Название: Widerstand gegen den Nationalsozialismus
Автор: Lenelotte Möller
Издательство: Bookwire
Жанр: Документальная литература
Серия: marixwissen
isbn: 9783843803809
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Zit. nach: Lydia Schmidt: Franz Matt, S. 77f., Anm. 291
Der Versuch, durch seinen Aufruf gegen den »Preußen Ludendorff« die Stimmung der Bevölkerung gegen die Putschisten zu wenden, funktionierte.4 Schweyer versuchte auch, Hitlers Begnadigung nach seiner kurzen Haft in Landsberg zu verhindern, und verhängte ein Redeverbot gegen Hitler in Bayern, das bis 1927 in Kraft blieb. So kam noch bei der Reichstagswahl im Juli 1932 eine Mehrheit für die demokratischen Parteien in Bayern zustande. Dem Ermächtigungsgesetz stimmten die BVP-Abgeordneten im Reichstag allerdings zu. Zur Verhinderung der Gleichschaltung wurden noch der Austritt Bayerns aus dem Reich bzw. die Wiedereinführung der Monarchie unter Kronprinz Ruprecht erwogen. Die Monarchisten wurden dabei von dem jüdischen Herausgeber der »Münchner Neuesten Nachrichten«, Nikolaus Paul Cossman (1869–1942), unterstützt. Doch kamen ihre Überlegungen zu spät. Bayern wurde als letztes deutsches Reichsland am 8./9. März gleichgeschaltet. Die BVP löste sich unter dem Druck der NSDAP im Juli 1933 selbst auf.
Literatur: Karl Sommer: Beiträge zur Bayerischen und Deutschen Geschichte in der Zeit von 1910 bis 1933. Privatdruck Kreuth 1981; Lydia Schmidt: Kultusminister Franz Matt (1920–1926): Schul-, Kirchen- und Kunstpolitik in Bayern nach dem Umbruch von 1918. [Schriftenreihe zur bayerischen Landesgeschichte] München 2000; Peter Claus Hartmann: Bayerns Weg in die Gegenwart. Vom Stammesherzogtum zum Freistaat heute. Regensburg 22004
Franz Schweyer
Zu den frühen Kritikern der NSDAP gehörte der BVP-Politiker und bayerische Innenminister Franz Schweyer. Er wurde 1868 in Osterzell (Schwaben) geboren, studierte Rechtswissenschaften und war anschließend im bayerischen Verwaltungsdienst tätig. Er war Mitglied der BVP, machte aber als Verwaltungsfachmann Karriere, nicht als Parteimitglied. 1921 wurde er bayerischer Innenminister und sorgte 1923 für die Niederschlagung des Hitler-Putsches. Nach seinem Ausscheiden aus der Regierung verfasste er ein Buch über »Politische Geheimverbände«, unter denen er Gemeinschaften verstand, die »irgend eine für ihre Beurteilung entscheidend ins Gewicht fallende Einrichtung oder Eigenschaft der zuständigen Staatsbehörde oder der Öffentlichkeit tatsächlich planmäßig vorenthält«.5 Darin beschreibt Schweyer 27 größere und kleinere Vereinigungen gesellschaftlicher, politischer und krimineller Art aus Europa und Amerika mit dem Schwerpunkt auf Deutschland. Hinter den Freimaurern nehmen darin die Nationalsozialisten6 und die Bolschewisten den größten Raum ein. Er beklagt die Brutalität der Nationalsozialisten gegenüber Andersdenkenden, besonders Juden, Sozialdemokraten und Marxisten, wirft Hitler Charakterschwäche, Größenwahn und Hemmungslosigkeit vor, Demokratie- und Staatsfeindlichkeit, und besonders – daher die Aufnahme in das Buch – Unehrlichkeit. Schweyer beschreibt die Auseinandersetzungen Hitlers mit der bayerischen Staatsregierung. Er zeigt den Strategiewandel der Partei von den Umsturzplänen hin zur scheinbaren Integration in die Verfassung auf, thematisiert die Lüge vom Sozialismus im Parteinamen, kritisiert die Föderalismusfeindlichkeit der NSDAP und wendet sich selbst gegen jede Diktatur von rechts oder links. Die Nationalsozialisten seien Feinde des Katholizismus und des Christentums im Allgemeinen. Sie verstünden darunter nichts anderes als Antisemitismus und wollten es durch eine germanische Religion ersetzen und wie die Faschisten die Nation zum Gott erheben. Über die jüngste Entwicklung seit Hitlers Haftentlassung aus Landsberg schreibt Schweyer:
Von besonderem Interesse sind die Bestimmungen über die Sturmabteilungen (S.A.). Hierüber ist verfügt: »Die Neubildung der S.A. erfolgt nach den Grundlagen, die bis zum Februar 1923 maßgebend waren. Ihre Organisation hat dem Vereinsgesetze zu entsprechen. Bewaffnete Gruppen und Verbände sind von der Aufnahme ausgeschlossen. Die Abteilung, die gegen die Anordnung der Leitung öffentliche Umzüge veranstaltet oder sich an solchen beteiligt, wird sofort aufgelöst. Die Führer werden aus der S.A. und der Partei ausgeschlossen.« Hiernach behält sich die Leitung der Partei vor, ihrerseits über das Tragen von Waffen und die Veranstaltung von Umzügen das Geeignete zu bestimmen. Bewaffnung und Veranstaltung sollten hiernach nicht ausgeschlossen, sondern nur der Verfügung der Leitung vorbehalten sein. Die Vorschriften erwecken den Anschein einer den Anforderungen des Staates Rechnung tragenden Regelung; bei näherem Zusehen enthalten sie in versteckter Weise die Aufrechthaltung der ganzen früheren Organisation, vor allem auch der Sturmabteilungen und sonstiger Einrichtungen der Partei. Alle diese Einrichtungen werden nur noch strammer als bisher der zentralen Leitung, dem persönlichen Befehl Hitlers, unterstellt. Nach dem ersten Auftreten in öffentlichen Versammlungen scheint Hitler, der mit Bewährungsfrist entlassene Führer der Bewegung, die frühere Sprache und die frühere Agitationsmethode wieder aufnehmen und in der gleichen anmaßenden Weise wie früher den bestehenden Regierungen und Parteien den Fehdehandschuh hinwerfen zu wollen.
