In Schlucken-zwei-Spechte. Harry Rowohlt
Чтение книги онлайн.

Читать онлайн книгу In Schlucken-zwei-Spechte - Harry Rowohlt страница 7

Название: In Schlucken-zwei-Spechte

Автор: Harry Rowohlt

Издательство: Bookwire

Жанр: Философия

Серия:

isbn: 9783862870776

isbn:

СКАЧАТЬ Tag etwa 80.000 Entscheidungen treffen müs­sen. Ich wurde also beschützt, weshalb er mich erstmal hingeschmissen hat. Die zwei Spaziergänge jeden Tag mit meinem Vater haben ihm überhaupt nicht genügt. Deshalb ist er immer auf eigene Faust auf dem Oberal­sterwanderweg Streife gegangen, um nach dem Rechten zu sehen. Wir hatten ein Gatter, das in der Mitte etwas höher als links und rechts war, und er ist immer über die höchste Stelle gesprungen, um zu zeigen, was er kann. Sein Nachfolger Toxi ging auch auf dem Ober­alsterwanderweg Streife, aber der hat sich ein Loch unter den Zaun hindurch gegraben. Er war von Beruf nicht Polizist, sondern Schauspieler, neigte also eher zur Bequemlichkeit. Eigentlich hieß er nicht Toxi, son­dern »Erlo von der Kollau«. Er war ursprünglich für den Kö­nig von Nepal gezüchtet worden, der dann jedoch starb. Der Thronfolger fragte sich, was soll ich hier mit so einem kurzhaarigen Hund, der friert doch den ganzen Tag – und hat ihn wieder abbestellt. Er mußte dann tingeln gehen, damit das Geld wieder reinkam. Er hat in diesem Rührstück »Toxi« mitgespielt. Der Film handelte von einem Besatzungskind, gespielt von einem kleinen, farbigen Mädchen, das nicht wesentlich älter war als er und vor den Kameras und dem Regisseur und den Mas­kenbildnern Angst hatte. Die haben ihr zum Trost Toxi, also Erlo, als Welpen beigesellt. Er selbst ist in dem Film nie zu sehen. Ich dachte immer, er hätte da mitgespielt. Hat er aber nicht, und wenn, dann ist er rausgeschnitten worden. Elke Heidenreich hat mir den Film mal im Fernsehen auf Video aufgenommen und mich furchtbar beschimpft. Sie hätte die ganze Zeit geguckt, ob ein Boxerwelpe vorkommt. Weit und breit kein Boxer. Zum Beweis hat sie mir die Kassette ge­schickt.

      Vielleicht hat der Hund ja nur als Dialektcoach mitge­wirkt.

      Danach bekam ihn Hubert von Meyerinck. Bezie­hungs­wei­se Hubsi von Meyerinck. Seit dieser Zeit hatte der Hund eine Abneigung gegen Schwule. Wenn jemand zu Besuch kam, von dem man nicht so richtig wußte, ob er schwul ist oder nicht, merkte man es spätestens an der Reak­tion des Hundes. Er fing an zu knurren, sein Rü­kenfell sträubte sich, und er ging steifbeinig rück­wärts aus dem Raum. Das war ihm selber peinlich, weil man doch zu Besuch nett sein muß, besonders als Boxer, die ja all­gemein sehr freundlich sind. Es war schön an­zuse­hen, wie er darunter litt, aber seine Abneigung war stärker als er selbst.

      Er war ein ausgesprochener Charmebolzen. Meine Eltern und ich sind mal im Harz, in der Nähe der Zonen­grenze, spazieren gegangen. Damals war die Grenze noch offen. Ein Bundesgrenzschützer kam und sagte: »Fast wären Sie jetzt auf das Gebiet der Ostzone ge­latscht. Das ist ja ein schöner Hund.« Mein Vater ant­wortete: »Schön vielleicht, aber er ist so verspielt und gutmütig. Ich kann mir gar nicht vorstellen, wie der die Schutzhundprüfung bestanden haben soll.« Der Bundes­grenzschützer brach einen großen Ast ab und ging ohne Vorwarnung auf meinen Vater los. Da hättest du den verträumten und gemütlichen Toxi sehen sollen. Er ging dem Bundesgrenzschützer gezielt an die Kehle, so daß der richtig in Gefahr geriet. Seitdem haben wir den Hund gesiezt.

      Toxi konnte sogar Leute nachmachen. Das hat man ja auch nicht oft. Ich habe neulich Robert Gernhardt töd­lich beleidigt. Der hat seine »Bella« in der Toskana als Welpe aus dem Mülleimer gefischt, halb Pointer und halb Dalmatiner. Dalmatiner sind, wie wir alle wissen, ziemlich dämlich, und Pointer sind Jagdhunde. Ich habe Robert furchtbar beleidigt, indem ich behauptete, Jagd­hunde seien humorlos. Boxer hingegen haben wirklich Humor. Die sind zwar ursprünglich als Bullen-Beißer auch Jagdhunde gewesen. Sie haben diesen vorstehen­den Unterkiefer, um sich am Auerochsen festbeißen zu können. Wenn dann so fünf, sechs Stück am Auerochsen hängen, wird er matt. Und anschließend wird er mit Speeren erlegt. Aber sonst hatten die Hunde nicht viel zu tun und sind deshalb freundliche Familienhunde geworden.

      Du sagtest, euer Köter konnte Menschen nachmachen?

