaubte, Tierreste, besonders Knochen, verschwendet wurden, zogen die Tiere fort und erlaubten es dem Menschen nicht mehr, sie zu seinem Nutzen zu töten.«

      Es liegt mir fern, die Indianer als edle Wilde zu stilisieren. Festgehalten werden soll im Hinblick auf das andere Bild: Das Verhältnis der Indianer zur Natur, zu dem Land, in dem sie als Jäger, Fischer, teilweise aber auch als Ackerbauern lebten, war grundlegend anders als das der eindringenden Weißen.

      Wie sich diese Auffassungen voneinander unterschieden, wird in diesem Band durch die Gegenüberstellung von indianischen und angloamerikanischen Texten mit weltanschaulichen Aussagen klargestellt.

      Als weitere Annäherung an das andere Bild mag zudem hier das Zitat aus einem Essay dienen, das N. Scott Momaday, Kiowa-Indianer von Herkommen und in der Welt des Weißen Mannes Universitätsprofessor in Stanford und Romanautor, unter dem Titel »A First American Views His Land« in einer Nummer des National Geographie Magazine veröffentlicht hat. Er schreibt:

      »Der amerikanische Eingeborene der Gegenwart ist ein Mensch mit einem ausgeprägten ästhetischen Wahrnehmungsvermögen, das sich in seiner Kunst, seinem Handwerk, in seinen religiösen Zeremonien, in seinen Geschichten und seinen Liedern, in seiner reichen mündlichen Überlieferung, ausdrückt. Mein Großvater Mannedaty war in seinen reiferen Jahren ein Farmer geworden. Sein Großvater war noch ein Büffeljäger gewesen. Er war ein Kiowa, und bei den Kiowas gab es keine agrarische Tradition. Aber er musste seinen Lebensunterhalt verdienen, und das alte geliebte Dasein des Herumschweifens auf der Prärie und der Büffeljagd war für immer vorbei. Selbst unter diesen Umständen aber blieben sein bewusstsein, sein Wille und sein Geist dieser Landschaft verbunden. Es gab für ihn nichts anderes. Er hätte sich nicht vorstellen können, ohne dieses Land zu leben. In Der Weg in die Rainy-Mountains habe ich eine kleine Erzählung niedergeschrieben, die zur oralen Tradition meiner Familie gehört. Sie weist hin auf etwas Wesentliches in der Einstellung der amerikanischen Eingeborenen zur Landschaft. ,Im Osten des Hauses meiner Großmutter, südlich des Pecanwäldchens, liegt eine Frau in einem wunderbaren Kleid begraben. Die Mammedatys wussten einst, wo sie begraben lag, aber heute weiß es keiner mehr. Wenn man unter dem Vordach des Hauses steht und nach Osten in Richtung auf Carnegie schaut, weiß man, dass die Grabstätte der Frau irgendwo im Blickfeld sein muss. Aber ihr Grab ist nicht näher markiert. Sie wurde in einer Kiste beigesetzt, und sie trug ein sehr schönes Kleid. Wie schön es doch war. Es war eines dieser feinen Wildledergewänder und geschmückt mit Elchszähnen und Perlen. Das Kleid liegt immer noch dort unter der Erde.' Es scheint mir, dass diese Erzählung vor allem eine Erklärung der Liebe zum Land, zur Landschaft mit ihren verschiedenen Elementen darstellt - die Frau, das Kleid und diese Ebene werden am Ende eine Wirklichkeit, Ausdruck des Schönen in der Natur. Es scheint mir eine spezifische Haltung der eingeborenen Amerikaner, die Dinge so auszudrücken ... Sie werden nicht explizit erinnert – der Name der Frau, die genaue Lage des Grabes, all das ist für den Geschichtenerzähler nicht so wichtig. Wichtig ist die Verwandlung der Frau in die Landschaft, eine Verwandlung, die noch durch die Erwähnung dieses besonders schönen und einzigartigen Gewandes, eines indianischen Kleides, besonders akzentuiert wird.«

      Wer den Westen heute bereist, sich abseits der großen Straßen und touristischen Trampelpfade bewegt, wird, auch wenn er kein Indianer ist, begreifen, was Momaday meint, wenn er sagt, Land und Landschaft hätten für die Indianer eine spirituelle Dimension.