Schweyer, Geheimverbände, S. 118f.
Schweyers Warnungen verhallten bei vielen Wählern und schließlich bei den Verantwortlichen in Berlin ungehört. Nach der Übernahme der Macht durch die Nationalsozialisten wurde Schweyer in das Konzentrationslager Dachau verbracht, aber zuerst noch einmal freigelassen. Er starb an den Folgen eines im Gefängnis in München-Stadelheim 1935 erlittenen Schlaganfalls, wo er ohne Prozess eingesperrt war.
Quellen und Literatur: Franz Schweyer: Politische Geheimverbände. Blicke in die Vergangenheit und Gegenwart des Geheimbundwesens. Freiburg 1925; Peter-Claus Hartmann: Franz Schweyer. In: Strickler, Matthias (Hrsg.): Portraits zur Geschichte des Deutschen Widerstandes. [Historische Studien der Universität Würzburg VI], Würzburg 2005, S. 41–55
Liberale und Demokraten
Theodor Heuss
Von grundsätzlicher Art waren auch die Differenzen zwischen Nationalsozialismus und liberalen sowie demokratisch gesinnten Politikern. Dies wurde z. B. in der Person des späteren Bundespräsidenten Theodor Heuss deutlich.
Als Württembergischer Abgeordneter war er 1930 nach einer Unterbrechung wieder in den Reichstag gewählt worden und hielt am 11. Mai 1932 eine Rede, durch die er mit Hermann Göring in Streit über die Außenpolitik geriet. Bereits Anfang des Jahres war sein Buch »Hitlers Weg. Eine historisch-politische Studie über den Nationalsozialismus.« erschienen, in der er die Entstehung der Bewegung und das Programm der Nationalsozialisten analysierte, sie aber vor allem durch argumentative Auseinandersetzung kritisierte. So legte er zum Beispiel die Widersinnigkeit des Rassenwahns offen:
Unausgeglichen bewegt sich der Antisemitismus zwischen zwei Polen hin und her. Der Arier erscheint nicht nur als die Krone der Schöpfung, er ist der Träger der Kultur, der Verwalter der ordnenden Eigenschaften, der Soldat, der Staatengründer, der geborene Herr – alles Starke geht von ihm aus, alle überlegene Weisheit ist sein Besitz, schließlich sind auch alle bedeutenden Erfindungen, weltumspannenden Gründungen wirtschaftlicher Natur seine Leistung. Und zugleich wird er das Opfer einer Handvoll Menschen, die feige und unschöpferisch sind, die er brutalisiert und die ihn doch in der Hand haben – in solcher Zeichnung muß etwas nicht stimmen. Denn sonst müsste ja ein Anhänger des Machtgedankens fast der Meinung sein, dieses Verhältnis habe sich mit innerer Notwendigkeit ergeben; jene auszeichnenden Eigenschaften seien nur gewählt worden, um mit der Benennung ein Manko zu verdecken.
So ist es natürlich nicht. Das Geschichtsbild ist falsch, weil es mit zu groben und zu einfachen Begriffen, mit Wunschvorstellung und Haßgefühl aufgebaut ist und weil seine Grundthese von dem »schicksaligsten Besitz«, dem Blut, den politisch konstituierenden Kräften nicht gerecht wird. Diese ruhen in Sprache und Siedlungsraum, mehr noch in der gemeinsam erlebten und Seelen gestaltenden Geschichte. Das hat noch niemand deutlicher erfahren müssen als das deutsche Volk, als die »nordische Rasse«, die so viel »Blut« in fremdes Staatenwesen und auch СКАЧАТЬ