      Ja. Meine Mutter hat diese alte Wassermühle im Huns­rück von ihrer Mutter geerbt. Ernst von Salomon war dort zu Besuch. Er hatte in seiner Eigenschaft als Frei­korpskämpfer einmal von einem Demokraten ordentlich eins aufs Nasenbein bekommen, weshalb er Zeit seines Lebens furchtbar schnarchte. Salomon schlief unten im Gästezimmer, und Toxi machte sich Sorgen, weil der so schnarchte. Das hatte er noch nie in der Lautstärke gehört. Der Hund machte die ganze Nacht kein Auge zu. Meine Mutter wachte irgendwann nachts auf und ging pinkeln, und Toxi führte sie ganz aufgeregt oben an den Treppenabsatz, guckte nach unten und machte »Rhrhrh­rhrhrh«. Daraufhin weckte mich meine Mutter, und Toxi führte mir das auch nochmal vor. Es hat ihm keine Ruhe gelassen, daß ein Mensch solche Geräusche macht. Ein Hund, der Leute nachmachen kann – das hat man doch selten.

      Da hätte er bei mir auch seine Freude gehabt. Ich habe mal in Berlin bei Freunden in einer Wohngemeinschaft übernachtet, im Flur. Am nächsten Morgen hatte einer der Bewohner einen geschwollenen Arm, weil ihn seine Freundin die ganze Nacht angeknufft hatte. Sie dachte, er schnarcht so verheerend, bis sie im Morgengrauen merkte, daß ich es war – durch zwei geschlossene Türen hindurch. Ein Hund, der Schnarchen nachmachen kann, ist mir allerdings noch nicht begegnet.

      Toxi konnte noch mehr. In Westerland auf Sylt hab ich mir mal weiße Turnschuhe gekauft. Toxi war dabei und guckte in einen Ganzkörperspiegel, den es in Schuhlä­den oft gibt, damit man sieht, wie der Schuh am gesam­ten Menschen wirkt. Er guckte also ausgiebig seine Füße und anschließend uns an – sehr vorwurfsvoll. Weil mei­ne Mutter sich Schuhe kaufte, dachte Toxi, er wäre doch allmählich auch mal dran. Es war ganz deut­lich zu se­hen. Er sah im Spiegel seine unbeschuhten Füße an, guckte dann ziemlich trübselig in unsere Rich­tung und dachte: »Da reißt man sich den Arsch auf für diese Fa­mi­lie, aber da hast du dich geschnitten, wenn du glaubst, daß wenigstens zwei Paar Schuhe für dich raus­sprin­gen.«

      Toxi fuhr gerne Auto. Im Allgäu auf der Voralpen­stra­ße hielten immer die Autos an, weil die Leute das Pan­orama genießen wollten. Da sprang Toxi rein und ließ sich bis zum nächsten oder übernächsten Kaff einen Lift geben, weil er so gern Auto fuhr. Wenn die Leute ihn zur Polizei bringen wollten, sprang er heraus und versuchte, einen Lift zurück zu bekommen, was natür­lich viel schwieriger war. Dann kam er oft mit blutenden Pfoten nach Hause. Schließlich machte meine Mutter den Füh­rerschein. Es ist ein Verbrechen, daß sie ihn bekommen hat. Toxi hat sich in Nullkommanix das Autofahren abgewöhnt.

      Du erzählst so viel von euren Kläffern, bist du etwa ein Hundenarr?

      Nein, Hunde sind mir ziemlich wurscht. Bis auf Trulla, die war eine echte Ausnahme. Das war ein Neufund­dackel in München, mit dem ich sehr befreundet war. Also: Vater Dackel, Mutter Neufundländerin, das heißt ein Riesenbernhardinerkopf, und dann war auch schon Schluß, da war der Hund zu Ende. Er gehörte Rita und Rüdiger Ullrich. Rüdiger Ullrich ist der Bruder der ver­storbenen Almut Gernhardt. Rüdiger und Rita sind Psychotherapeuten und mußten in die Tos­kana fahren, weil sie da irgendwas vergessen hatten. Sie haben Ulla und mir Trulla überlassen, weil ich so gut mit Trulla konnte. Das war sehr angenehm. Trulla hat immer mit ihrem Kopf auf meinem Matratzenlager gepennt, der übrige Hund, den man ansonsten vergessen konnte, pennte außerhalb. Wenn Ulla morgens zur Ar­beit ging, nahm sie Trulla mit, damit sie pinkeln konnte. Einmal um den Block und wieder rein. Trulla legte dann wieder diesen Riesenkopf auf mein Matratzenlager, und sobald ich einigermaßen wach war, tat sie so, als hätte sie gleich einen Blasenriß: »Ich muß ja sooooo dringend vor die Tür.« Trulla hatte genauso wie ich eine absolute Kneipennase. Wir sind vorzugsweise in München in den »Soller« in der Talstraße gegangen. Den »Soller« gibt es inzwischen nicht mehr. Da spielte morgens schon ein Stimmungstrio, und Trulla bekam immer einen Riesen­knochen, mit dem sie nicht mehr durch die Tür kam. Die sahen nur diesen Bernardinerkopf unterm Tisch, und deshalb hat sie den entsprechenden Knochen bekom­men. Die Kapelle, das Stimmungstrio, habe ich sehr geliebt. Der Frontmann fragte mich mal auf dem Weg zum Klo nach meinen Musikwünschen: »Mogst Kanntrie hean?« Ich mochte. Dann haben sie eineinhalb Stunden Western-Swing gespielt. Eine längst ausgestorbene Musikgattung, für die man wirklich etwas können muß. Der große Chet Atkins hat das begründet. »Bob Wills & his Texas Playboys« war die erste Kapelle, die das mach­te.

      Ich kenne deinen Musikgeschmack, seit du heute früh in Galway eine CD СКАЧАТЬ