      »Daraus ergibt sich logisch»«, so fährt Momaday fort, »dass in einer solchen Auffassung ein ethischer Imperativ enthalten ist. Ich denke: Insofern ich das Land, die Landschaft bin, ist es angemessen, dass ich mich im Geist der Landschaft bestätigen lasse, mich in ihm meiner vergewissere. Ich werde mein Leben in der Welt feiern und in der Welt meinen Lebenssinn erkennen. In der natürlichen Ordnung bringt sich der Mensch in die Landschaft ein. Gleichzeitig stellt die Landschaft, das Land, für ihn eine fundamentale Erfahrung dar. Der Prozess der Einbringung und der Zustimmung ist vor allem eine Funktion der Einbildungskraft. Er kommt zustande durch einen Akt der Imagination, der eine besondere Ethik hat. Wir sind, was wir uns einbilden zu sein. Der amerikanische Eingeborene ist jemand, der sich selbst auf eine ganz bestimmte Art und Weise sieht. Durch seine Erfahrung schließt diese Vorstellung von sich selbst diese enge Beziehung mit der Landschaft mit ein.«

      Hier wird das Gegenbild jener von Herrschaftsansprüchen, Aggression, Sendungsbewusstsein, Besitzgier und Materialismus geprägten Mythe sichtbar. Es wäre falsch, zu behaupten, dass dieses Bild nur von den Indianern gesehen worden wäre. Es hat in der Geschichte bis heute immer wieder auch Weiße gegeben, die sich dieses anderen Bildes in Augenblicken oder dauerhaft bewusst geworden sind, die es als sinnerfüllt und mit einer Ethik, also mit einer Anweisung zum richtigen Leben, ausgestattet erkannt haben.

      Zugeben will ich gern, dass ich für diesen Band mit Vorliebe Texte ausgewählt habe, die das Bild der Naturschönheit und der magisch-spirituellen Naturverbundenheit des Menschen im Westen eindringlich hervortreten lassen.

      Bedürfte es dazu einer Begründung, so ließe sich sagen, dass eben dieses Bild in der Tradition des Weißen Mannes über Jahrhunderte hin eher verschüttet fortlebt. Es ist ein Bild mit vielen Zwischentönen, ein Zen-Bild, das unter Pulverdampf, Yippie-Gekreisch und Messergeblitz zurücksank in einen Hintergrund von Stille.

      Warum habe ich versucht, dieses Bild hervorzuheben, seine Details sichtbar werden zu lassen?

      Es geht nicht – um Missverständnissen vorzubeugen – um ein »Zurück zur Natur«.

      Es geht mir viel eher darum, aufzuzeigen, dass eine Einstellung des Menschen zur Natur, die vorwiegend unter dem Gesichtspunkt von Herrschaft und materieller Rücksichtslosigkeit vonstatten geht – abgesehen davon, dass sie die Menschheit durch die Auspowerung ihrer natürlichen Ressourcen in eine selbstmörderische Sackgasse führt –, ein fundamentales Bedürfnis des Menschen, nämlich das spirituelle, unberücksichtigt lässt.

      Gewiss wird es kein Zurück mehr geben. Gewiss ist der Traum von einem solchen Zurück nur neue Illusion, die sehr bald zuschande gehen und jene, die diesen Traum träumen, in noch tieferer Enttäuschung zurücklassen wird.

      Es wäre aber manches gewonnen, wenn unser Glaube an die Unabdingbarkeit immer rascheren und größeren Zuwachses an materiellen Gütern Zweifeln СКАЧАТЬ