In Schlucken-zwei-Spechte. Harry Rowohlt
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Название: In Schlucken-zwei-Spechte

Автор: Harry Rowohlt

Издательство: Bookwire

Жанр: Философия

Серия:

isbn: 9783862870776

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СКАЧАТЬ eine Lesung in Bad Oldes­loe. Da kam Herr Dombrowski, den ich in der Wald­dör­fer Schule in Latein hatte. In der Albert-Schweitzer-Schule ging es ein bißchen anthroposophisch zu, das heißt, man machte mit ungeheurem pädagogi­schen Aufwand nichts. Herr Dombrowski, bei dem ich es von unzensierbar bis zu einer Zwei geschafft hatte, hat sich, um mich zu über­raschen, aus dem Sekretariat der Wald­dörfer Schule meinen Notendurchschnitt in der Ober­stufe besorgt. Ich hab einen richtigen Schreck be­kom­men. Das war immer eine solide Zwei. Damit war’s mit dem Mythos vorbei, ich wäre ein schlechter Schüler gewesen. Ich hatte zwar im Abitur eine Fünf in Mathe, aber die habe ich durch eine Eins in Deutsch ausgebü­gelt. Tja, da ging er hin, der Mythos. Ich war kein schlechter Schüler. Furchtbar! Dabei gab es in der Wald­dörfer Schule eigentlich gar keine Einsen. Zwei war das absolut beste, das man krie­gen konnte. In meiner Klasse gab es immerhin drei Einsen. Johann Ulrich Siems-Weis­bach in Latein, der war aber vorher auf dem Johan­neum gewesen und konn­te außer Latein gar nichts. Stoffel Weber in Musik. Der war aber damals schon aktiver Komponist und legt heute in Bhagwan-Discos Platten auf.

      Was für eine Karriere!

      Ganz so schlimm ist es nicht. Er hat sich inzwischen gefangen und bringt in München Schauspielern das Singen bei, weil die doch manchmal in irgendeiner Rolle singen müssen, und sie das an normalen Schauspiel­schulen nicht lernen. Wenn Leute, die nicht singen kön­nen, aber musikalisch sind, plötzlich trotzdem singen müssen, ist das eigentlich viel schöner, als wenn Sänger gleich singen.

      Singen kann ich auch nicht. Im Grunde habe ich alle Fächer auf dem Weg zum Abi mit Fünf abgegeben, aber die konnte ich immer mit Mathe ausgleichen. Meinen Abitur-Notendurchschnitt will ich gar nicht wissen. Eine Eins kommt darin jedenfalls nicht vor.

      Für meinen Abituraufsatz habe ich nicht nur eine Eins bekommen, sondern sogar noch eine Urkunde für den besten Abituraufsatz von Hamburg, Nordniedersachsen und Holstein. Über Max Frisch: »Gedanken nach einem Fluge.« Ich erinnere mich noch an einen brillanten Satz aus diesem Deutschabitur: »Inzwischen bemüht man sich, ethnische Animositäten in geregeltere Bahnen zu lenken. In Aschenbahnen zumeist.« Ist das nicht bril­lant?

      Doch. Sehr.

      Wir hatten bisher immer alle fünf Jahre Klassentreffen, aber inzwischen machen wir das aus Angst alle drei Jahre. Nicht nur aus Angst um Herrn Glockauer, unse­ren Klassenlehrer, den wir immer noch so lieben wie damals, sondern weil wir selbst auch immer älter wer­den. Gestorben ist von uns seltsamerweise noch keiner. Das scheint eine sehr gesunde Klasse zu sein. Wenn ich bedenke, wie wir in der blöden Albert-Schweit­zer-Schule beim Sportfest der Hamburger Oberschulen immer die Walddörfer-Schüler beneidet haben, weil die alle Pokale abräumten. Ich war in Sport eine ausgespro­chene Fla­sche, und dann auch noch in der Albert-Schweitzer-Schule, die nie irgendwas gewann. Als ich später in der Walddörfer Schule war, traf ich meine alten Kumpels Kümmel und Seitz und Láczi Kurucz wieder. Die waren in Zivil und ich in Schulsportklei­dung, weil ich nämlich Ersatzmann der Schulstaffel war. Aus dem Stand. Toll, was?

      Ich bin beeindruckt.

      Dennoch bin ich wegen einer Fünf in Sport sitzengeblie­ben. In Mathe und Physik hatte ich auch Fünfen, aber die konnte ich ausgleichen, doch dann habe ich noch eine in Sport draufgekriegt, was eine Gemeinheit gegen­über dem Schlußmann in der Schwedenstaffel und Er­satz­mann in der Schulstaffel ist. Im Sport wurden lauter Sachen geturnt, bei denen man sich die Eier quetschen konnte. Beim Rennen kann man das nicht. Und ich lief gar nicht mal übermäßig schnell. Ich hatte nur die Gabe, jeden zu überholen, der vor mir war. Deshalb war ich ein beliebter Schlußmann. Dabei habe ich so kurze Beine. Das war offenbar der Triumph des Willens. Bloß weg hier.

      Bei mir ist das genau umgekehrt: Zu kurzer Oberkörper und zu lange Beine. Ich bin ein Sitzzwerg.

