In Schlucken-zwei-Spechte. Harry Rowohlt
Чтение книги онлайн.

Читать онлайн книгу In Schlucken-zwei-Spechte - Harry Rowohlt страница 6

Название: In Schlucken-zwei-Spechte

Автор: Harry Rowohlt

Издательство: Bookwire

Жанр: Философия

Серия:

isbn: 9783862870776

isbn:

СКАЧАТЬ Bei Robert Gernhardt scheine ich es irgendwann mal übertrieben zu haben, weil er genervt sagte: »Ja, ja, du hast einen Brief von Alfred Polgar.« Und ich hab gesagt: »Ja allerdings, ich hab einen Brief von Alfred Polgar. Du hast keinen Brief von Alfred Polgar.« Robert machte den geballten Balten und sagte: »Meine hat alle der Russe.« Wir haben ihn mal in seiner albernen Toscana besucht, wo der PCI, der Parti­to Comunista Italiano, bei den Kommunalwahlen drei­undsiebzig Prozent abgestaubt hatte, und Robert sagte: »Da ist man nun dreimal vorm Russen abgehauen und dann das.«

      Als Schauspielerin ist deine Mutter doch sicher viel her­umgekommen. Mußtest du immer im Schlepptau mit?

      Ich war insgesamt auf sechzehn oder achtzehn verschie­denen Schulen, weil meine Mutter von Engagement zu Engagement eilte. Und als meine Eltern geheiratet hat­ten, war mein Vater auf der Flucht vor dem Rowohlt Verlag. Er mußte angeblich im Allgäu wohnen, wegen der Höhenluft. Alles Quatsch. Er hat sich im neuen Rowohlt Verlag in Reinbek bei Hamburg nicht zurecht­gefunden. Aber er hat da ohnehin nichts getan, weil der Laden inzwischen von meinem Brüderchen, Heinrich Maria Ledig-Rowohlt, geschmissen wur­de, der das sehr viel besser konnte.

      Wie hast du dich denn mit deinem Brüderchen verstan­den?

      Ich war völlig durch den Wind, als er gestorben ist. Sei­ne letzten Worte waren: »Na, jetzt langt es aber auch allmählich.« Während der Buchmesse im Café Laumer, was zur Buchmessenzeit Café Rowohlt heißt und wo man Gutscheine trinken kann, hab ich zu meinem Brü­derchen gesagt: »Ich gehe jetzt ins Café Rowohlt und gebe mich als junger Herr Laumer zu erkennen.« Wir sind zusammen vom »Hessischen Hof« zu Fuß hingegan­gen. Damals war mir noch nicht klar, daß es ihm sehr viel schlechter ging, als man ihm anmerkte. Das waren vielleicht hundertachtzig Meter, da hat er schon geklagt, und danach hat er den Weg vom »Hessischen Hof« ins Café Laumer immer »unsere ge­meinsame Nachtübung« genannt. Da haben wir unab­hängig voneinander »Mat­jes Hausfrauenart« bestellt und beide unabhängig von­ein­ander gesagt: »Hausfrau bedeutet nicht Strapse, son­dern Äpfel.« Daraufhin meinte er: »Man merkt eben doch, daß wir Brüder sind.«

      Woran ist er gestor­ben?

      Er war in Indien auf der Buchmesse, in Delhi, und Inge Feltrinelli hat ihn ziemlich herumgescheucht, was Ver­gnügungen betraf. Er ist mit der Eisenbahn gefahren, dem »rollenden Palast«, der durch übertriebenes air-conditioning furchtbar unterkühlt war. Dabei hat er sich eine Lungenentzündung geholt und ist in Agra im Ange­sicht des Tadsch Mahal gestorben. Er ist sofort ver­brannt worden, allerdings ohne Witwe. Die Urne mit seiner Asche hat seine Witwe Jane nach Lavigny, aufs Schloß in der Schweiz gebracht und auf den Kaminsims ge­stellt. Sie wollte nach ihrem Tod, der sie auch ziem­lich schnell ereilte, eben­falls ver­brannt werden, und an­schließend sollte ihrer beider Asche vermischt und in ihrer Familiengruft in der Nähe von London beigesetzt werden. Das war die Gruft ihres Vaters, ein reicher Schotte, der in der Eli­teeinheit »The Black Watch« ge­dient hatte. Die trugen schwarze Kilts und wurden des­halb »The Devil’s Ladies« genannt. Er nannte seinen Schwiegersohn immer Adolf, weil er Deutscher war. Sehr witzig. Das war eine ausge­sprochen blöde Beerdi­gung. Die beiden waren in der Urne zwar richtig schön miteinander gemischt worden, aber nie­mand hielt eine Trauerrede. Wenn in der Aus­segnungs­halle wenigstens ein Harmonium gestanden hätte! Dann hätte man mit Anspielung auf die Urne und ihren Inhalt spielen kön­nen: »Oohoohoo, ooh, yeah, yeah, I’m all shook up!«

      Hatte dein Bruder eigentlich Kinder?

      Heinrich Maria hatte zwei Töchter: eine leibliche, die er enterbt hat, weil sie ihr Erbe zu seinen Lebzeiten ausbe­zahlt haben wollte, um sich in München eine Boutique einzurichten. Und eine unleibliche, die vom Briefträger oder vom Milchmann stammte. Ich habe sie anläßlich der Beisetzung von Hein­rich Marias Witwe in London getroffen. Sie ist mit ei­nem Schweizer Anwalt oder Bör­senmakler oder irgend so was Nützlichem verheira­tet, wohnt seit unvor­denklichen Zeiten in Zürich und ist eine richtig wohl­situierte Schweizerin. Es gibt ja vier Schwei­zer Spra­chen, also Deutsch, Französisch, Italie­nisch und Rätoro­manisch, und sie meinte tatsächlich, Rätoroma­nisch hätte englische Wurzeln.

      Du hattest doch auch eine Schwester, oder?

      Meine Halbschwester Anna Elisabeth, genannt Baby, ist während der brasilianischen Emigration meines Vaters gezeugt und geboren worden, in einer Favela in São Pau­lo. Dort hat sie sich offenbar auch den Hautkrebs zu­gezogen, an dem sie dann gestorben ist, weil sie als Rot­blonde immer mit den Caboclos – das sind Schwarz­afri­kaner und Indiomischlinge, die sehr viel gesünder pig­mentiert waren als sie – im Schlamm gespielt hat. Ken­nengelernt hab ich sie, als ich sechs Jahre alt war, und hab mich prompt in sie verknallt. Sie war ein rund­her­um angenehmer Mensch, ich habe aber leider so gut wie nie von ihr Gebrauch gemacht. Wir haben uns im­mer sehr geliebt, auf die Entfernung. Sie ist dann irgendwann nach Deutschland gekommen, doch wir sind einander so gut wie nie über den Weg gelaufen.

      Erzähl ein bißchen mehr von deinem Vater.

      Ernst Rowohlt war einer der wenigen Menschen, der gar nichts konnte. Es war erstaunlich, wie unbegabt er in jedem Bereich war. Einfach toll. Das hat man ja manch­mal, und dann kann man diese Leute nur als Genies bewundern. Irgendeiner seiner Autoren hat mal gesagt, er sei ein Genie der Freundschaft gewesen. Er war vier­mal verheiratet, hauptsächlich mit Schauspielerinnen. Er hatte den Ehrgeiz, sie aus ihrem Beruf zu entfernen, damit sie sich nur noch um ihn kümmerten. Wenn er das mit Straßenbahnschaffnerinnen gemacht hätte, wären die vielleicht sogar froh gewesen. Ich habe ihn erst in einer Zeit richtig erlebt, als er alt und miesepet­rig ge­worden war. Er war eigentlich immer nur alt und krank und muffelig und hat, weil er sich nicht mehr in den Rowohlt Verlag hineingetraut hat, versucht, zu Hause den Laden zu terrorisieren. Mein Brüderchen hat es nie geschafft, sich gegen ihn aufzulehnen, während ich das bereits mit dreizehn oder vierzehn gemacht ha­be. Da­nach waren wir praktisch unzertrennlich. Ich mußte spätestens um zehn zu Hause sein. Ich habe immer erst meine Mutter gefragt, wann ich von der Fete zu Hause sein sollte, und dann habe ich meinen Vater gefragt: »Wenn’s gemischt wird, pünktlich.« Daran halte ich mich bis heute. Ich gehe immer weg, wenn’s ge­mischt wird. Ich habe ihm auf seinem Totenbett, von dem wir beide noch nicht ahnen konnten, daß es sein Toten­bett sein würde, den gesamten Schwejk, den er­sten und zweiten Band, mit verteilten Rollen vorgelesen. Bei der Stelle: »... den Kokoschka Ferdinand, der was den Hunds­dreck sammelt«, ist er wegen der pastosen Technik des Kokoschka Oskar vor Lachen aus dem Bett gefallen und hat meine Mutter ange­röhrt: »Kom­mando zurück, der Junge wird nicht Ver­leger, der Junge wird Schauspieler.« Das war eine schö­ne Zeit, die letzten anderthalb Jahre mit meinem Alten, als er plötz­lich gemerkt hat, daß sein anderer Sohn ein Mensch ist, und ich plötzlich gemerkt habe, daß mein verachteter Vater auch ein Mensch ist. Da hätte er ger­ne noch ein bißchen länger rummurkeln können, aber das ist eben nicht gelungen. Wozu auch. Das war kein Leben für ihn, sich nicht in den Verlag zu trauen, und zu Hau­se Zoff. Seine letzten Worte waren, und das war ganz typisch für ihn, eine Mischung aus Bestellung und Be­schwerde: »Eigent­lich ist doch jetzt Bockbierzeit.« Also hat er noch ein Bock­bier be­kom­men, und dann ist er abgekratzt.

      Einfach so?

      Er hatte früher schon mal einen Herzinfarkt. Unser Hausarzt in Hamburg, Professor Dr. Kurt Gröbe, der damalige Spitzenkandidat der Hamburger DFU, hat ihm einen Hund verschrieben, damit er jeden Tag zwei­mal spazieren gehen mußte.

      Gibt’s den auf Krankenschein?

      Nö. Aber sollte es. Der erste Hund war ein Polizeihund, dessen Hundeführer an die Polizeischule nach Eckern­förde befördert worden war. Dort hat der Hund den ganzen Tag Bürodienst geschoben und wurde immer trübseliger, weil er Streife gehen wollte. Deshalb war er billig abzugeben. Vater, Mutter und ich sind hingefah­ren und kamen in das Büro, wo der Hund unter dem Schreibtisch saß. Er hat sich auf mich gestürzt und umgeschmissen, weil Boxer ja sehr kinderlieb sind. Bo­xer sind nach СКАЧАТЬ