      Ich habe einen zu langen Oberkörper und zu lange Ar­me. Die Hornhaut an den Fingerknöcheln kommt vom Nachziehen. Damit konnte man beim Laufen offenbar gut rudern. Beim letzten Klassentreffen haben wir noch­mal die Schwedenstaffel durchgehechelt, das ist die 400, 300, 200 und 100 Meter-Staffel, also immer schnel­ler. Ich wußte noch, daß Naschke die 400 Meter lief, 300 Meter weiß ich nicht mehr, 200 Meter war Wongi Schrie­ver. Und der sagte: »Du wirst dich doch noch dran er­innern, daß ich dir das Staffelholz übergeben habe.« Und ich sagte: »Wongi, du hast nichts kapiert. Ich drehe mich doch nicht um, um zu sehen, wer mir das Staffel­holz überreicht. Da bin doch längst losgerannt.« Das hat er dann auch eingesehen. Unser Klassenlehrer, Herr Glockauer, hat es nach dem Abitur immer mit den zwei oder drei Schönen aus der Klasse getrieben. Aber immer erst danach, weil es ja sonst Unzucht mit Abhängigen gewe­sen wäre. Wir sind nach dem Abitur in die Heide gefah­ren. Da hat ihm Petra Dietz, mit der das eigent­lich schon mehr oder weniger klar ging, die Ärmel- und Ho­senbeine seines Pyjamas zusammenge­näht. Außer­dem entfernte sie das Mittelstück seiner dreiteiligen Matrat­ze und zog das Laken schön straff. Wir anderen saßen zum größten Teil noch unten und soffen, da kam er plötzlich in seinem Pyjama mit den zusammengenäh­ten Ärmeln und Hosenbeinen und hat strahlend gesagt: »Wer hat das zusammengenäht? Die Frau werde ich heira­ten!«

      Und hat er sie geheiratet?

      Nein. Er war und ist sehr konservativ, und ich bin ein linker Spinner, was ich auch damals schon war. Bei einem Klassentreffen sagte er mal: »Wie kommt es ei­gentlich, daß wir uns immer so gut verstanden haben?« Darauf ich: »Das lag wohl an der Solidarität der Demo­kraten.« Weil er zwar sehr konservativ ist, aber doch ein großer Nazi-Fresser. Bei unserem ersten Klassentreffen hat er sich darüber gewundert, daß so viele von uns Lehrer geworden sind. Ich sagte: »An Ihnen hat man eben gemerkt, daß Pauker zu sein doch nicht so übel sein muß.« Damals haben wir ihn noch gesiezt, inzwi­schen sagen wir Horst oder Jürgen. Er heißt zwar Horst-Jürgen, aber einen der beiden Namen kann er nicht leiden, ich vergesse immer, welchen. Er sagte: »Ich hab nun lange genug deine spitzen Sprüche angehört, und nach dem Abitur habe ich keine Lust, mir die weiter anzuhören.« Ich sagte: »Das war kein spitzer Spruch, das hab ich ernst gemeint.« Da ging er ganz schnell aufs Klo und kam nach fünf Minuten mit roten Augen zu­rück.

      Hast du dich auch in der Schulpolitik engagiert, oder gab es so etwas zu deinen Zeiten noch gar nicht?

      Doch. Johann Ulrich Siems-Weisbach und ich wech­sel­ten uns immer als Klassensprecher ab. Er war mal Vor­sit­zender der Schülermitverantwortung, also in der Schul­politik ein ausgewiesener Crack. Wir machten aus, daß wir bei der nächsten Klassensprecherwahl uns selbst wählen. Das habe ich vergessen und ihn gewählt. Mit meiner Stimme wurde er Klassen­spre­cher. Das hat meine Klasse ziemlich schnell bedau­ert und mich da­nach gleich wieder gewählt, weil ich die Gabe hatte, von einer Schülerratssitzung, die zehn Mi­nuten gedauert hatte, 45 Minuten lang zu berichten, und das möglichst, wenn eine Mathearbeit anstand. Das war ja unser Recht. Glücklicherweise hatte ich kurz vor den APO-Zeiten Abitur, denn da wurde es ziemlich grim­mig. Die­se wild gewordenen Schüler haben nämlich unseren wun­derbaren Schulleiter Herrn Brühl mehr oder weni­ger in den Tod getrieben. Der war ein wirklich an­geneh­mer Linksliberaler. Und den haben sie schlecht behan­delt. Als die Schülermitverwaltung eingeführt wurde, hat er mich sogar mal in der Pause ins Lehrer­zimmer gebeten und gesagt: »Ich möchte, daß du dich da enga­gierst. Ich will mal ein bißchen Opposition spüren.« Davon hat er dann eine Menge abbekommen. Ich war zwar nicht mehr dabei, aber ich kann mir vorstellen, wie unangenehm das war, denn es hat ja besonders die Lin­ken erwischt. Das hat man ja bei den Scheißstudenten gesehen. Die haben sich eigentlich mehr gegen Linke gewandt als gegen Leute, die die Polizei geholt hätten. Herrn Brühl hatten wir in Geschichte und Gemein­schaftskunde, und da hat er einmal wunderschön mit verteilten Rollen eine pazifistische Veranstaltung im Curiohaus in der Rothen­baumchaussee vorgespielt, die von der SA gestürmt wird. Es kamen darin verschiedene SA-Red­ner vor und der Rot-Front-Kämpferbund, der der SA einen auf die Mütze haut, und ein kommunistischer Redner. Berühmt waren auch seine Führer-Reden. »Ka­meraden, wir ha­ben vierzehn Jahre lang darum ge­kämpft, daß die deut­sche Frau СКАЧАТЬ